Leitsatz (amtlich)

§ 11 Abs. 4 Satz 1, Halbsatz 1 des Bayerischen GrEStG 1969 gilt nicht für solche Fälle, in denen wiederkehrende nach § 12 BewG 1965 zu bewertende Zahlungen als solche Gegenleistung i. S. des GrEStG sind.

 

Normenkette

Bayerisches GrEStG 1969 § Abs. 4 S. 1, Hs. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 22. Dezember 1972 ein Grundstück. Nach dem Wortlaut der Nr. IV des Kaufvertrages in Verbindung mit der Messungsanerkennung vom 15. März 1974 "beträgt der Kaufpreis" für den Grund und Boden 58 144 DM, für die mitverkauften Gebäulichkeiten 292 080 DM und für ein gleichzeitig eingeräumtes Vorkaufsrecht 5 000 DM = 355 224 DM. Weiter heißt es, der gesamte Kaufpreis werde gestundet und in der Weise "erbracht", daß der Käufer dem Verkäufer eine "Rente" zahle, und zwar am 1. April, 1. Juli, 1. Oktober und 1. Januar jeden Jahres in der Zeit vom 1. April 1973 bis 1. Januar 1982 vierteljährlich 12 500 DM

in der Zeit vom 1. April 1982 bis 1. Januar 1985 vierteljährlich 7 500 DM

und in der Zeit vom 1. April 1985 bis 1. Januar 1991 vierte/jährlich 5 000 DM.

Außerdem sollten drei einmalige Zahlungen geleistet werden, und zwar am 31. Januar 1973 40 000 DM, am 1. Oktober 1974 15 000 DM und am 1. April 1991 2 560 DM.

Ein Mehrbetrag von 224 DM, welcher sich durch die Messungsanerkennung vom 15. März 1974 ergeben hatte, war bei Beurkundung der Messungsanerkennung und Auflassung fällig.

Die genannten Beträge sollten bis zur Fälligkeit unverzinslich sein.

Die vorhandenen Grundstücksbelastungen wurden von der Klägerin nur dinglich übernommen. Die gesicherten Verbindlichkeiten verblieben dagegen bei dem Verkäufer als Schuldner: Dieser trat seine Zahlungsansprüche gegen die Klägerin an eine Bank ab. Um u. a. zwischen den Vertragspartnern zu regeln, "welcher Betrag verkäuferseits aus den vierteljährlichen Rentenbeträgen zur Tilgung der verkäuferseits am Vertragsgrundbesitz weiterhin eingetragenen Belastungen verwendet werden muß", wurde ein "Tilgungsplan" aufgestellt und dem notariell beurkundeten Kaufvertrag als Anlage beigefügt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte durch Steuerbescheid vom 5. März 1973 50 579,20 DM Grunderwerbsteuer fest. In der Einspruchsentscheidung ermäßigte das FA diese Steuer auf 49 894,85 DM. Als Gegenleistung in Höhe von 712 784,00 DM legte es die Summe der"Rentenzahlungen" abzüglich des Entgeltes für die nicht steuerbare Einräumung des Vorkaufsrechtes (5 000 DM) zugrunde. Die"Rentenzahlungen"sah es als Tilgungsraten an, die gemäß § 11 Abs. 4 des Bayerischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1969 mit dem Nennbetrag anzusetzen seien.

Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) in X durch Urteil vom 23. Februar 1978 IV 12/77 die Steuer auf 35 991,20 DM herab. Es berechnete die Gegenleistung (514 160 DM) nach dem abgezinsten Wert der "Rentenzahlungen" (anhand der Hilfstabelle 2, Anlage 2a zu Vermögensteuer-Richtlinien - VStR - 1972) und der einmalig zu leistenden Zahlungen von 40 000 DM, 15 000 DM und 2 650 DM (anhand der Ergänzungstabelle zur Hilfstabelle 1 zu § 12 des Bewertungsgesetzes BewG). Das ergab im einzelnen folgende Zahlen:

1. April 1973 - 1. Januar 1991

(18 Jahre): 5 000 DM x 45, 925 = 229 625 DM

1. April 1973 - 1. Januar 1985

(12 Jahre):

zuzüglich 2 500 DM x 35,195 = 87 987 DM

1. April 1973 - 1. Januar 1982

(9 Jahre):

zuzüglich 5 000 DM x 28,390 = 41 950 DM

459 562 DM

22. Dezember 1972 -31. Januar 1973

(1 Monat):

40 000 DM x 99,566 : 100 = 39 826 DM

22. Dezember 1972 - 15. März 1974

(1 Jahr 3 Monate):

224 DM x 93,551 : 100 = 209 DM

22. Dezember 1972 - 1. Oktober 1974

(1 Jahr 10 Monate):

15 000 DM x 90,669 : 100 = 13 600 DM

22. Dezember 1972 - 1. April 1991

(18 Jahre 3 Monate):

2 560 DM x 37,650 : 100 = 963 DM

514 160 DM

Grunderwerbsteuer

(§ 13 Abs. 1 GrEStG) 15 424,80 DM

Zuschlag 20 566,40 DM

35 991,20 DM

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, die Steuer nach dem Kaufpreis von 350 224 DM zu berechnen, wie er in dem notariellen Kaufvertrag genannt sei.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Im Revisisonsverfahren haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO.).

1. Das FG hat den Kaufvertrag vom 22. Dezember 1972 dahin ausgelegt, daß die Vertragspartner als Kaufpreis i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1969 nicht den Betrag von 355 224 DM, sondern die einzelnen von der Klägerin zu leistenden Zahlungen in Form von Ratenzahlungen vereinbart haben. Es ist außerdem der Ansicht, daß die einzelnen Zahlungen Zinsanteile enthalten; daher greife das Abzinsungsverbot des § 11 Abs. 4 Satz 1, Halbsatz 1 GrEStG 1969 nicht ein, weil diese Vorschrift unverzinsliche Schulden voraussetze.

Das Urteil läßt insoweit keine Rechtsverletzung erkennen. Allerdings schließt sich der Senat, was die Anwendung des § 11 Abs. 4 Satz 1, Halbsatz 1 GrEStG 1969 anbetrifft, dem FG nur im Ergebnis an. Die Ratenzahlungen können nach Ansicht des Senats im Gegensatz zum FG nicht als unverzinslich im Sinne der genannten Vorschrift angesehen werden mit der Begründung, bei ihrer Berechnung seien Zinsen berücksichtigt worden. "Verzinslich" ist eine Schuld nur dann, wenn die Zinsen in Form von selbständigen Nebenschulden entstehen (vgl. die §§ 246 und 288 BGB). Die Ansicht des FG würde nach Auffassung des Senats auch dazu führen, daß die (verzinslichen) Ratenzahlungen gemäß § 12 Abs. 1 BewG 1965 mit dem Nennwert angesetzt werden müßten, was das FG im Gegensatz zum FA gerade nicht getan hat.

Der Senat ist jedoch der Ansicht, daß § 11 Abs. 4 Satz 1, Halbsatz 1 GrEStG 1969 hier aus anderen Gründen nicht eingreift. Die Vorschrift betrifft nur diejenigen Fälle, in denen ein ziffernmäßig bestimmter Kaufpreis vereinbart und dieser ganz oder teilweise gestundet wird; dagegen greift sie dann nicht ein, wenn - wie im vorliegenden Fall - die wiederkehrenden Zahlungen nicht Zahlungsmodalitäten des ziffernmäßig bestimmten Kaufpreises, sondern selbst der vereinbarte Kaufpreis i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1969 sind. Diese einschränkende Auslegung ergibt sich einmal aus der Begründung zu dem Entwurf des Bayerischen Grunderwerbsteueränderungsgesetzes vom 24. Juni 1969, durch welches § 11 Abs. 4 GrEStG 1969 eingeführt wurde. Danach war das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. September 1959 II 55/58 U (BFHE 70, 537, BStBl III 1960, 200) Anlaß der Gesetzesänderung, die als vereinfachende Regelung gedacht war (Bayerischer Landtag, 6. Periode, Beilage 1458, S. 14 zu Nr. 6b). In dem genannten Urteil hatte sich der BFH auch in solchen Fällen für die Abzinsung entschieden, in denen ein ziffernmäßig bestimmter Kaufpreis vereinbart und zinslos gestundet wurde. Das ging über die bisherige Rechtsprechung hinaus, wonach die Abzinsung zugelassen wurde, wenn von vornherein wiederkehrende Zahlungen als Kaufpreis vereinbart worden waren (Urteil vom 8. Oktober 1952 II 205/51 U, BFHE 56, 770, BStBl III 1952, 295). Nur die Auswirkungen des Urteils in BFHE 70, 537 sollten demnach durch die Gesetzesänderung beseitigt werden. Das Urteil in BFHE 56, 770 blieb unangetastet, eben weil in seinem Fall die wiederkehrenden Zahlungen selbst der vereinbarte Kaufpreis waren; hier hätte eine gesetzliche Änderung einen schwerwiegenden Eingriff in den Begriff der Gegenleistung nach § 11 GrEStG bedeutet, der nach der Begründung zu dem Gesetzentwurf nicht beabsichtigt war.

Die vorgenannte einschränkende Auslegung des § 11 Abs. 4 GrEStG 1969 läßt sich auch aus dem Gesetzestext herauslesen. Nach Satz 1, Halbsatz 2 bleiben die §§ 13 und 14 BewG 1965 unberührt. Haben demnach die Beteiligten eines Grundstückskaufvertrages von vornherein wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen als Kaufpreis vereinbart, so müssen Zwischenzinsen abgezogen werden. Zwar sind Kaufpreisraten begrifflich keine Nutzungen und Leistungen i. S. der genannten Vorschriften; ihre Bewertung richtet sich nach § 12 BewG 1965 (Rössler/Troll/Langner, Kommentar zum Bewertungs- und Vermögensteuergesetz, 12. Aufl. 1980, § 13 Anm. 2; BFH Urteil vom 25. Juni 1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431). Diese Bewertung läuft jedoch im Ergebnis auf das gleiche hinaus wie in den Fällen der §§ 13 und 14 BewG 1965, weil es sich hier wie dort um wiederkehrende Zahlungen handelt (Rössler/Troll/Langner, a. a. O. , § 12 Anm. 9 S. 158). Deshalb können auch der Einfachheit halber Kaufpreisraten nach § 13 BewG 1965 bewertet werden (BFHE 56, 770 und 70, 537). Der Senat hält es daher auch nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 4 GrEStG 1969 nicht für zulässig, von vornherein vereinbarte Kaufpreisraten anders zu behandeln als wiederkehrende Nutzungen und Leistungen im Sinne der §§ 13 und 14 BewG 1965.

Auch die Klägerin folgt der Auslegung des Kaufvertrages durch das FG, sieht also den vereinbarten Kaufpreis in den wiederkehrenden Zahlungen selbst. Sie meint aber, bei der Bewertung der einzelnen Leistungen habe das FG dieselben Maßstäbe anwenden müssen wie die Beteiligten des Kaufvertrages. Es habe daher zu keinem höheren Wert kommen dürfen als dem im Kaufvertrag genannten Betrag (355 224 DM ./. 5 000 DM für das Vorkaufsrecht = 350 224 DM). Dieser Einwand ist jedoch unbegründet. § 12 Abs. 3 BewG 1965, nach welchem sich die Bewertung im vorliegenden Fall richtet, schreibt ebenso wie § 13 Abs. 1 BewG 1965 vor, daß von einem Zwischenzins von 5,5 v. H. auszugehen sei. Diese Bemessungsgrundlage ist zwingend, auch wenn die Beteiligten des Kaufvertrages von einem anderen Zinssatz ausgegangen sind (vgl. dazu schon das Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 9. März 1944 III 39/43, RStBl 1944, 180 zu § 14 Abs. 3 BewG 1934).

Ebenso ist es entgegen der Ansicht der Klägerin unerheblich, ob und ggf. auf welche Weise die einmalige Zahlung von 40 000 DM zum 31. Januar 1973 in dem Tilgungsplan (Anlage des Kaufvertrages) berücksichtigt wurde. Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es nicht darauf an, von welchem Zwischenzins die Beteiligten des Kaufvertrages bei dessen Abschluß ausgegangen sind; dementsprechend ist es grunderwerbsteuerrechtlich ohne Bedeutung, ob sich dieser Zinssatz durch Änderungen des Tilgungsplanes erhöht oder ermäßigt. Auch ansonsten hat der Einwand der Klägerin auf die Berechnungen des FG keinen Einfluß. Das FG hat die Gegenleistung im Sinne des § 11 GrEStG 1969 nicht anhand des Tilgungsplanes, sondern mittels der Zahlungen nach Nr. IV des Kaufvertrages bewertet. Die Klägerin hat nicht geltend gemacht, daß die Angaben an der genannten Stelle des Kaufvertrages fehlerhaft seien.

2. Den Entscheidungsgründen des FG-Urteils ist jedoch nicht zu entnehmen, ob und ggf. auf welche Weise das FG berücksichtigt hat, daß die Bestellung des Vorkaufrechtes nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Der Senat kann daher mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden und verweist die Sache an das FG zurück.

Es ist nicht klar, weshalb die 50 000 M für das Vorkaufsrecht nicht mehr erwähnt werden, nachdem das FG vorher ausdrücklich ausgeführt hat, die Einräumung des Vorkaufsrechtes unterliege nicht der Grunderwerbsteuer.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413676

BStBl II 1981, 685

BFHE 1981, 462

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