Leitsatz (amtlich)

1. Die Bestandskraft eines Genehmigungsbeschlusses über die Jahresgesamt- und Einzelabrechnungen führt zur endgültigen Verbindlichkeit der Abrechnung. Dies gilt auch dann, wenn in einer Einzelabrechnung eine Schadensersatzforderung gegen einen Wohnungseigentümer eingestellt ist, die in der Jahresgesamtabrechnung keine Erwähnung findet und materiellem Recht widerspricht.

2. In absoluter Beschlussunzuständigkeit gefasste Eigentümerbeschlüsse sind nichtig. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, wenn die Wohnungseigentümer in die Jahresabrechnung eine Forderung gegen einen Wohnungseigentümer einstellen, die nach materiellem Recht nicht besteht.

3. Die Anfechtung der einzelnen Stimmabgabe wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung kann auch noch nach Ablauf der Monatsfrist des § 23 Abs. 4 S. 2 WEG erklärt werden.

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Beschluss vom 30.07.2004; Aktenzeichen 4 T 100/04)

AG Neu-Ulm (Aktenzeichen 2 UR II 9/03)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des LG Memmingen v. 30.7.2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 940 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Wohnungserbbaubrerechtigten einer Wohnungserbbaurechtsanlage.

Die Antragsteller machen aufgrund des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses v. 29.4.2002 über die Jahresgesamt- und Einzelabrechnung 2001 eine Restschuld i.H.v. 815,48 Euro gegen die Antragsgegnerin geltend. Außerdem verlangen sie von ihr eine ihnen von der Bank der Antragsgegnerin in Rechnung gestellte Rücklastschriftgebühr i.H.v. 3 Euro; nachdem nämlich die Verwalterin aufgrund der ihr erteilten Lastschrifteinzugsermächtigung die Restschuld der Antragsgegnerin aus der Jahresabrechnung 2001 von deren Konto abbuchen hatte lassen, widersprach die Antragsgegnerin der Abbuchung mit der Folge, dass unter Erhebung einer Gebühr von 3 Euro bei den Antragstellern der Abbuchungsbetrag der Antragsgegnerin wieder gutgeschrieben wurde. Schließlich machen die Antragsteller eine Mahngebühr i.H.v. 2,97 Euro geltend sowie eine Sondervergütung für die Verwalterin i.H.v. 118,62 Euro aufgrund des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses v. 9.3.1992; nach diesem Beschluss steht dem Verwalter bei Zahlungsrückständen einzelner Wohnungserbbauberechtigter im Beitreibungsfall ein Betrag von 200 DM als pauschale Abgeltung für den Mehraufwand zu.

Die Antragsgegnerin wendet gegen die geltend gemachten Forderungen ein, in der sie betreffenden Einzelabrechnung sei bei der Auflistung der von ihr erbrachten Wohngeldzahlungen zu Unrecht ein Betrag i.H.v. 1.600,80 DM in Abzug gebracht worden. Entgegen der Behauptung der Verwalterin habe sie nie Kenntnis davon erhalten, dass die Wohnungen der Anlage am 12.10.2001 wegen Kaminsanierungsarbeiten zugänglich sein müssten. Ein Verschulden daran, dass ihre Wohnung an diesem Tage nicht habe betreten werden können, treffe sie deshalb nicht. Den angeblichen Schaden der Isolier- und Kaminbaufirma wegen vergeblicher Anfahrt und Ausfallzeit i.H.v. 1.600,80 DM müsse deshalb allein die Verwalterin tragen. Den Wohnungserbbauberechtigten habe jedenfalls die Beschlusskompetenz gefehlt, eine entsprechende Schadensersatzforderung gegen die Antragsgegnerin zu begründen.

Die Antragsteller haben beantragt, die Antragsgegnerin zur Zahlung von 940,07 Euro nebst Zinsen zu verpflichten. Das AG hat mit Beschluss v. 15.12.2003 dem Antrag stattgegeben. Das LG hat am 30.7.2004 die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das LG hat ausgeführt:

Der Beschluss der Wohnungserbbauberechtigten, aus dem sich die Zahlungspflicht der Antragsgegnerin ergebe, sei bestandskräftig und damit verbindlich. Der Beschluss sei auch nicht nichtig; die Wohnungserbbauberechtigten hätten nämlich die Beschlusskompetenz darüber, ob und welche Forderung gegen einzelne Wohnungserbbauberechtigte bestehe. Der nicht angefochtene Beschluss der Erbbauberechtigten begründe einen selbständigen Anspruch; dies gelte auch dann, wenn nach materiellem Recht ein Anspruch nicht bestehe.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Der Zahlungsanspruch der Antragsteller für den Wohngeldrest 2001 ergibt sich aus § 16 Abs. 2 WEG i.V.m. § 23 Abs. 4 S. 1 WEG, da der Beschluss der Wohnungserbbauberechtigten v. 29.4.2002, der die Einzelabrechnung 2001 der Antragsgegnerin billigt, nicht für ungültig erklärt worden ist.

Einzelabrechnungen sind zwar aus der Gesamtjahresabrechnung dergestalt abzuleiten, dass der auf den einzelnen Wohnungseigentümer entfallende Anteil an den Gesamtausgaben festgestellt wird und diesem die von ihm geleisteten Wohngeldvorauszahlungen gegenübergestellt werden (BayObLG v. 23.5.1990 - BReg. 2 Z 44/90, NJW-RR 1990, 1107 f.). Hier...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge