Leitsatz (amtlich)

Vorführdamen, die an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen während einer Messe oder einer Modenschau Kleidungsstücke für ein Unternehmen ganztägig oder nur an einigen Stunden des Tages vorführen, können Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder gewerbliche Einkünfte beziehen. Es kommt darauf an, ob die Beteiligten für die Dauer der Vorführungen eine Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers vereinbart und durchgeführt oder ob die Beteiligten in Kenntnis aller Umstände eine von dem Betrieb unabhängige Stellung der Vorführdamen angestrebt haben.

 

Normenkette

EStG §§ 19, 38, 15

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte, ein führendes Pelzgeschäft in einer Großstadt, hat den Vorführdamen, die im Jahr 1962 bei drei - jeweils einen Tag dauernden - Modeschauen und im Jahr 1963 anläßlich der Rauchwarenmesse in Frankfurt (Main) von ihr beschäftigt wurden, Honorare im Gesamtbetrag von 9 429,90 DM gezahlt. Die Vorführdamen waren nicht ständig im Betrieb der Klägerin beschäftigt. Sie hatten der Klägerin keine Lohnsteuerkarten vorgelegt. Die Klägerin behielt auch keine Lohnsteuer ein.

Das FA sah die Vorführdamen als Arbeitnehmer an und forderte mit dem Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 21. November 1963 2 357,47 DM Lohnsteuer und 141,44 DM Kirchensteuer nach. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG, dessen Entscheidung in EFG 1967, 287 veröffentlicht worden ist, gab der Klage statt. Das FA hatte der Klägerin nach der Klageerhebung angeboten, von der Erhebung der Lohnsteuer insoweit abzusehen, als die Vorführdamen jeweils weniger als sieben Tage bei der Klägerin beschäftigt gewesen waren. Das FG verneinte jedoch die Arbeitnehmer-Eigenschaft der Vorführdamen überhaupt. Der Beruf einer Vorführdame könne sowohl selbständig als auch unselbständig ausgeübt werden. Diese Alternative bestehe gerade bei den gehobenen Berufen, zu denen auch der der Vorführdamen zähle. Im vorliegenden Falle seien die Vorführdamen selbständig gewesen, weil sie weder bei den Modeschauen noch bei der sieben Tage dauernden Beschäftigung auf der Frankfurter Messe in den Organismus des Betriebs der Klägerin eingegliedert worden seien. Wesentlicher als das zeitliche Moment sei aber die Tatsache, daß die Vorführdamen jeweils nur von Fall zu Fall aus einem besonderen Anlaß (Messe, Modenschau) engagiert worden seien. Derartige Veranstaltungen höben sich von dem normalen Geschäftsbetrieb der Klägerin deutlich ab. Im Streitfall komme hinzu, daß die Vorführdamen nach langfristigen Vereinbarungen aus verschiedenen Städten des In- und Auslandes zur Frankfurter Messe angereist seien. Auch die Höhe des Honorars von 130 DM täglich spreche gegen eine unselbständige Tätigkeit. Vier der in Frankfurt beschäftigten Vorführdamen seien außerdem noch bei anderen Auftraggebern und eine Vorführdame noch bei einem weiteren Auftraggeber beschäftigt gewesen. Die Anzahl von eigenen Kleidungsstücken, die eine Vorführdame zu den Vorführungen bereithalten müsse, sowie die Kurzfristigkeit des Engagements deuteten auf das mit der selbständigen Arbeit verbundene Risiko hin. Schließlich sei auch der Vertragswille der Parteien von entscheidender Bedeutung für die Einordnung der Tätigkeit. Die Klägerin habe unwidersprochen und glaubhaft vorgetragen, daß zwischen ihr und den Vorführdamen kein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte. Die Vorführdamen erhielten zwar die Reise- und Verpflegungskosten ersetzt und seien bei ihrer Tätigkeit auch weisungs- und zeitgebunden. Diese Merkmale begründeten jedoch für sich allein kein Arbeitsverhältnis. Im übrigen sei die Heranziehung der Klägerin zur Lohnsteuer ermessensfehlerhaft gewesen. Da auch nach der Auffassung des FA gewisse Zweifel an der Arbeitnehmereigenschaft der Vorführdamen bestanden hätten, wäre es angebracht gewesen, ihre Veranlagung zur Einkommensteuer zu veranlassen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Es treffe zwar zu, daß einzelne Merkmale für eine selbständige Stellung der gelegentlich beschäftigten Vorführdamen sprächen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse müßten die Vorführdamen aber als Arbeitnehmer angesehen werden. Eine nur kurzfristige Tätigkeit für den Arbeitgeber schließe die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers nicht aus. Die Unterscheidung zwischen einfacher und gehobener Tätigkeit gehe davon aus, wie weit auf Grund der Natur der jeweiligen Tätigkeit die Weisungsbefugnis des Auftraggebers reiche. Dementsprechend rechne zu den einfachen unselbständigen Tätigkeiten auch die Arbeit der Musiker in einer Gaststätte oder in einem Café. Die Vorführdamen dürften aber erheblich weitergehenden Weisungen unterliegen als derartige Musiker.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I.

Das FG hat zwar mit Recht geprüft, ob unter Abwägung aller Umstände die Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftenden der Billigkeit entspricht oder ob nicht der Arbeitnehmer als der eigentliche Steuerschuldner vor dem Arbeitgeber als Gesamtschuldner hätte herangezogen werden müssen (Entscheidung des BFH VI R 23/66 vom 14. April 1967, BFH 88, 457, BStBl III 1967, 469). Es ist der Vorinstanz auch zuzugeben, daß für die Klägerin nicht eindeutig feststand, ob sie zur Einbehaltung der Lohnsteuer verpflichtet war. Selbst der Beklagte hat seine Rechtsansicht über die Lohnsteuerpflicht der Honorare der Vorführdamen während des Klageverfahrens geändert. Bei der Prüfung, ob eine Verletzung des Ermessens durch das FA vorliegt, dürfen aber die besonderen Umstände des Falles nicht außer acht gelassen werden. Die Klägerin hatte Lohnsteuer von den Honoraren der Vorführdamen, die sie bei der Frankfurter Rauchwarenmesse im Vorjahr, also im Jahr 1962, beschäftigt hatte, einbehalten und die Nachforderung dieser Beträge bei der Lohnsteuerprüfung im Wege des § 46 Abs. 4 LStDV anerkannt. Es kann deshalb nicht als ein Fehlgebrauch des Ermessens bezeichnet werden, wenn der Beklagte, der bei derselben Prüfung den gleichen Sachverhalt für das Jahr 1963 feststellte, die von der Klägerin diesmal nicht einbehaltene Lohnsteuer durch Haftungsbescheid nachforderte.

II.

Vorführdamen können, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, selbständig oder unselbständig tätig sein. Die frühere Auffassung, daß sie stets als Arbeitnehmer zu behandeln seien, trifft sicherlich nicht mehr allgemein zu (so auch Hartz-Over-Meeßen, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichw. Mannequin). Soweit die Vorführdamen ständig bei einem Unternehmen beschäftigt sind, ist ihre Arbeitnehmereigenschaft allerdings nicht zweifelhaft.

Es kann dahingestellt bleiben, ob Vorführdamen, wie die Vorinstanz in Übereinstimmung mit dem FG Düsseldorf (EFG 1964, 555) annimmt, eine gehobene Tätigkeit ausüben. Jedenfalls wäre eine gehobene Tätigkeit allein kein entscheidendes Merkmal für ein Dienstverhältnis von selbständig Tätigen. Im Einzelfall können auch einfache Gelegenheitsarbeiten zur selbständigen Tätigkeit gehören, während andererseits hoch bezahlte und hoch qualifizierte Arbeiten als nichtselbständige Tätigkeiten anzusehen sein können.

Die Dauer der Beschäftigung ist für die Art des Dienstverhältnisses zwar nicht ohne Bedeutung, aber sie ist ebenfalls nicht allein entscheidend. Auch eine kurzfristige und nur vorübergehende Tätigkeit kann ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Lohnsteuerrechts begründen, sofern wegen der Art der Arbeit eine Eingliederung in den Betrieb vollzogen werden muß. Das ist beispielsweise der Fall bei der Beschäftigung von Aushilfskellnern oder auch beim Engagement von Musikkapellen, die ausschließlich der Unterhaltung der Gäste und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Gaststätte dienen.

Die Frage, ob jemand auf Grund eines Dienstverhältnisses in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist und dessen Weisungen soweit unterliegt, daß für eine eigenbestimmte und selbstverantwortliche Ausführung der Tätigkeit nur noch ein geringer Spielraum bleibt, läßt sich in der Regel nur aus der Art der zu verrichtenden Tätigkeit beantworten. Vorführdamen, die von einem Betrieb nur bei einigen Anlässen beschäftigt werden, übernehmen im allgemeinen keine der im Betrieb üblicherweise anfallenden Arbeiten. Ihre zeitlich und sachlich begrenzte Aufgabe besteht darin, bei einem besonderen Anlaß in augenfälliger Weise für die Erzeugnisse des Betriebs zu werben. Die dafür geeigneten Kräfte werden von den jeweiligen Auftraggebern besonders ausgesucht und entsprechend bezahlt. In dem vorliegenden Fall sind die Vorführdamen, wie das FG festgestellt hat, ohne Bindung zu einem bestimmten Auftraggeber, von Fall zu Fall für einen oder für mehrere Auftraggeber gleichzeitig tätig gewesen. Auf der Messe traten sie nicht an die Stelle der sonst tätigen Angestellten des Betriebes der Klägerin. Sie wurden vielmehr zusätzlich und unmittelbar zu Werbezwecken beschäftigt.

Aber auch diese Art der Tätigkeit schließt eine Eingliederung der Vorführdamen in den Betrieb des Arbeitgebers nicht aus. Es kommt auf das Maß der Weisungsgebundenheit an. Die Vorführdamen haben bei der Ausübung ihrer Arbeit nicht völlig freie Hand. Sie sind zeitlich und örtlich an die Anweisung ihrer Auftraggeber gebunden. Bei ihrer Tätigkeit entfalten sie keine eigenen geistigen oder gestaltenden Kräfte wie die Angehörigen freier Berufe. Sie wirken durch ihr Geschick und die Vorzüge ihrer Person, aber sie bewirken keinen ausschließlich auf ihrer Leistung beruhenden Arbeitserfolg.

Der BFH hat bei Berufs-Fotomodellen als besonderes Merkmal dafür, daß die Fotomodelle nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert werden, die Tatsache angesehen, daß sie dem Fotografen auch das Recht am eigenen Bild überlassen (BFH-Urteil VI 163/59 U vom 24. November 1961, BFH 74, 487, BStBl III 1962, 183). Die Fotomodelle dienen ebenso wie die Vorführdamen der geschäftlichen Werbung. Die mit ihrer Hilfe betriebene Werbung kann jedoch nur mittelbar, nämlich durch den Abdruck der Bilder betrieben werden. Deshalb ist die Überlassung des Rechts am eigenen Bild ein notwendiger Bestandteil ihrer Dienstleistung. Das würde dafür sprechen, in den Fällen, in denen die Werbung unmittelbar betrieben wird, die Art der Dienstleistung der der Berufs-Fotomodelle gleichzusetzen.

In der Rechtsprechung des FG besteht keine einheitliche Auffassung über die steuerliche Behandlung der Honorare der Vorführdamen. Während die Vorinstanz die Tätigkeit der Vorführdamen als eine selbständige Tätigkeit ansieht, hat das FG Berlin in dem Urteil III 37/65 vom 2. Juni 1967 (EFG 1968, 64) mit beachtlichen Gründen die Lohnsteuerpflicht der Vorführdamen bejaht.

Es ist der Vorinstanz zuzugeben, daß bei der steuerlichen Beurteilung von Dienstverhältnissen den ernsthaften Vereinbarungen, die die Beteiligten getroffen und durchgeführt haben, und der Auffassung, die sie von ihrer Rechtsstellung in dem Vertragsverhältnis haben, eine besondere Bedeutung beizumessen ist. Das schließt jedoch nicht aus, daß den Vereinbarungen, durch die die Beteiligten ein der Sache nach bestehendes Arbeitsverhältnis zu einer selbständigen Tätigkeit machen wollen, steuerlich nicht gefolgt wird (BFH-Urteil VI R 228/67 vom 22. März 1968, BFH 92, 99, BStBl II 1968, 455).

Es erscheint dem Senat zweifelhaft, ob bei den Vereinbarungen der Klägerin mit den Vorführdamen auch die steuerlichen Folgen für die Beteiligten in Betracht gezogen worden sind. Für die Berufs-Fotomodelle hat der BFH entschieden, daß sie gewerblich tätig sind (BFH-Urteil IV 62/65 vom 8. Juni 1967, BFH 89, 219, BStBl III 1967, 618). Eine Gleichstellung der Vorführdamen mit den Berufs-Fotomodellen würde deren Umsatz- und Gewerbesteuerpflicht auslösen. Im Streitfall hat die Klägerin noch bei der Frankfurter Messe des Jahres 1962 von den Honoraren der Vorführdamen die Lohnsteuer einbehalten. Die Beteiligten haben also die Tätigkeit der Vorführdamen als eine nichtselbständige Arbeit angesehen. Das FG hat nicht festgestellt, daß die Vereinbarungen, die sich auf die Tätigkeit der Vorführdamen während der Messe des Jahres 1963 bezogen, gegenüber den früheren geändert worden sind. Insbesondere fehlt eine Feststellung darüber, daß bezüglich der von der bisherigen Handhabung abweichenden steuerlichen Behandlung der Honorare ein Einverständnis zwischen den Beteiligten bestanden hat.

Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird durch Vernehmung der Vorführdamen als Zeugen oder durch ihre Beiladung zu klären haben, ob bei den Vereinbarungen für die Messe 1963 auch die steuerlichen Folgen in Betracht gezogen wurden, die durch die angeblich einverständliche steuerliche Behandlung der Honorare eintreten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68361

BStBl II 1969, 71

BFHE 1969, 17

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