Bei der AU-Begutachtung während der Schwangerschaft ist die Abgrenzung zu den Beschäftigungsverboten für werdende und stillende Mütter nach dem MuSchG zu berücksichtigen. Es wird zwischen betrieblichen und ärztlichen Beschäftigungsverboten unterschieden. Betriebliche Beschäftigungsverbote sind gesetzlich definiert und lassen keinen Freiraum zu. Bei der Abgrenzung zur AU sind für den Medizinischen Dienst die ärztlichen Beschäftigungsverbote bedeutsam.

Hinsichtlich einer Abgrenzung der AU zum ärztlichen Beschäftigungsverbot bei bestehendem Arbeitsverhältnis ist zu beachten, dass ein Beschäftigungsverbot voraussetzt, dass Leben oder Gesundheit von Mutter und/oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. Voraussetzung ist somit nicht eine Krankheit im Sinne des SGB V, sondern eine Gefährdung von Mutter und/oder Kind infolge Arbeitsaufnahme (BAG-Urteil vom 13.02.2002, AZ.: 5 AZR 753/00). Für ein Beschäftigungsverbot sind der Gesundheitszustand und die konkrete Erwerbstätigkeit der schwangeren Arbeitnehmerin maßgebend.

Bei der AU verursacht eine Krankheit im Sinne des SGB V den regelwidrigen Zustand, z. B. Hyperemesis gravidarum oder auch eine Krankheit, die nicht mit der Schwangerschaft unmittelbar zusammenhängt.

Schwierig ist die Abgrenzung bei der Risikoschwangerschaft. Hier hat die Ärztin oder der Arzt zu prüfen und zu entscheiden, ob krankheitsbedingte AU vorliegt oder ohne eine aktuelle AU Leben oder Gesundheit von Mutter und/oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist. Die im Hinblick auf die Abgrenzung für die Begutachtung relevanten Gefährdungen ergeben sich aus

  • Krankheiten im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, z. B. Hyperemesis gravidarum. Hier gibt es fließende Übergänge. Zunächst wird die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt AU bescheinigen. Es handelt sich hierbei um eine Krankheit aufgrund von Schwangerschaft, also um Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne.
  • Liegt der Hinderungsgrund für die Wiederaufnahme der Beschäftigung jedoch nicht in einer aktuell manifesten Beeinträchtigung, sondern darin, dass bei der Ausübung der Tätigkeit abträgliche Folgen für den Schwangerschaftsverlauf oder das werdende Kind zu erwarten sind, – also einer Manifestation von Beeinträchtigungen lediglich vorgebeugt werden soll – so ist ein ärztliches Beschäftigungsverbot vorrangig vor der Bescheinigung von AU.

Zur sachgerechten Beurteilung sind fachärztliche Angaben zur Diagnose und Therapie, Schwangerschaftsalter und Schwangerschaftsrisiken erforderlich. Ggf. kann auch die Anforderung einer Kopie des Mutterpasses hilfreich sein.

Nach dem MuSchG besteht auch die Möglichkeit eines teilweisen Beschäftigungsverbotes, z. B. nur für bestimmte Tätigkeiten oder für Beschränkung der Arbeitszeit. In solchen Fällen ist AU nur für die nicht vom Beschäftigungsverbot betroffenen Tätigkeiten zu beurteilen.

Beschäftigungsverbote nach dem MuSchG und eine – ggf. auch auf der Schwangerschaft beruhende – krankheitsbedingte AU schließen sich gegenseitig aus. Von AU ist auszugehen, wenn den Schwangerschaftsbeschwerden Krankheitswert zukommt.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG-Urteil vom 22.02.2012, AZ.: B 11 AL 26/10 R) wird davon ausgegangen, dass ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG nicht unmittelbar auf arbeitslose Schwangere übertragen werden kann, da die Vorschrift darauf abstellt, dass eine Gefährdung bei Fortdauer der Beschäftigung besteht. Bei nicht erwerbstätigen Schwangeren ist eine fortdauernde Beschäftigung nicht gegeben. Daher ist für die Beurteilung der Verfügbarkeit nach § 138 Abs. 5 SGB III festzustellen, ob sich das ärztlicherseits bestätigte gesundheitliche Risikopotenzial nur auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit oder auf alle zumutbaren Beschäftigungen bezieht. Nur im letztgenannten Fall fehlt es bereits an einer Verfügbarkeit im Sinne des "Könnens" einer Beschäftigungsausübung und es ist vom Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen, wenn die arbeitslose Schwangere nicht mehr in der Lage ist, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende leichte Tätigkeit auszuüben.

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