Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnungseigentumssache: Bauliche Veränderung durch Planabweichung auf Wunsch eines künftigen Eigentümers

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Entscheidung vom 11.02.1998; Aktenzeichen 14 T 8773/96)

AG Nürnberg (Aktenzeichen 1 UR II 302/95)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin zu 2 wird der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. Februar 1998 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 20.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Den Antragstellern gehört die Wohnung Nr. in einer Wohnanlage, die aus drei Häusern mit insgesamt 24 Wohnungen besteht. Für die Antragsgegner wurde am 20.12.1989 eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch der Wohnung Nr. eingetragen.

Die Wohnanlage wurde von einer Bauherrengemeinschaft errichtet. Aufgrund des Teilungsvertrages vom 25.10.1989 wurden die Wohnungsgrundbücher am 7.12.1989 angelegt. Einer der Bauherren, die Firma I, wurde als Eigentümerin von 19 Wohnungen eingetragen. Sie veräußerte diese weiter, u.a. an die Beteiligten. Mit der Errichtung der Wohnanlage wurde im November 1989 begonnen. Sämtliche Wohnungen wurden im Jahr 1991 bezogen.

Die Wohnung Nr. befindet sich im obersten Stockwerk eines der Häuser; darüber liegt ein Flachdach. In dieses Flachdach sind im Bereich der Diele und des Bades der Wohnung Nr. jeweils eine Lichtkuppel eingebaut. Im Aufteilungsplan, auf den im Grundbuch Bezug genommen wird, sind diese Lichtkuppeln nicht vorgesehen. Die Antragstellerin zu 2 behauptet ferner, daß von der Küche zur Terrasse der Wohnung Nr. eine aufteilungsplanwidrige Tür eingefügt worden sei.

Die Antragsteller haben beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, die beiden Lichtkuppeln sowie die Terrassentür zu entfernen und die entstehenden Decken-/Wandöffnungen fachgerecht verschließen zu lassen. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 3.9.1996 den Antrag abgewiesen. Das Landgericht hat am 11.2.1998 die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 2 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre sofortige weitere Beschwerde.

II.

1. Das zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Dieses hat das Gesetz dadurch verletzt, daß es nicht alle Wohnungseigentümer am Verfahren beteiligt hat (§ 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 WEG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 550, 551 Nr. 5 ZPO). Einer der Fälle, in denen die Beteiligung aller Wohnungseigentümer nicht erforderlich ist (vgl. BayObLG NJW-RR 1990, 660 f.), liegt offensichtlich nicht vor. Die fehlende Beteiligung kann vom Rechtsbeschwerdegericht auch nicht nachgeholt werden (vgl. BGH FGPrax 1998, 15).

2. Das Landgericht wird auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden haben. Die in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen getroffene Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

III.

Für das weitere Verfahren wird bemerkt:

1. Das Landgericht hat einen aus § 22 WEG abzuleitenden, auf § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG gestützten Beseitigungsanspruch der Antragstellerin zu 2 verneint, weil eine Veränderung des Bauwerks fehle. Dies ist so nicht richtig. Eine bauliche Veränderung im Sinn des § 22 Abs. 1 WEG liegt zwar nicht vor, wenn der Bauträger von vornherein abweichend von den ursprünglichen Plänen das Gebäude errichtet; ein Wohnungseigentümer ist in diesem Fall auch dann nicht zur Beseitigung der geänderten Bauausführung verpflichtet, wenn er sie beim Kauf des Wohnungseigentums veranlaßt hat (BayObLG NJW-RR 1994, 276). Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 17.7.1997 hinsichtlich eines vergleichbaren Beseitigungsantrags bezüglich derselben Wohnanlage entschieden hat (WE 1998, 149/157), ist hier aber die Wohnanlage nicht von einem Bauträger errichtet worden, der bei der Vornahme baulicher Maßnahmen keinen Beschränkungen unterlag, solange er allein Eigentümer war, sondern von mehreren Bauherren, die schon zu Beginn der Bauarbeiten Wohnungseigentümer geworden waren.

2. Wenn der Einbau der Lichtkuppeln und der Terrassentür im Widerspruch zum Aufteilungsplan auf Veranlassung der Antragsgegner vorgenommen worden ist, wie die Antragstellerin zu 2 behauptet, dann haften die Antragsgegner als Handlungsstörer (vgl. BayObLG aaO). Ansonsten wird das Landgericht zu prüfen haben, ob die Antragsgegner als Zustandsstörer anzusehen sind (vgl. BayObLG WuM 1996, 491 f.) und ob gegen sie ein Beseitungs- oder Duldungsanspruch in Betracht kommt (vgl. BayObLG WE 1998, 149/151; KG FGPrax 1996, 136 f.).

3. Ein Anspruch nach § 1004 BGB, § 15 Abs. 3 WEG setzt ferner voraus, daß aufgrund der Baumaßnahmen eine Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer im Sinn von § 14 Nr. 1 WEG gegeben ist (vgl. BayObLG NJW-RR 1994, 276 f.; WE 1998, 149/151). Ob dies hier der Fall ist, wird zu ermitteln sein.

 

Unterschriften

Dr. T, D, Dr. D

 

Fundstellen

Ha...

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