Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschein

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Verfahrensfehler im Erbscheinserteilungsverfahren können nur in schwerwiegenden Fällen die Einziehung eines Erbscheins begründen.

2. Ein Nießbrauchsvermächtnis am Nachlassgrundstück ist somit keine erbrechtliche Beschränkung im Sinn von § 2363 Abs. 1, § 2364 Abs. 1 BGB; er kann daher nicht in den Erbschein aufgenommen werden.

 

Normenkette

BGB § 2361 Abs. 1 S. 1, § 2364 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 10.07.1995; Aktenzeichen 6 T 6009/94)

AG Miesbach (Aktenzeichen VI 24/58)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 10. Juli 1995 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 50 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Erblasser starb im Alter von 86 Jahren. Seine Ehefrau ist nach ihm im Jahr 1964 verstorben. Der Erblasser hatte einen im Jahr 1957 vorverstorbenen Sohn. Die im Jahr 1949 geborene Beteiligte ist die Enkelin des Erblassers. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Hausgrundstück.

Der Erblasser und seine Ehefrau errichteten am 21.12.1955 ein gemeinschaftliches notarielles Testament. Darin setzten sie sich gegenseitig als Alleinerben, nach dem Tod des Letztversterbenden ihren Sohn als Vorerben und als Nacherbin die Beteiligte ein. Diese Verfügung bestätigten sie durch einen handschriftlichen gemeinschaftlichen „Nachtrag” vom 15.1.1956.

In einem weiteren gemeinschaftlichen notariellen Testament vom 29.5.1957 haben die Ehegatten alle früheren Verfügungen von Todes wegen, „ob einseitig, ob gemeinschaftlich” aufgehoben. Die Ehefrau hat den Erblasser als ihren Alleinerben eingesetzt; die vom Erblasser getroffene Verfügung lautet wie folgt:

….. Sollte ich … (Erblasser) der Erstversterbende sein, so bestimme ich folgendes: Zu meiner alleinigen Erbin setze ich ein meine Enkelin … (Beteiligte). Meine Erbin beschwere ich mit folgenden Vermächtnissen:

  1. Meiner Ehefrau … soll auf Lebensdauer an meinem Anwesen … der unentgeltliche Niessbrauch zustehen.
  2. Nach dem Ableben meiner Ehefrau soll meiner Schwiegertochter … (Mutter der Beteiligten) ebenfalls auf Lebensdauer der Niessbrauch an meinem vorbeschriebenen Anwesen zustehen. Dieser Nießbrauch erlischt jedoch, sobald sich meine Schwiegertochter wieder verehelicht…. Über die für den Niessbrauch geltenden gesetzlichen Bestimmungen hinaus bestimme ich, daß die Niessbraucher verpflichtet sind, während der Dauer des Niessbrauches alle anfallenden kleineren und größeren Reparaturen auf ihre Kosten vornehmen zu lassen und auch alle auf dem Anwesen ruhenden Lasten, auch die außerordentlichen Lasten, die als auf den Stammwert der Sache gelegt anzusehen sind, insbesondere die während des Niessbrauches fällig werdenden Hypothektilgungsbeträge sowie die Verpflichtungen aus dem Lastenausgleich (Vermögensabgabe) zu tragen. Die Nießbrauchsberechtigten sind befugt, die dingliche Sicherstellung des Niessbrauches an meinem Anwesen auf ihre Kosten zu verlangen ….

Das Nachlaßgericht hat zur Niederschrift vom 4.3.1958 unter anderem festgestellt, das gemeinschaftliche Testament vom 29.5.1957 sei eröffnet worden. Zur Niederschrift des Nachlaßgerichts vom 25.3.1958 hat die Mutter der Beteiligten als deren gesetzliche Vertreterin die Annahme der Erbschaft erklärt.

Am 1.4.1958 hat das Nachlaßgericht einen Erbschein erteilt, demzufolge der Erblasser aufgrund des notariellen Testaments vom 29.5.1957 von der Beteiligten, „gesetzlich vertreten durch ihre Mutter”, allein beerbt worden ist.

Die Beteiligte, die in dem Anwesen wohnt, und im Grundbuch des Nachlaßgrundstücks als Eigentümerin eingetragen wurde, wendet sich seit Jahren gegen die Beschwerung durch den Nießbrauch. Mit Schreiben vom 21.1.1994 hat sie beim Nachlaßgericht die Einziehung des Erbscheins angeregt. Sie hält den Erbschein für unrichtig und trägt hierzu unter anderem vor, das Eröffnungsprotokoll vom 4.3.1958 enthalte eine unrichtige Seitenzahl, außerdem Fehler zur Hinterlegungsnummer, es müsse deshalb ein anderes Testament – ohne Beschwerung durch Nießbrauchsvermächtnisse – maßgebend sein. Der Nießbrauch für ihre Mutter sei nicht entstanden. Das notarielle Testament vom 29.5.1957 sei nichtig, da der Erblasser bettlägerig und schwer krank gewesen sei. Bei der Erbschaftsannahme sei ihre Mutter – da durch den Nießbrauch begünstigt – von der gesetzlichen Vertretung ausgeschlossen gewesen. Der Nachlaß sei von Anfang an überschuldet gewesen. Mindestens hätte die Erbschaftsannahme der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft. Der Erbschein sei auch deshalb unrichtig, weil er – obwohl sie längst volljährig sei – eine gesetzliche Vertretung ausweise.

Mit Beschluß vom 9.9.1994 hat das Nachlaßgericht den Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 10.7.1995 das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die zur Niederschrift d...

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