"Schwebende" Beschlussgültigkeit

Ein Beschluss ist so lange gültig, bis er rechtskräftig für ungültig erklärt wird. Abzustellen ist dabei nicht auf den Zeitpunkt einer erstinstanzlichen Entscheidung, sondern auf die unanfechtbare Entscheidung des mit der Berufung befassten Landgerichts oder des mit der Revision befassten Bundesgerichtshofs.[1]

Erst das Urteil, wonach der Beschluss für ungültig erklärt wird, führt zu dessen Ungültigkeit. Daraus folgt, dass auch fehlerhafte oder rechtswidrige Beschlüsse mangels Anfechtung in Bestandskraft erwachsen und so den Verwalter, die Wohnungseigentümer sowie deren Rechtsnachfolger binden. Diese Wirkung entfalten nichtige Beschlüsse nicht. Ist ein Beschluss nichtig, entfaltet er von vornherein keine Rechtswirkungen, weshalb auch das Urteil, das die Nichtigkeit feststellt, lediglich deklaratorischen Charakter hat und nicht einen konstitutiven, wie es bei der Anfechtungsklagen der Fall ist. Etwas anderes gilt für noch laufende Altverfahren dann, wenn die Voraussetzungen des § 48 Abs. 4 WEG a. F. vorliegen. Nach dieser für Neuverfahren nicht mehr geltenden Vorschrift können Beschlussnichtigkeitsgründe nicht mehr nachträglich geltend gemacht werden, wenn die Gültigkeit eines Beschlusses gerichtlich bestätigt wurde. Die Rechtskraft eines Urteils, durch das eine Anfechtungsklage als unbegründet abgewiesen wird, erstreckt sich demnach in Altverfahren auch auf Nichtigkeitsgründe. Somit ist der Beschluss also sowohl in Bezug auf Anfechtungsgründe als auch auf Nichtigkeitsgründe als rechtswirksam zu erachten.

Keine aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage

Die Beschlussanfechtungsklage hat also keine aufschiebende Wirkung.[2] Solange Beschlüsse nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden sind, sind sie gültig und begründen u. a. Zahlungspflichten der einzelnen Wohnungseigentümer etwa aus einem angefochtenen Beschluss über die Festsetzung von Hausgeldvorschüssen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG auf Grundlage des Wirtschaftsplans oder einem angefochtenen Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage.[3] Da die Beschlüsse etwa über die Erhebung von Sonderumlagen oder die Festsetzung von Vorschüssen auf Grundlage eines Wirtschaftsplans jedenfalls bis zu der Entscheidung über die Beschlussanfechtungsklage gültig sind, ist das Ergebnis eines solchen Verfahrens nicht vorgreiflich für das Verfahren über die Zahlungsklage. Für eine Aussetzung des Verfahrens über die Zahlungsklage besteht deshalb kein Anlass.[4]

Da die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, ist der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG verpflichtet, auch anfechtbare Beschlüsse durchzuführen. Ob dem Verwalter ein Vorwurf insoweit gemacht werden kann, dass er auch einen nichtigen Beschluss durchführt, wird unterschiedlich beurteilt. Überzeugend ist hier der Ansatz, eine Pflichtverletzung zumindest dann anzunehmen, wenn der Verwalter die Beschlussnichtigkeit in vorwerfbarer Weise zu verantworten hat.[5]

 

Entspricht ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung?

Ob im Übrigen ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, beurteilt sich im Rahmen der richterlichen Überprüfung nach den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung zugrunde liegenden Verhältnissen bzw. Erkenntnissen der Wohnungseigentümer. Maßgebend ist der Kenntnisstand, den ein besonnener Wohnungseigentümer unter Ausschöpfung aller zu diesem Zeitpunkt zugänglichen Erkenntnisquellen ermittelt haben kann.[6]

So kann also durchaus ein Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen haben, auch wenn sich die Verhältnisse nachträglich geändert haben und der Beschluss aus aktueller Sicht ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Auch kann ein Beschluss zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung widersprochen haben, obwohl sich im Nachhinein herausstellt, dass er nach aktuellen Erkenntnissen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte.

Einstweilige Verfügung gegen Schaffung vollendeter Tatsachen

Aufgrund der vorläufigen Gültigkeit des Beschlusses können auch vollendete Tatsachen geschaffen werden, wie z. B. bei der Genehmigung einer baulichen Veränderung und deren alsbaldiger Durchführung. In solchen Fällen hat der Anfechtende zwar die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 935 ff. ZPO auf Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Indes fehlt aber aufgrund der Tatsache, dass die Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung hat, in aller Regel der Verfügungsgrund. Stets ist nämlich zu beachten, dass nach Wertung des Gesetzgebers dem Vollziehungsinteresse ein grundsätzlich größeres Gewicht beigemessen wird als dem Aussetzungsinteresse. Konsequenz: Auch fehlerhafte Beschlüsse einer Eigentümerversammlung sind bis zu ihrer Ungültigerklärung durch ein Gericht grundsätzlich wirksam und demnach vollziehbar. Die Vollziehung eines Beschlusses kann daher nur dann im Wege einstweiliger Verfügung ausgesetzt werden, wenn im konkreten Einzelfall ausnahmsweise die Interessen der anfechtenden Wohnungseigentümer überwiegen. Das kann der Fall sein, wenn irreversib...

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