Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel können in der zweiten Instanz nur eingeschränkt vorgebracht werden, um das Verfahren zu beschleunigen.

Das Berufungsgericht hat das Vorbringen neuer Tatsachen nach § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 ZPO nur zu berücksichtigen, wenn

  • ein Gesichtspunkt erstinstanzlich erkennbar übersehen oder für unbeachtlich gehalten worden ist,
  • dieser infolge eines Verfahrensmangels in der ersten Instanz nicht geltend gemacht wurde oder
  • seine Geltendmachung nicht aufgrund einer Nachlässigkeit der Partei unterblieben ist.

Das gilt nicht für das arbeitsgerichtliche Berufungsverfahren. Für dieses enthält § 67 ArbG eine verdrängende Sonderregelung.

Ist Vorbringen bereits in der ersten Instanz wirksam ausgeschlossen, ist es auch in der Berufungsinstanz nicht zu berücksichtigen.[1] Nicht fristgemäß vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel sind im Berufungsverfahren nur eingeschränkt zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des LAG die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert oder die Partei die Verspätung ausreichend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund muss auf Verlangen des Gerichts glaubhaft gemacht werden.[2]

Soweit neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 67 Abs. 2 und 3 ArbGG zulässig sind, hat der Berufungskläger diese in der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeklagte in der Berufungsbeantwortung entsprechend vorzubringen.[3]

Neben § 67 ArbGG finden die § 532, § 533 ZPO Anwendung.

Macht ein Kläger neben dem bisherigen Anspruch hilfsweise einen auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützten Anspruch geltend, handelt es sich um eine nachträgliche Klagehäufung, die wie eine Klageänderung zu behandeln ist. Der so in den Rechtsstreit neu eingeführte prozessuale Anspruch stellt einen selbstständigen Angriff dar, der nicht der Bestimmung über die Zulassung verspäteter Angriffsmittel nach § 67 ArbGG unterliegt.[4]

18.1 Bereits erstinstanzlich ausgeschlossenes Vorbringen

Angriffs- und Verteidigungsmittel, die das Arbeitsgericht zu Recht ausgeschlossen hat, bleiben auch in der Berufungsinstanz ausgeschlossen.[1] Das ist auch dann der Fall, wenn ihre Berücksichtigung den Berufungsrechtsstreit nicht verzögern würde. Das ist verfassungsgemäß.[2] Dem LAG obliegt die Prüfung, ob das Arbeitsgericht das Vorbringen zu Recht ausgeschlossen hat.

Eine Entschuldigung für eine Fristversäumung in der ersten Instanz kann grundsätzlich in der zweiten Instanz nicht mehr nachgeholt werden. Auch ist es untersagt, eine pauschale und damit unbeachtliche in der ersten Instanz vorgebrachte Entschuldigung in der zweiten Instanz zu ergänzen. Eine Nachholung oder Ergänzung der Entschuldigung der Fristversäumung vor dem LAG ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn sie in der ersten Instanz von der Partei unverschuldet unterblieben ist.[3]

Zuzulassen ist Vortrag, der in der ersten Instanz ausgeschlossen war, wenn er in der Berufungsinstanz unstreitig wird, weil unstreitiges Vorbringen immer zu berücksichtigen ist.

Das LAG hat unter den Voraussetzungen von § 67 Abs. 4 ArbGG Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz zuzulassen, wenn das Arbeitsgericht den Vortrag zu Unrecht ausgeschlossen hat. Wenn das Arbeitsgericht Vortrag zugelassen hat, den es bei Beachtung der § 56 Abs. 2, § 61a Abs. 3 und 4 ArbGG hätte ausschließen müssen, ist das LAG an diese Berücksichtigung gebunden, denn die Verzögerung im erstinstanzlichen Verfahren kann in der zweiten Instanz nicht mehr korrigiert werden.

[2] BVerfG, Beschluss v. 30.1.1985, 1 BvR 99/84.
[3] BVerfG, Beschluss v. 14.4.1987, 1 BvR 162/84.

18.2 Unterbliebener Vortrag trotz Fristsetzung

Sind Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der ersten Instanz entgegen einer nach § 56 Abs. 1 Satz 2, § 61a Abs. 3, 4 ArbGG gesetzten Frist nicht vorgebracht worden, können sie nur unter den Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 ArbGG in der zweiten Instanz zugelassen werden. Das LAG hat die Wirksamkeit der Fristsetzung in der ersten Instanz zu prüfen.

Angriffs- und Verteidigungsmittel sind neu, wenn sie in der ersten Instanz nicht vorgetragen oder wieder fallen gelassen worden sind.[1] Zur Beurteilung, ob ein Vorbringen neu ist, ist auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils abzustellen. Neues Vorbringen kann auch in der Substantiierung eines vor dem Arbeitsgericht nur pauschal erfolgten Vortrags liegen. Neues Vorbringen kann aber auch ein neuer oder inhaltlich geänderter Beweisantritt sein.

Angriffs- und Verteidigungsmittel können nicht zurückgewiesen werden, wenn Parteivortrag in der ersten Instanz unberücksichtigt geblieben ist, weil er vom Arbeitsgericht als unschlüssig angesehen wurde oder weil er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurde.

Angriffs- und Verteidigungsmittel dürfen vom LAG nicht zurückgewiesen werden, wenn ihr Vortrag in der ersten Instanz unterblieben ist, ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreites nach der freien Überzeugung des LAG jedoch nicht verzögern würde oder aber durch die...

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