Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften: Vermietung einer Arztpraxis durch einen Apotheker zu einer verbilligten Miete, Zwang zur Rückstellungsbildung aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz, "Schwebendes Geschäft", Imparitätsprinzip, "Drohender" Verlust, Kompensation von Leistung und Vorteilen aus der Gegenleistung, Höhe der Rückstellung, Saldierung von Aufwendungen und Vorteilen - Bilanzierung von schwebenden Geschäften - kein aktivierbares Wirtschaftsgut durch die verbilligte und zweckgebundene Vermietung einer Arztpraxis durch einen Apotheker an einen Arzt

 

Leitsatz (amtlich)

Der Vorteil, der sich für den Betrieb einer Apotheke aus der Weitervermietung von angemieteten Praxisräumen an einen Arzt ergibt, steht grundsätzlich der Bildung einer Rückstellung wegen drohender Verluste aus den Mietverhältnissen entgegen.

 

Orientierungssatz

1. Nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz haben Gewerbetreibende, die verpflichtet sind, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen, bei der Bilanzierung die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung zu beachten. Verlustrückstellungen sind deshalb auch in der Steuerbilanz anzusetzen.

2. Drohverlustrückstellung: Schwebende Geschäfte sind gegenseitige auf Leistungsaustausch gerichtete Verträge i.S. der §§ 320 ff. BGB, die hinsichtlich der vereinbarten Sach- oder Dienstleistungspflicht --abgesehen von unwesentlichen Nebenpflichten-- noch nicht voll erfüllt sind. Wann eine vertragliche Verpflichtung erfüllt und der Schwebezustand beendet ist, bestimmt sich bei Dauerschuldverhältnissen nicht entscheidend nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sondern nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Sachleistung.

3. Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Ein Bilanzausweis ist nur geboten, wenn und soweit das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist oder aus diesem Geschäft ein Verlust droht. Diese Bilanzierungsgrundsätze gelten nicht nur für gegenseitige Verträge, die auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtet sind, sondern auch für Dauerschuldverhältnisse.

4. Die Pflicht zur Verlustrückstellung ergibt sich aus dem bilanzrechtlichen Imparitätsprinzip. Durch die Rückstellung dürfen jedoch nur objektiv zu erwartende ("drohende") Verluste antizipiert werden; die bloße Möglichkeit, daß das eingeleitete Geschäft mit einem Verlust abgeschlossen wird, reicht hierfür nicht aus. Ein Verlust "droht", wenn konkrete Anzeichen dafür vorliegen, daß der Wert der eigenen Verpflichtungen aus dem Geschäft den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung übersteigt (sog. Verpflichtungs- oder Aufwendungsüberschuß). Entscheidend hierfür sind die objektiven Wertverhältnisse am Bilanzstichtag.

5. Höhe einer Drohverlustrückstellung: Bei Dauerschuldverhältnissen, die ein Absatzgeschäft zum Gegenstand haben, ist zur Ermittlung des Verpflichtungsüberschusses der Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung mit dem Geldwert der Aufwendungen zu vergleichen, die zur Bewirkung der Leistung erforderlich sind. Ist ein Mietvertrag auf der Beschaffungsseite abgeschlossen worden, ist der Wert des Sachleistungsanspruchs nach dem Beitrag zu bewerten, den die Mietsache zum Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens leistet. Im Regelfall ist eine Bewertung dieses Beitrags nicht möglich, weil die Auswirkungen der einzelnen Produktionsfaktoren auf das Betriebsergebnis nicht hinreichend objektivierbar sind. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn das Geschäft sich als Fehlmaßnahme erweist, weil der Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Unternehmers für den Betrieb keinen Wert mehr hat.

6. Gegenstand der Verlustrückstellung ist nicht eine einzelne Verpflichtung aus dem schwebenden Vertrag, sondern der voraussichtliche negative Saldo (der "Verlust") aus diesem Geschäft. § 152 Abs. 7 AktG a.F. (jetzt § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) enthält insoweit eine Ausnahme von dem Saldierungsverbot des § 152 Abs. 8 AktG a.F. (jetzt § 246 Abs. 2 HGB).

7. Zum Kompensationsbereich der Verlustrückstellung gehören die wechselseitigen Leistungen, zu denen sich die Vertragsparteien verpflichten, um die Gegenleistung des anderen Vertragspartners zu erhalten. Ob eine Leistung als Entgelt (Gegenleistung) zu beurteilen und bei der Saldierung von Aufwendungen und Erträgen aus dem schwebenden Geschäft zu berücksichtigen ist, bestimmt sich im Bilanzrecht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Dabei sind nicht nur die final miteinander verknüpften Hauptleistungspflichten aus dem gegenseitigen Vertrag, also die Leistungen im Rahmen des schuldrechtlichen Synallagmas, zu berücksichtigen, sondern auch alle Nebenleistungen und sonstigen wirtschaftlichen Vorteile, die nach dem Inhalt des Vertrages oder nach den Vorstellungen beider Vertragspartner (subjektive Geschäftsgrundlage) eine Gegenleistung für die vereinbarte Sachleistung darstellen (wirtschaftliches Synallagma).

8. Vernünftige kaufmännische Beurteilung gebietet es, einen schwebenden Vertrag nicht nur in seinen negativen Aspekten zu erfassen, sondern auch die wirtschaftlichen Vorteile aus dem Vertrag zu berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn das "verlustbringende" Geschäft nur abgeschlossen wird, um sich dadurch bestimmte greifbare wirtschaftliche Vorteile zu sichern.

9. Drohverlustrückstellung aufgrund verbilligter Vermietung: Bei Mietverträgen, bei denen die angemieteten Räume ausdrücklich oder stillschweigend zu einem bestimmten Zweck vermietet werden, gehört die Beachtung dieser Gebrauchsabrede im allgemeinen zu den Nebenpflichten des Mieters. Liegt die vereinbarte Miete im Hinblick auf diese Nebenverpflichtung deutlich unter der ortsüblichen Miete für vergleichbare Räume, wird die Nutzung der Mietsache für den vereinbarten Zweck im Regelfall zugleich als (subjektive) Geschäftsgrundlage des Vertrages anzusehen sein. Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn dem Vermieter ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht, falls der Mieter die Räume nicht vertragsgemäß nutzt.

10. Ergibt sich bei einem Dauerschuldverhältnis ein bestimmter wirtschaftlicher Erfolg (hier: Aussicht auf höhere Umsätze und Gewinne aus einem erweiterten Kundenkreis) aus einer Gegenleistung (hier: zweckgebundene Verwendung des Gegenstands des Dauerschuldverhältnisses), so ist er in den Kompensationsbereich der Verlustrückstellung unabhängig davon einzubeziehen, ob er zu einem aktivierbaren Wirtschaftsgut führt oder nicht.

11. Ein Apotheker, der eine Wohnung anmietet, umbaut und an einen Arzt zur Verwendung als Praxis untervermietet, erwirbt mit dem Abschluß des Untermietvertrags kein zu aktivierendes immaterielles Wirtschaftsgut "Forderung auf den Betrieb einer Arztpraxis".

 

Normenkette

AktG § 152 Abs. 7-8, § 156 Abs. 4; EStG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1-2, § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3, Nr. 3; HGB § 246 Abs. 2, § 249 Abs. 1 S. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 4, § 253 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

BFH (Vorlegungsbeschluss vom 26.05.1993; Aktenzeichen X R 72/90)

 

Tatbestand

A. Anrufungsbeschluß des X. Senats

I. Vorgelegte Rechtsfrage

Der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Beschluß vom 26. Mai 1993 X R 72/90 (BFHE 171, 455, BStBl II 1993, 855) dem Großen Senat folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Steht der Standortvorteil, der sich für den Betrieb einer Apotheke aus der Vermietung von Praxisräumen an einen Arzt in benachbarter Lage ergibt, der Bildung einer Rückstellung wegen drohender Verluste aus dem Mietverhältnis entgegen oder mindert dieser Vorteil die Rückstellung?

II. Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Apotheker; er ermittelt seinen Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Kläger betreibt seine Apotheke auf dem ihm gehörenden Grundstück K-Straße 23 in A.

Gegenüber dem Apothekengrundstück befindet sich das mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaute Grundstück K-Straße 18, das dem K gehört. Mit Vertrag vom 26. Juni 1981 mietete der Kläger von K die im zweiten Obergeschoß des Hauses K-Straße 18 gelegenen Büro- und Wohnräume (Größe 200 qm). Der Mietzins beträgt monatlich 10 DM/qm, also 2 000 DM. Es besteht eine Wertsicherungsklausel. In § 1 des Mietvertrages heißt es, der Kläger wolle die Räume in erster Linie an einen Arzt untervermieten und zwar zuerst an Dr. K. Das Mietverhältnis kann erstmals zum 30. September 2003 gekündigt werden und verlängert sich bei Ausbleiben der Kündigung um jeweils drei Jahre. Dem Kläger steht ein außerordentliches Kündigungsrecht zu, falls es zur Aufgabe der in den gemieteten Räumen betriebenen Arztpraxis kommt.

Mit Untermietvertrag vom 26. Juni 1981 vermietete der Kläger die von K angemieteten Räume an Dr. K "zum Zweck des Betriebs einer Arztpraxis". Das Mietverhältnis läuft "fest" bis zum 30. September 2003 und verlängert sich bei Ausbleiben einer Kündigung um jeweils drei Jahre. Der Kläger kann den Vertrag vorzeitig kündigen, falls Dr. K die Mieträume nicht für Zwecke einer Arztpraxis nutzen sollte. Der Mietzins beträgt monatlich 5 DM/qm, also 1 000 DM. Es wurde eine Wertsicherungsklausel vereinbart. Der Kläger verpflichtete sich, die Mieträume für Zwecke des Dr. K herzurichten.

Dr. K übte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seine Praxis in gemieteten Räumen des Hauses B-Straße 5 in A aus. Dieses Gebäude war ca. 60 m von der Apotheke des Klägers entfernt. Der Kläger hatte sich im Untermietvertrag verpflichtet, Dr. K den Mietzins von 1 000 DM für die Praxisräume in der B-Straße "bis zum Beginn des Untermietvertrages" zu erstatten. Außerdem erklärte sich der Kläger bereit, dem Vermieter des Dr. K im Hause B-Straße solange einen Zuschuß von monatlich 150 DM zu zahlen, bis Dr. K umgezogen war.

Dr. K bezog die Praxisräume in der K-Straße 18 am 1. April 1983. Der Kläger wandte im Frühjahr 1983 20 125 DM für den Umbau der Praxisräume auf.

In der Bilanz auf den 31. Dezember 1981 bildete der Kläger eine Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften in Höhe von 293 250 DM, die er wie folgt errechnete:

Verlust aus dem Untermietvertrag

1. April 1983 bis 30 September 2003

(246 Monate x 1 000 DM) 246 000 DM

Mietzinserstattung an Dr. K

1. Januar 1982 bis 31. März 1983

(15 Monate x 1 000 DM) 15 000 DM

Umbaukosten (geschätzt) 30 000 DM

Zuschuß an Vermieter des

Hauses B-Straße 5

1. Januar 1982 bis 31. März 1983

(15 Monate x 150 DM) 2 250 DM

Summe 293 250 DM

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat nach einer Außenprüfung die Auffassung, die Rückstellung sei nicht gerechtfertigt, und erließ für 1981 vorbehaltlose Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide, die die Rückstellung nicht mehr berücksichtigten. Die Einsprüche blieben erfolglos.

Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG)

führte in den Urteilsgründen aus, eine Rückstellung wegen

drohender Verluste sei nicht zu passivieren, weil sich

Leistung und Gegenleistung aus dem Untermietverhältnis

ausgewogen gegenüberstünden. Dr. K habe sich im

Untermietvertrag verpflichtet, in den Praxisräumen eine

Arztpraxis zu betreiben. Für den Erwerb dieser "Forderung"

gegen Dr. K habe der Kläger insgesamt 283 375 DM aufgewendet.

Der Kläger hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt, mit der er geltend macht, Dr. K sei nicht zum Betrieb einer Arztpraxis verpflichtet. Der erwartete Vorteil aus einer Verbesserung der Ertragslage der Apotheke durch die Patienten des Dr. K sei bei der Bewertung der Rückstellung nicht einzubeziehen, weil sich diese künftigen Betriebseinnahmen nicht unmittelbar der Untervermietung zurechnen ließen.

Der X. Senat will das Urteil des FG aufheben und dem Kläger die begehrte Verlustrückstellung dem Grunde nach zugestehen. Er stützt die Vorlage an den Großen Senat auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage (§ 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

III. Begründung der Vorlage

Der X. Senat hat die Vorlage wie folgt begründet:

Der Kläger habe bei einem gewöhnlichen Verlauf der Dinge damit rechnen können, daß der Betrieb der Arztpraxis in unmittelbarer Nähe der Apotheke sein Geschäft fördern werde. Der Abschluß der Mietverträge sei deshalb betrieblich veranlaßt.

Aus der Anmietung und Weitervermietung der Praxisräume ergebe sich, wenn man den Standortvorteil außer Betracht lasse, ein Verpflichtungsüberschuß, der eine Rückstellung wegen drohender Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 152 Abs. 7 des Aktiengesetzes --AktG-- 1965, § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs --HGB--) rechtfertige. Der Verpflichtungsüberschuß errechne sich aus der Gegenüberstellung der Ansprüche des Klägers auf den Mietzins des Dr. K und des Werts der Verpflichtung des Klägers zur Überlassung und Erhaltung der Praxisräume. Der Wert der Sachleistungsverpflichtung des Klägers sei mit dem Geldwert aller Aufwendungen (Vollkosten) zu bewerten, die zu ihrer Bewirkung erforderlich seien (BFH-Urteil vom 19. Juli 1983 VIII R 160/79, BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56).

Der wirtschaftliche Vorteil, den der Kläger aus dem Untermietverhältnis erwarten könne ("Standortvorteil"), sei nicht geeignet, den drohenden Verlust aus diesem Vertragsverhältnis zu kompensieren.

Der Kläger habe aufgrund des Untermietvertrages keine bilanzrechtliche eigenständige Forderung auf den Betrieb einer Arztpraxis erworben. Selbst wenn man davon ausgehe, daß Dr. K vertraglich verpflichtet sei, die vermieteten Räume als Arztpraxis zu nutzen, sei die Stellung des Klägers gegenüber Dr. K nicht in einem solchen Ausmaß verstärkt, daß ein besonderes immaterielles Wirtschaftsgut in Erscheinung trete.

Einer Kompensation mit den Verpflichtungen des Klägers aus diesem Vertrag stehe das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip entgegen, denn die zu erwartenden Vorteile seien ungewiß, während der Verlust aus den Mietverhältnissen bereits jetzt feststehe.

Teilwertüberlegungen rechtfertigten es nicht, von der Bildung einer Rückstellung abzusehen. Zwar sei es möglich, daß ein gedachter Erwerber der Apotheke den Standortvorteil in dem Gesamtkaufpreis für die Apotheke vergüten würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Ein solcher Mehrpreis werde jedoch als Gegenleistung für den Geschäftswert gezahlt, der nach § 5 Abs. 2 EStG nicht aktiviert werden dürfe. Für die vom Kläger aufgewendeten Kosten könne nichts anderes gelten als für die Aufwendungen eines Kaufmanns für eine Werbemaßnahme, die ebenfalls nicht aktiviert werden dürften.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vorlagebeschlusses in BFHE 171, 455, BStBl II 1993, 855 Bezug genommen.

IV. Stellungnahme der Beteiligten

1. Der Kläger teilt die Auffassung des vorlegenden Senats. Für den zu erwartenden Verpflichtungsüberschuß aus den Mietverhältnissen sei eine Verlustrückstellung zulässig und geboten.

2. Nach Ansicht des FA ist bei der Prüfung, ob ein Verpflichtungsüberschuß besteht, der Vorteil aus der Nähe der Arztpraxis zu berücksichtigen. Dabei sei zu beachten, daß der Hauptzweck der vom Kläger abgeschlossenen Mietverträge gerade in der Erschließung dieses Vorteils zu sehen sei. Auch wenn sich der Vorteil nicht zu einem besonderen immateriellen Wirtschaftsgut "Forderung auf den Betrieb einer Arztpraxis" verfestigt habe, sei er bei der Beurteilung der Ausgeglichenheit des schwebenden Mietvertrags einzubeziehen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung zähle die mit Vertragsabschluß erworbene Chance auf eine Umsatzsicherung oder -steigerung der Apotheke zur Gegenleistung des Mieters.

3. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Es hat zum Vorlagebeschluß folgendes ausgeführt:

Eine Verlustrückstellung dürfe im Streitfall nicht gebildet werden, weil es an einem Verpflichtungsüberschuß aus dem schwebenden Geschäft fehle. Bei einem Dauerschuldverhältnis könne auch eine Gesamtbewertung von Leistung und Gegenleistung dazu führen, daß das schwebende Geschäft bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als ausgeglichen zu beurteilen sei. Ein Erfüllungsrückstand sei zweifellos zu verneinen, wenn sich die Pflicht, die vermieteten Räume zum Betrieb einer Arztpraxis zu nutzen, zu einem immateriellen Wirtschaftsgut "Forderung auf Betrieb einer Arztpraxis" verdichtet habe. Aber auch wenn man mit dem vorlegenden Senat im Streitfall eine solche "Forderung" verneine, werde man den Besonderheiten schwebender Verträge und der für diese geltenden Vermutung der Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung nicht gerecht, wenn man nur Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Vorteile anerkenne. Soweit aus der Sicht eines vernünftigen Kaufmanns damit zu rechnen sei, daß dieser "ein Geschäft" mache, müsse dieser Umstand bei der Bewertung der Gegenleistung beachtet werden. Im Streitfall sei die Chance einer Umsatzsteigerung oder -sicherung wirtschaftlich der Gegenleistung des Mieters zuzurechnen.

 

Entscheidungsgründe

B. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegte Rechtsfrage

Der Große Senat ist der Ansicht, daß der Vorteil, der sich für den Betrieb einer Apotheke aus der Weitervermietung von angemieteten Praxisräumen an einen Arzt ergibt, grundsätzlich der Bildung einer Rückstellung wegen drohender Verluste aus den Mietverhältnissen entgegensteht.

I. Rechtsgrundlagen und Bilanzierungsgrundsätze der Verlustrückstellung

1. Unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmer Rückstellungen zu bilden hat, ergab sich für das Streitjahr 1981 aus § 152 Abs. 7 AktG 1965 (AktG a.F.; jetzt: § 249 Abs. 1 HGB), der einen für alle Kaufleute verbindlichen Grundsatz ordnungsgemäßer Bilanzierung (GoB) wiedergab (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91, BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600; vom 13. November 1991 I R 78/89, BFHE 166, 95, BStBl II 1992, 177; vom 3. Dezember 1991 VIII R 88/87, BFHE 167, 322, BStBl II 1993, 89). Danach mußten Rückstellungen insbesondere für ungewisse Verbindlichkeiten und drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gebildet werden; insoweit bestand entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht zur Passivierung (BFH-Urteil in BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600, m.w.N.).

Nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG haben Gewerbetreibende, die --wie der Kläger des Vorlagefalls-- verpflichtet sind, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen, bei der Bilanzierung die GoB zu beachten. Verlustrückstellungen sind deshalb auch in der Steuerbilanz anzusetzen (BFH-Urteile vom 18. Januar 1995 I R 44/94, BFHE 177, 61, BStBl II 1995, 742, m.w.N.; in BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56).

2. Schwebende Geschäfte i.S. des § 152 Abs. 7 AktG a.F. sind gegenseitige auf Leistungsaustausch gerichtete Verträge i.S. der §§ 320 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BFH-Urteile vom 25. Januar 1984 I R 7/80, BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344, und in BFHE 166, 95, BStBl II 1992, 177), die hinsichtlich der vereinbarten Sach- oder Dienstleistungspflicht --abgesehen von unwesentlichen Nebenpflichten-- noch nicht voll erfüllt sind (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 167, 322, BStBl II 1993, 89; vom 3. Februar 1993 I R 37/91, BFHE 170, 247, BStBl II 1993, 441, m.w.N.). Wann eine vertragliche Verpflichtung in diesem Sinne erfüllt und der Schwebezustand beendet ist, bestimmt sich bei Dauerschuldverhältnissen nicht entscheidend nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sondern nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Sachleistung (vgl. BFH-Urteile vom 20. Mai 1992 X R 49/89, BFHE 168, 182, BStBl II 1992, 904; vom 6. April 1993 VIII R 86/91, BFHE 171, 221, BStBl II 1993, 709).

3. Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, weil während des Schwebezustands die (widerlegbare) Vermutung besteht, daß sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen (st. Rspr., vgl. z.B. Urteile des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 7. Mai 1920 I A 302/19, RFHE 3, 22, und vom 25. März 1925 VI A 67-69/25, RStBl 1925, 166; BFH-Urteile vom 26. August 1992 I R 24/91, BFHE 169, 163, BStBl II 1992, 977; vom 25. Januar 1984 I R 7/80, BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344; vom 26. Juni 1980 IV R 35/74, BFHE 130, 533, BStBl II 1980, 506; vom 7. September 1954 I 50/54 U, BFHE 59, 311, BStBl III 1954, 330). Ein Bilanzausweis ist nur geboten, wenn und soweit das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist oder aus diesem Geschäft ein Verlust droht (BFH-Urteile vom 25. Oktober 1994 VIII R 65/91, BFHE 176, 359, BStBl II 1995, 312; vom 15. April 1993 IV R 75/91, BFHE 171, 434; vom 4. Juni 1991 X R 136/87, BFHE 165, 349, BStBl II 1992, 70 und in BFHE 167, 322, BStBl II 1993, 89, m.w.N.).

Diese Bilanzierungsgrundsätze gelten nicht nur für gegenseitige Verträge, die auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtet sind, sondern auch für Dauerschuldverhältnisse (st. Rspr., vgl. z.B. Urteile in BFHE 176, 359, BStBl II 1995, 312, m.w.N.; in BFHE 170, 247, BStBl II 1993, 441; vom 11. Februar 1988 IV R 191/85, BFHE 153, 23, BStBl II 1988, 661; vom 25. Februar 1986 VIII R 377/83, BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465, m.w.N.).

4. Die Pflicht zur Verlustrückstellung ergibt sich aus dem bilanzrechtlichen Imparitätsprinzip (vgl. jetzt § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Das Imparitätsprinzip zielt darauf ab, im Interesse der Kapitalerhaltung und des Gläubigerschutzes künftige Rechnungsperioden von vorhersehbaren Risiken und Verlusten freizuhalten, die am Bilanzstichtag zwar noch nicht realisiert, aber (z.B. durch den Abschluß nachteiliger Verträge) bereits verursacht sind. Die als Verlust ermittelten Beträge sollen mit Hilfe der Rückstellung von der Gewinnverteilung ausgenommen und für einen späteren Bedarf bereitgehalten werden.

Durch die Rückstellung dürfen jedoch nur objektiv zu erwartende ("drohende") Verluste antizipiert werden; die bloße Möglichkeit, daß das eingeleitete Geschäft mit einem Verlust abgeschlossen wird, reicht hierfür nicht aus (BFH-Urteile vom 16. November 1982 VIII R 95/81, BFHE 137, 427, BStBl II 1983, 361; vom 5. November 1957 I 163/56 U, BFHE 66, 57, BStBl III 1958, 24). Ein Verlust "droht", wenn konkrete Anzeichen dafür vorliegen, daß der Wert der eigenen Verpflichtungen aus dem Geschäft den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung übersteigt (sog. Verpflichtungs- oder Aufwendungsüberschuß; BFH-Urteil in BFHE 170, 247, BStBl II 1993, 441, m.w.N.; ähnlich bereits RFH-Urteil vom 4. November 1925 VI A 491/25, RFHE 17, 332). Entscheidend hierfür sind die objektiven Wertverhältnisse am Bilanzstichtag (BFH-Urteil vom 8. März 1995 II R 10/92, BFHE 177, 132, m.w.N.).

Bei Dauerschuldverhältnissen, die ein Absatzgeschäft zum Gegenstand haben (z.B. die entgeltliche Überlassung von Räumen zur Nutzung), ist zur Ermittlung des Verpflichtungsüberschusses der Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung (Mietzins) mit dem Geldwert der Aufwendungen zu vergleichen, die zur Bewirkung der Leistung erforderlich sind (Urteil in BFHE 139, 244, BStBl II 1984, 56). Ist ein Mietvertrag auf der Beschaffungsseite abgeschlossen worden, ist der Wert des Sachleistungsanspruchs nach dem Beitrag zu bewerten, den die Mietsache zum Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens leistet (vgl. Urteile in BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465; vom 16. Dezember 1987 I R 68/87, BFHE 152, 250, BStBl II 1988, 338). Im Regelfall ist eine Bewertung dieses Beitrags nicht möglich, weil die Auswirkungen der einzelnen Produktionsfaktoren auf das Betriebsergebnis nicht hinreichend objektivierbar sind (BFHE 152, 250, 254, BStBl II 1988, 338). Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn das Geschäft sich als Fehlmaßnahme erweist, weil der Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Unternehmers für den Betrieb keinen Wert mehr hat (Urteil in BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465).

Werden --wie im Vorlagefall-- die vom Betriebsinhaber angemieteten Räume an einen Dritten weitervermietet, treffen Beschaffungs- und Absatzgeschäft zusammen. Der Senat kann offen lassen, ob in einem solchen Fall der Verpflichtungsüberschuß nach den für Beschaffungsgeschäfte oder den für Absatzgeschäfte geltenden Grundsätzen zu ermitteln ist. Denn im Vorlagefall ergibt sich ein Verpflichtungsüberschuß aus den Mietverhältnissen auch dann nicht, wenn die für Absatzgeschäfte geltenden Grundsätze angewendet werden.

II. Zum Kompensationsbereich der Verlustrückstellung

1. Gegenstand der Verlustrückstellung ist nicht eine einzelne Verpflichtung aus dem schwebenden Vertrag, sondern das voraussichtliche negative Ergebnis (der "Verlust") aus diesem Geschäft. Da die Rückstellung einen "Verpflichtungsüberschuß" (Saldo) aus dem gegenseitigen Vertrag abbilden soll, müssen Aufwendungen und Erträge, die sich aus den wechselseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten ergeben, notwendig miteinander saldiert werden. § 152 Abs. 7 AktG a.F. (jetzt § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) enthält insoweit eine Ausnahme von dem Verbot des § 152 Abs. 8 AktG a.F. (jetzt § 246 Abs. 2 HGB), Forderungen und Verbindlichkeiten miteinander zu verrechnen.

2. Zum Kompensationsbereich der Verlustrückstellung gehören in jedem Fall die wechselseitigen Leistungen, zu denen sich die Vertragsparteien verpflichten, um die Gegenleistung des anderen Vertragspartners zu erhalten (BFH-Urteile vom 7. Juni 1988 VIII R 296/82, BFHE 153, 407, BStBl II 1988, 886; in BFHE 130, 533, BStBl II 1980, 506; vom 14. Januar 1958 I 185/57 U, BFHE 66, 190, BStBl III 1958, 75). Ob eine Leistung als Entgelt (Gegenleistung) zu beurteilen und bei der Saldierung von Aufwendungen und Erträgen aus dem schwebenden Geschäft zu berücksichtigen ist, bestimmt sich im Bilanzrecht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. In die Prüfung, ob sich Aufwendungen und Erträge ausgeglichen gegenüberstehen, sind deshalb nicht nur die final miteinander verknüpften Hauptleistungspflichten aus dem gegenseitigen Vertrag, also die Leistungen im Rahmen des schuldrechtlichen Synallagmas (vgl. dazu Esser/Schmidt, Schuldrecht I, 1995, § 12 III 2), einzubeziehen, sondern auch alle Nebenleistungen und sonstigen wirtschaftlichen Vorteile, die nach dem Inhalt des Vertrages oder nach den Vorstellungen beider Vertragspartner (subjektive Geschäftsgrundlage) eine Gegenleistung für die vereinbarte Sachleistung darstellen (wirtschaftliches Synallagma; vgl. BFH-Urteile in BFHE 153, 407, BStBl II 1988, 886; vom 9. Juli 1981 IV R 35/78, BFHE 133, 543, BStBl II 1981, 734; in BFHE 130, 533, BStBl II 1980, 506; vom 23. April 1975 I R 236/72, BFHE 116, 16, BStBl II 1975, 875; vom 26. Februar 1975 I R 72/73, BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13; vom 18. Juli 1961 I 322/60 U, BFHE 73, 382, BStBl III 1961, 405; in BFHE 66, 190, BStBl III 1958, 75). Denn einer finanziellen Vorsorge für künftige Gewinnermittlungszeiträume durch Passivierung einer Rückstellung bedarf es nicht, wenn ein "Verlust", der sich bei isolierter Betrachtung nur der vertraglichen Hauptleistungen ergibt, durch wirtschaftliche Vorteile aus dem Geschäft in seiner Gesamtheit kompensiert wird. Dem entspricht es, daß gemäß § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB Rückstellungen nur in Höhe des Betrages anzusetzen sind, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Vernünftige kaufmännische Beurteilung gebietet es, einen schwebenden Vertrag nicht nur in seinen negativen Aspekten zu erfassen, sondern auch die wirtschaftlichen Vorteile aus dem Vertrag zu berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn das "verlustbringende" Geschäft nur abgeschlossen wird, um sich dadurch --wie im Vorlagefall-- bestimmte greifbare wirtschaftliche Vorteile zu sichern.

Von diesen Grundsätzen ist die Rechtsprechung schon bisher ausgegangen. So hat der BFH eine Gegenleistung für die unverzinsliche oder niedrig verzinsliche Hingabe eines Darlehens in der Verpflichtung des Darlehensnehmers zum laufenden Bezug von Waren (Urteile vom 9. Juli 1969 I R 38/66, BFHE 96, 559, BStBl II 1969, 744; vom 17. März 1959 I 207/58 U, BFHE 69, 153, BStBl III 1959, 320; in BFHE 115, 243, BStBl II 1976, 13) oder in der Einräumung anderer (einmaliger oder wiederkehrender) geldwerter Vorteile (Urteile in BFHE 133, 543, BStBl II 1981, 734; in BFHE 73, 382, BStBl III 1961, 405) gesehen.

Bei Mietverträgen, bei denen --wie im Vorlagefall-- die überlassenen Räume ausdrücklich oder stillschweigend zu einem bestimmten Zweck vermietet werden, gehört die Beachtung dieser Gebrauchsabrede im allgemeinen zu den Nebenpflichten des Mieters. Liegt die vereinbarte Miete im Hinblick auf diese Nebenverpflichtung deutlich unter der ortsüblichen Miete für vergleichbare Räume, wird die Nutzung der Mietsache für den vereinbarten Zweck im Regelfall zugleich als (subjektive) Geschäftsgrundlage des Vertrages anzusehen sein. Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn dem Vermieter, wie im Vorlagefall, ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht, falls der Mieter die Räume nicht vertragsgemäß nutzt.

3. Ergibt sich ein bestimmter wirtschaftlicher Erfolg (hier: Aussicht auf höhere Umsätze und Gewinne aus einem erweiterten Kundenkreis) aus einer Gegenleistung (hier: Nutzung der Räume als Arztpraxis), so ist er in den Kompensationsbereich der Verlustrückstellung unabhängig davon einzubeziehen, ob er zu einem aktivierbaren Wirtschaftsgut führt oder nicht. Denn die Vermögenslage des Kaufmanns zu einem bestimmten Bilanzstichtag wird nicht davon beeinflußt, ob die Gegenleistung zur Aktivierung eines Wirtschaftsguts führt (BFH-Urteile vom 3. Februar 1993 I R 37/91, BFHE 170, 247, BStBl II 1993, 441; in BFHE 133, 543, BStBl II 1981, 734; in BFHE 130, 165, BStBl II 1980, 297).

Im Vorlagefall geht der Große Senat in Übereinstimmung mit dem vorlegenden Senat und dem BMF davon aus, daß der Kläger mit dem Abschluß des Untermietvertrags kein zu aktivierendes immaterielles Wirtschaftsgut "Forderung auf den Betrieb einer Arztpraxis" erworben hat. Der X. Senat weist zutreffend darauf hin, daß durch die bloße Vermietung von Räumen zu einem bestimmten Zweck grundsätzlich keine Gebrauchspflicht im Sinne einer primären Leistungspflicht des Mieters begründet wird (vgl. auch Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., 346). Selbst wenn eine solche Gebrauchspflicht angenommen werden könnte, wäre die Stellung des Klägers gegenüber dem Arzt nicht in einem solchen Ausmaß verstärkt, daß ein selbständiges Wirtschaftsgut in Erscheinung träte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Erfüllung einer solchen Pflicht wegen ihres höchstpersönlichen Charakters nicht im Vollstreckungsweg durchgesetzt werden könnte (§ 888 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung).

Der wirtschaftliche Vorteil, der sich für den Kläger aus der langfristigen Vermietung der Praxisräume ergibt, ist jedoch nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen als Folge der Gegenleistung des Arztes für die Überlassung der Mieträume zu betrachten. Er ist deshalb in den Kompensationsbereich der Verlustrückstellung einzubeziehen. Für alle Leistungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung erbracht werden, um die Gegenleistung des anderen Vertragspartners zu erhalten, gilt die Vermutung der Gleichwertigkeit (vgl. oben B.I.3.). Gründe, die im Vorlagefall eine Widerlegung der Gleichwertigkeitsvermutung für die Ansprüche und Verbindlichkeiten aus den Mietverhältnissen rechtfertigen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen.

4. Auch der Teilwertgedanke (§ 6 Abs. 1 Satz 3 EStG) spricht im Vorlagefall gegen die Annahme eines Verpflichtungsüberschusses aus den Mietverhältnissen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 146, 146, BStBl II 1986, 465; in BFHE 140, 449, BStBl II 1984, 344; vgl. ferner BFH-Urteile vom 30. November 1988 I R 114/84, BFHE 155, 337, BStBl II 1990, 117 und vom 24. Januar 1990 I R 157/85, I R 145/86, BFHE 159, 494, BStBl II 1990, 639 zum Teilwert unverzinslicher Darlehen an Arbeitnehmer). Ein gedachter Erwerber des Unternehmens würde wegen der langfristigen Mietverträge, die bei isolierter Betrachtung der vereinbarten Mietzinsen zu laufenden Verlusten führen, keinen Wertabschlag vom Kaufpreis vornehmen. Der Erwerber würde berücksichtigen, daß nach der Lebenserfahrung der Betrieb einer Arztpraxis in unmittelbarer Nähe der Apotheke geeignet ist, deren Umsätze zu fördern oder zu sichern. Diesen wirtschaftlichen Vorteil würde er bei der Bemessung des Kaufpreises bedenken. Einen Wertabschlag wird er nur dann in Erwägung ziehen, wenn besondere Anhaltspunkte vorliegen, die den Abschluß der Mietverträge als geschäftliche Fehlmaßnahme erscheinen lassen.

III. Entscheidung der Rechtsfrage

Der Große Senat entscheidet die vorgelegte Rechtsfrage wie folgt:

Der Vorteil, der sich für den Betrieb einer Apotheke aus der Weitervermietung von angemieteten Praxisräumen an einen Arzt ergibt, steht grundsätzlich der Bildung einer Rückstellung wegen drohender Verluste aus den Mietverhältnissen entgegen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66299

BFH/NV 1997, 476

BStBl II 1997, 735

BFHE 183, 199

BFHE 1998, 199

BB 1997, 1939-1941 (Leitsatz und Gründe)

DB 1997, 1897-1900 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1997, 1442-1445 (Leitsatz und Gründe)

DStRE 1997, 746 (Leitsatz)

DStZ 1997, 788-789 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1997, 898-900 (Leitsatz und Gründe)

StE 1997, 574 (Leitsatz)

StRK, Rückst. R.79 (Leitsatz und Gründe)

FR 1997, 678-682 (Leitsatz und Gründe)

Information StW 1997, 637-638 (Leitsatz und Gründe)

LEXinform-Nr. 0144166

NJW 1998, 704 (Leitsatz)

SteuerBriefe 1997, 22

GStB 1997, Beilage zu Nr 10 (Leitsatz)

NWB, Fach 17 1541-1543 (48/1997) (Gründe)

BFH/NV BFH/R 1997, 476-479 (Leitsatz und Gründe)

BBK 1997, 901

BBK 1997, 937

BBK, Fach 17 3017-3019 (18/1997) (Leitsatz und Gründe)

WiB 1997, 1248-1250 (Leitsatz und Gründe)

EWiR 1997, 1035 (Leitsatz)

StEW 1997, 145-147 (Leitsatz und Gründe)

SteuerStud 1997, 559-561 (Leitsatz und Gründe)

NWB-DokSt 1998, 211

StSem 1998

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