Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit kann nach Auffassung der Gerichte auch nicht unbeachtet bleiben, dass der sich gestört fühlende Grundstücksbesitzer aus der Begrünung der benachbarten Grundstücke Vorteile zieht, weil nach heutiger Auffassung das konkrete Umfeld eines Hausgrundstücks dann als besonders wertvoll erachtet wird, wenn es unmittelbar an begrünte Grundstücke angrenzt. Ziehe aber der Grundstücksbesitzer Vorteile aus seiner begrünten Umgebung, müsse er auch gewisse damit verbundene Beeinträchtigungen hinnehmen.[1]

Hinzu kommt nach der Rechtsprechung, dass die Zuerkennung eines Geldausgleichs für herabfallendes Laub, Blüten und Samen eine Vielzahl von Ausgleichsansprüchen ähnlich beeinträchtigter Grundstücksnachbarn zur Folge hätte, was letztlich dazu führen könnte, dass viele Eigentümer sich genötigt sehen würden, Bäume auf ihren Grundstücken zu entfernen, um möglichen Ersatzansprüchen ihrer Nachbarn vorzubeugen. Eine solche Entwicklung wäre aber nicht mit dem allgemein gestiegenen Umweltbewusstsein zu vereinbaren.

Von einem verständigen Durchschnittsbenutzer des betroffenen Grundstücks, auf den allein im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB abzustellen sei, könne daher erwartet werden, dass er den Arbeitsaufwand für die Entfernung des von benachbarten Zweigen und Ästen herabfallenden Laubs und der durch den Lauf der Natur bedingten Blüten- und Samenteile hinnimmt, ohne für die geleistete Arbeit einen Ausgleich vom Nachbarn zu verlangen.

Nur in extremen Ausnahmefällen, bei denen es sich etwa um den erhöhten Laub- oder Nadelfall von kranken oder auf einem verwilderten Grundstück stehenden Bäumen handelt, könnte eine Klage gegen den Nachbarn unter Umständen Erfolg haben.[2]

Steht ein Baum unter Naturschutz oder ist er von einer Baumschutzsatzung bzw. Baumschutzverordnung erfasst, hat der Nachbar schon aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften keinen Beseitigungs- oder Entschädigungsanspruch wegen des vom Baum verursachten Laubfalls. Denn es kann nach der Rechtsprechung nicht angehen, dass einerseits der Eigentümer, auf dessen Grundstück der Baum wächst, durch naturschutzrechtliche Vorschriften an der Beseitigung der Beeinträchtigung gehindert wird, er andererseits aber gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu einer Entschädigungszahlung an den Nachbarn wegen des Laubfalls verpflichtet werden sollte.[3]

 
Achtung

Laub nicht "zurückschaufeln"!

Wenn Sie sich über fremdes Laub ärgern, dürfen Sie dies nicht auf das Grundstück des "Störers" zurückschaufeln. Diese Handlung wäre eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit nach dem Abfallgesetz, die zur Anzeige gebracht werden kann. Das Zurückschaufeln des Laubs auf das Nachbargrundstück wäre nämlich eine verbotswidrige Form der "Abfallbeseitigung außerhalb einer zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage".

[1] OLG Düsseldorf, Urteil v. 23.8.1995, 9 U 10/95.
[2] So OLG Nürnberg, Urteil v. 25.5.1971, 7 U 29/70, von welchem allerdings ein Entschädigungsanspruch aus rechtstatsächlichen Gründen abgelehnt wurde; LG Stuttgart, Urteil v. 16.7.1985, 27 O 310/85, NJW-RR 1985 S. 2340; OLG Frankfurt/M., Urteil v 14.7.1987, 14 U 124/86, NJW 1988 S. 2618.
[3] Vgl. LG Aschaffenburg, Urteil v. 7.8.1986, S 155/86, NJW 1987 S. 1271; LG Dortmund, Urteil v 9.4.1986, 1 S 599/84, NuR 1987 S. 143; OLG Düsseldorf, Urteil v. 20.4.1988, 9 U 228/87, NJW 1989 S. 1807.

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