Es gibt keine allgemein gültige Definition des Begriffs "Unkraut", weil keine Pflanzen existieren, die eo ipso Unkräuter sind und nach objektiven Kriterien diesem Begriff zugeordnet werden können. Die Bezeichnung einer Pflanze als Unkraut erfordert vielmehr stets eine subjektive Wertung. Unkraut ist demnach eine Pflanze, die der Betrachter an der Stelle, an der sie wächst, nicht haben will.[1]

Der Anflug von Unkrautsamen ist als eine Grundstücksbeeinträchtigung zu werten. Dies ergibt sich weniger aus der unmittelbaren Beeinträchtigung durch das Samenkorn selbst, als aus dem Umstand, dass der Grundstücksbesitzer, der die aufgehende Pflanze nicht will, diese beseitigen muss.[2]

Als Abwehr dagegen ist grundsätzlich an einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus den §§ 1004 BGB, 906 BGB (des Grundstückseigentümers) bzw. aus den §§ 862 Abs. 1 BGB, 906 BGB (des Grundstücksmieters oder -pächters) zu denken.

Im Allgemeinen verneinen die Gerichte aber einen nachbarrechtlichen Abwehranspruch in derartigen Fällen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt der Abwehranspruch des Grundeigentümers aus § 1004 BGB (Entsprechendes gilt für den Abwehranspruch des Grundbesitzers aus § 862 Abs. 1 BGB) voraus, dass der Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks, von dem die Beeinträchtigung ausgeht, als Störer im juristischen Sinn verantwortlich ist. Dazu reicht aber die bloße Stellung als Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks nicht aus. Die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks durch den Unkrautsamenflug muss vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgehen. Durch Naturereignisse ausgelöste Beeinträchtigungen sind ihm deshalb allenfalls dann als Störer zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn sie erst durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden sind und dadurch eine konkrete Gefahrenlage für das Nachbargrundstück geschaffen wurde.[3]

Die rechtlichen Hürden für die Abwehr von Unkrautsamen aus Nachbargrundstücken sind von der Rechtsprechung damit sehr hoch gesetzt. Nur ganz ausnahmsweise und in Extremfällen kann aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis eine Pflicht des Störers zum Tätigwerden folgen (etwa häufigeres Mähen des verunkrauteten Grundstücks) und ein nachbarrechtlicher Abwehranspruch bejaht werden.[4]

Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn in einer reinen Wohngegend mit sämtlich gärtnerisch gut gepflegten Grundstücken ein Grundstück über Jahre hinaus verwahrlost und der Grundstückseigentümer die Möglichkeit gehabt hätte, dem ohne großen Aufwand Einhalt zu gebieten.[5] Für eine Bausiedlung mit Hausgrundstücken von unterschiedlich fortgeschrittenem Bauzustand soll diese Ausnahmesituation allerdings nicht zutreffen.[6]

[1] So Schmid in NJW 1988, S. 29.
[2] So Schmid in NJW 1988, S. 29.
[3] Zur Rechtsprechung des BGH vgl. BGH, Urteil v. 23.4.1993, V ZR 250/92, NJW 1993 S. 1855 und BGH, Urteil v. 7.7.1995, V ZR 213/94, NJW 1995 S. 2633; im Übrigen vgl. LG Stuttgart, Urteil v. 27.11.1964, 4 S 264/63, MDR 1965 S. 990; AG Tecklenburg, Urteil v. 14.2.1979, 5 C 598/78, MDR 1981 S. 51; VG Düsseldorf, Beschluss v. 21.10.1982, 16 L 1403/82, AgrarR 1984 S. 135; OLG Schleswig, Urteil v. 12.1.1993, 3 U 205/91, NuR 1994 S. 103; OLG Düsseldorf, Urteil v. 29.6.1994, 9 U 53/94, NJW-RR 1995 S. 1231.
[4] Vgl. auch LG Berlin, Urteil v. 5.3.2009, 57 S 82/08.
[5] So OLG Karlsruhe, Beschluss v. 4.6.1971, 1 W 31/71, RdL 1971 S. 8.
[6] So AG Tecklenburg, Urteil v. 14.2.1979, 5 C 598/78, MDR 1981 S. 51.

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