Zusammenfassung

Gesellschafter können auf Grund der Treuepflicht dazu verpflichtet sein, Kapitalmaßnahmen zur Überwindung einer Krise zuzustimmen. Das gilt auch, wenn der Gesellschafter hierdurch einem Nachhaftungsrisiko ausgesetzt wird.

Hintergrund

In einer in der Krise befindlichen Publikumspersonengesellschaft (bspw. Fonds in Form einer GmbH & Co. KG) wird oftmals beschlossen, (1.) das Kapital der Gesellschaft nominell herabzusetzen (sprich das Nominalkapital dem tatsächlichen Eigenkapital anzupassen) und (2.) anschließend gegen Bar- oder Sacheinlage zu erhöhen (sog. Kapitalschnitt). Hierdurch wird der Gesellschaft frisches Kapital zugeführt und die Gesellschaft finanziell saniert. Diejenigen Gesellschafter, die sich an einer solchen Maßnahme nicht beteiligen, sind nach dem Kapitalschnitt geringer als zuvor oder (bei Kapitalherabsetzung auf Null) gar nicht mehr an der Gesellschaft beteiligt.

Vorliegend war eine Kapitalherabsetzung auf nahezu Null geplant. Der klagende Kommanditist stimmte dieser nicht zu, wollte aber auch nicht aus der Gesellschaft ausscheiden. Er meinte, auf Grund des nach seinem Ausscheiden bestehenden Nachhaftungsrisikos für fünf Jahre nach §§ 161 Abs. 2, 160 Abs. 1 HGB sei ihm ein Ausscheiden nicht zuzumuten.

OLG Stuttgart, Urteil v. 11.7.2013, 19 U 11/13

Das OLG Stuttgart hielt dieses Argument nicht für überzeugend. Entscheidend sei allein, ob der Gesellschafter bei einer konkreten Gegenüberstellung der auf ihn entfallenden Beiträge besser stehe, wenn die Gesellschaft liquidiert wird. Sei dies nicht der Fall, müsse sich der Gesellschafter so behandeln lassen, als hätte er dem Sanierungsbeschluss zugestimmt.

Anmerkung

Das OLG Stuttgart setzt die viel beachtete BGH-Rechtsprechung im Urteil "Sanieren oder Ausscheiden" (BGH, Urteil v. 19.10.2009, II ZR 240/08) fort. Demnach können Gesellschafter zur Zustimmung zu einem Sanierungsbeschluss verpflichtet sein, durch den sie sich entweder an einer Kapitalerhöhung beteiligen oder aus der Gesellschaft ausscheiden. Diese Pflicht besteht nach dem BGH, wenn eine Gesellschaft zahlungsunfähig und überschuldet ist und die Gesellschafter im Fall des Ausscheidens nicht schlechter stehen als bei einer sofortigen Liquidation.

Diese Grundsätze wurden von der Rechtsprechung zwar bei Entscheidungen über Publikumsgesellschaften entwickelt. Allerdings wird in der Literatur durchaus vertreten, dass sie auch in anderen Gesellschaften anwendbar seien. Hierfür spricht in erster Linie der Aspekt der Treuepflicht, auf den die Rechtsprechung die Urteile stützt: Soweit die Gesellschaft nur durch einen Kapitalschnitt gerettet werden kann, muss die in jedem Fall folgende Verwässerung bis hin zum Ausscheiden vom Gesellschafter hingenommen werden. Schließlich riskieren die sanierungswilligen Gesellschafter frisches Kapital, so dass es unbillig ist, die Sanierungsunwilligen bei unveränderter Beteiligungsquote hiervon profitieren zu lassen.

 
Hinweis

Da diese Rechtsprechung in der Treuepflicht wurzelt, kommt es immer nur auf den konkreten Einzelfall an. Bestehen die Alternativen der Sanierung oder Liquidation, sind für die einzelnen Gesellschafter ihre Vor- und Nachteile im Falle der Alternativen zu berechnen. Wegen der Treue-pflicht müssen die Gesellschafter im Konfliktfall die für sie vorteilhaftere Variante wählen. Sofern die Gesellschafter sich bei der Sanierung beraten lassen, sollte frühzeitig geprüft werden, welche Alternativen den Beteiligten bleiben – bei längerem Abwarten verschlechtern sich diese in der Regel.

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