Leitsatz

Das für die Beschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse des klagenden Wohnungseigentümers, der erfolglos einen Beschluss über die Bestellung des Verwaltungsbeirats im Ganzen angefochten hat, ist in aller Regel auf 750 EUR zu schätzen.

 

Normenkette

WEG § 29; GKG § 49a; ZPO § 511 Abs. 2 Satz 2 Nummer 1

 

Das Problem

  1. Die Wohnungseigentümer bestellen durch Beschluss 3 Verwaltungsbeiräte. Wohnungseigentümer K geht gegen diesen Beschluss vor.
  2. Das Amtsgericht (AG) weist die Anfechtungsklage ab. Die Berufung des K verwirft das Landgericht (LG) als unzulässig. Es meint, der Wert des Beschwerdegegenstands übersteige nicht 600 EUR. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei das Interesse an der künftigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsbeirat regelmäßig mit 500 EUR zu veranschlagen. Darauf sei nicht nur bei der Entlastung, sondern auch bei der Neubestellung eines Verwaltungsbeirats abzustellen, sofern nicht besondere Umstände die Annahme eines höheren Interesses rechtfertigten.
  3. Mit der Rechtsbeschwerde will K erreichen, dass der Beschluss für ungültig erklärt wird. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

Die nach § 511 Abs. 2 Nummer 1 ZPO für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Beschwer von über 600 EUR sei erreicht.

  1. Das LG weise zutreffend darauf hin, dass sich das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse des klagenden Wohnungseigentümers, der erfolglos einen Beschluss über die Entlastung des Verwaltungsbeirats angefochten habe, nach dem regelmäßig mit 500 EUR anzusetzenden Wert bemesse, den die künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbeiräten habe, zuzüglich des klägerischen Anteils an etwaigen Ersatzansprüchen gegen die Verwaltungsbeiräte, auf die die Anfechtung des Entlastungsbeschlusses gestützt werde. Den Wert von 500 EUR für das Interesse an der künftigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsbeirat habe der Senat angesichts der unterstützenden Funktion des Beirats (§ 29 Abs. 2 WEG) und des im Vergleich zu dem Verwalter, bei dem das Interesse insoweit mit 1.000 EUR angesetzt werde (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 31.3.2011, V ZB 236/10, NJW-RR 2011 S. 1026 Rn. 10 ff.), geringeren Umfangs seiner Tätigkeit als angemessen angesehen (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 9.3.2017, V ZB 113/16, ZWE 2017 S. 332 Rn. 10 f.).
  2. Das Interesse an einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbeiräten sei indes der falsche Bezugspunkt. Mit der Entlastung der Verwaltungsbeiräte sei regelmäßig die Folge eines negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 2 BGB) der Wohnungseigentümer verbunden. Sie diene zudem dazu, die Grundlage für die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft zu legen (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 31.3.2011, V ZB 236/10, NJW-RR 2011 S. 1026 Rn. 10 und BGH, Beschluss v. 17.7.2003, V ZB 11/03, BGHZ 156 S. 19, 25 ff.). Daraus rechtfertige sich die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte bei der Ermittlung der Beschwer.
  3. Bestellungs- und Abberufungsbeschlüsse seien demgegenüber auf die unmittelbare Begründung bzw. Aufhebung wohnungseigentumsrechtlicher Befugnisse und Pflichten gerichtet (Hinweis auf BGH, Beschluss v. 20.6.2002, V ZB 39/01, BGHZ 151 S. 164, 171). Mit dem Bestellungsbeschluss der Wohnungseigentümer und der Bereitschaft des Bestellten zur Übernahme des Amtes (Hinweis auf BGH, Urteil v. 5.2.2010, V ZR 126/09, ZWE 2010 S. 215) werde die Rechtsstellung als Verwaltungsbeirat begründet. Den Bestellten träfen dann die Organpflichten und -rechte.
  4. Das wirtschaftliche Interesse des klagenden Wohnungseigentümers, der erfolglos einen Beschluss über die Bestellung der Verwaltungsbeiräte angefochten habe, sei danach in aller Regel auf 750 EUR zu schätzen. Es übersteige damit das Interesse an einer künftigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbeiräten um 50 % und trage mit der Anhebung des Betrags der Begründung der Organstellung des Verwaltungsbeirats Rechnung. Andererseits berücksichtige die Schätzung die lediglich unterstützende Funktion der Verwaltungsbeiräte (§ 29 Abs. 2 WEG).
  5. Dass es im Fall an einer "Mindestbestelldauer" gefehlt habe, rechtfertige es nicht, von einem geringeren Betrag auszugehen. Zwar weise das LG zutreffend darauf hin, dass dann jederzeit eine Abberufung und Neuwahl des Verwaltungsbeirats möglich sei. Sei aber eine bestimmte Amtszeit nicht vorgesehen, bleibe ein Verwaltungsbeirat auf unbestimmte Zeit im Amt.
  6. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspreche nach § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG dem 5-fachen Wert des Interesses des Klägers, mithin 3.750 EUR.
 

Kommentar

Anmerkung

§ 29 Abs. 2 WEG verlangt nicht, dass ein Verwaltungsbeirat auf den Verwalter im Sinne eines Wohnungseigentümers einwirkt, wenn der Verwalter seine Pflichten verletzt. Zwar heißt es bei BGH, Urteil v. 8.6.2018, V ZR 125/17, NJW 2018 S. 3305 Rn. 23 wie folgt:

 

Bleibt der Verwalter untätig oder setzt er die Beschlüsse unvollständig oder fehlerhaft um, kann der Beirat eingeschaltet we...

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