Leitsatz

Ist ein Urteil, das einen Beschluss ersetzt, rechtskräftig geworden, steht mit Wirkung für und gegen die Wohnungseigentümer und deren Sondernachfolger fest, dass der (ersetzte) Beschluss gültig ist; daher kann nicht mehr geltend gemacht werden, er sei nichtig, und zwar auch dann nicht, wenn die Beschlussersetzung Gegenstand eines Versäumnisurteils ist.

 

Normenkette

WEG § 21 Abs. 8

 

Das Problem

  1. Das Amtsgericht – WEG-Gericht – ordnet nach § 21 Abs. 8 WEG im Wege der Beschlussersetzung durch rechtskräftiges Versäumnisurteil Folgendes an:

    Die Wohnungseigentümer beschließen, im Haus 37 alle Kellertüren und die Kellerzwischenwände/Trennwände aus Holz durch Kellertüren und Zwischenwände aus einem anderen Material (z.B. Kunststoff/Metall o.Ä. in Leichtbauweise) zu ersetzen. Der Verwalter soll 3 Angebote von Fachfirmen einholen und den Auftrag an den kostengünstigsten Anbieter vergeben. Die Kosten tragen die Wohnungseigentümer entsprechend ihrer Miteigentumsanteile. Der Verwalter wird beauftragt, eine Sonderumlage in Höhe des Auftragswertes und entsprechend der jeweiligen Miteigentumsanteile von den Wohnungseigentümern zu erheben und den Auftrag erst nach vollständigen Gutschriften zu erteilen.

    Aufgrund dieses Urteils holt der Verwalter 3 Angebote ein. Das günstigste Angebot beläuft sich auf 5.136,99 EUR brutto. Unter Zugrundelegung des für Erhaltungsmaßnahmen vereinbarten Umlageschlüssels "Miteigentumsanteile" würden auf Wohnungseigentümer B Kosten in Höhe von 3.393,53 EUR entfallen. V fordert diesen Betrag ohne weiteren Beschluss erfolglos von B ein.

  2. Die Wohnungseigentümer ermächtigen daraufhin nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WEG den V, den Betrag namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K unter Beauftragung eines Rechtsanwaltes gerichtlich geltend zu machen. Das Amtsgericht verurteilt B entsprechend. Dagegen führt B Berufung. Das Landgericht sieht keine Rechtsgrundlage für die Erhebung der Sonderumlage. Aus dem Tenor des Versäumnisurteils könne K den Anspruch nicht herleiten. Mangels Bestimmtheit sei zumindest der auf die Erhebung der Sonderumlage bezogene Teil des (ersetzten) Beschlusses nichtig. Er enthalte zwar den Umlageschlüssel, aber nicht den Gesamtbetrag der Sonderumlage. Damit seien die geschuldeten Einzelbeträge nicht eindeutig bestimmbar. Der Beschluss sei auch nicht lediglich anfechtbar, weil der einzelne Wohnungseigentümer nach Rechtskraft des Urteils keine Möglichkeit mehr hätte, etwa (wie im vorliegenden Fall) die Korrektheit der Auswahl des günstigsten Angebots durch den Verwalter zu rügen oder (ebenfalls wie im vorliegenden Fall) Einwendungen gegen das ausgewählte Angebot als solches dem Grunde oder der Höhe nach geltend zu machen. Die Rechtskraft des Versäumnisurteils stehe dem nicht entgegen. Jedenfalls bei einer Beschlussersetzung durch Versäumnisurteil sei § 48 Abs. 4 WEG nicht analog anzuwenden mit der Folge, dass Nichtigkeitsgründe weiterhin beachtet werden müssten. Dies ergebe sich aus der Überlegung, dass lediglich eine Schlüssigkeitsprüfung durchzuführen sei und eine intensive und langwierige Auseinandersetzung des Gerichts mit Gründen, die gegen die beantragte Beschlussersetzung sprächen, im Säumnisverfahren nicht stattfinde.
  3. Dagegen wendet sich K mit der Revision.
 

Die Entscheidung

Die Revision des K hat Erfolg!

Auslegung des Tenors des Versäumnisurteils

  1. Es halte der (uneingeschränkten) Nachprüfung stand, dass das Landgericht dem Tenor des Versäumnisurteils einen Beschluss über die Erhebung einer betragsmäßig noch zu bestimmenden Sonderumlage entnommen habe; ohne einen solchen Beschluss hätte der Zahlungsanspruch von vornherein einer Grundlage entbehrt. Der Inhalt eines gemäß § 21 Abs. 8 WEG gerichtlich ersetzten Beschlusses hätte schon wegen der in § 10 Abs. 4 Satz 1 WEG angeordneten Bindung von Sondernachfolgern durch objektive und nächstliegende Auslegung des Urteilstenors zu ermitteln.
  2. Zwar gehe aus dem Tenor nicht ausdrücklich hervor, dass die Erhebung einer Sonderumlage beschlossen worden sei. Dies ergebe sich aber "zweifelsfrei" daraus, dass der Verwalter nach Einholung von 3 Angeboten den Auftrag an den günstigsten Anbieter vergeben und die nach dem Auftragswert berechnete Sonderumlage dem Verteilungsschlüssel entsprechend erheben sollte. Bei nächstliegendem Verständnis sollte eine (spätere) Beschlussfassung über die Erhebung einer Sonderumlage (und gegebenenfalls ein weiteres Beschlussersetzungsverfahren) gerade vermieden werden, indem dem Verwalter Vorgaben gemacht worden waren, anhand derer er den Gesamtbetrag der bereits beschlossenen Sonderumlage verbindlich bestimmen und die nach dem Umlageschlüssel ermittelten Anteile einfordern sollte (Hinweis auf andere Ansicht Elzer, ZWE 2017, S. 376). Davon zu trennen sei die Frage nach der Bestimmtheit eines solchen beschlussersetzenden Urteilstenors.

Keine Nichtigkeit des Beschlusses

Der durch das Versäumnisurteil ersetzte Beschluss sei nicht nichtig.

  1. Zweifelhaft sei bereits die Prämisse des Landgerichts, wonach ein Beschluss üb...

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