Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundbuchrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge – vom Fall des Vorliegens eines öffentlichen Testaments abgesehen – für das Grundbuchamt nur durch einen Erbschein geführt werden. Dementsprechend ist die im Erbschein verlautbarte Erbfolge für das Grundbuchamt verbindlich; zu einer eigenen Prüfung der Rechtslage, insbesondere zu einer eigenen ergänzenden oder abweichenden Auslegung der Verfügungen von Todes wegen, ist das Grundbuchamt nicht berechtigt; die Verantwortung für die Auslegung der Anordnungen des Erblassers trägt allein das Nachlaßgericht.

2. Die Grundsätze über die Bindungswirkung eines Erbscheins im Grundbuchverfahren kann dann nicht gelten, wenn der Erbschein eine Rechtslage bezeugt, die es nicht geben kann. Dann wäre jedenfalls eine Rückfrage des Grundbuchamts oder des Beschwerdegerichts beim Nachlaßgericht oder die Anregung an das Nachlaßgericht angebracht, den Erbschein einzuziehen.

3. § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 3 BGB setzt voraus, daß der Erbe die Möglichkeit verloren hat, seine Haftung auf den Nachlaß zu beschränken; die Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten muß also unbeschränkbar geworden sein.

 

Normenkette

GBO § 35 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 17.06.1996; Aktenzeichen 4 T 1319/96)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 17. Juni 1996 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat die der Beteiligten zu 3 im Verfahren der weiteren Beschwerde erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 300 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligte zu 1 erstrebt die Löschung eines Nacherbenvermerks am Grundstück Flst. 756/26.

Das Grundstück hatte zunächst zum Grundbesitz des am 28.7.1957 verstorbenen Anton U. sen. (im folgenden Erblasser genannt) gehört. Dieser wurde laut Erbschein vom 19.11.1957 aufgrund eigenhändigen Testaments von 1951 von seinen Söhnen Anton U. jun. (im folgenden nur noch Anton U.) und Alfred U. als Vorerben je zur Hälfte beerbt. Nacherben sollten die beim Eintritt des Nacherbfalls (jeweils Tod des Vorerben) vorhandenen „Abkömmlinge der Vorerben”, Ersatznacherbe jeweils der andere Vorerbe sein.

Anton und Alfred U. setzten sich zu notarieller Urkunde vom 16.4.1959 über den Nachlaß auseinander. Sie „verzichteten” in dem Vertrag „auf das ihnen … eingeräumte Ersatznacherbenrecht bezüglich des dem anderen Bruder zugewiesenen Nachlaßteils, soweit dies gesetzlich überhaupt zulässig ist”. Sie verpflichteten sich weiter „alles zu tun, was erforderlich ist, daß die seinerzeitigen Erben des Vorerben den Nachlaßanteil ohne Beschränkung erhalten werden”. Weiter heißt es, daß „die zugunsten der Abkömmlinge angeordnete Nacherbfolge durch diese Vereinbarung nicht berührt” werde.

In Vollzug der Auseinandersetzung wurde das Grundstück Flst. 756/26 an Alfred U. aufgelassen und dieser als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Der Nacherbenvermerk wurde dabei insoweit gelöscht, als er den anderen Vorerben als Ersatznacherben auswies. Alfred U. übertrug später das halbe Miteigentum an dem Grundstück auf seine Ehefrau; diese starb 1986 und wurde gemäß Erbschein vom 6.10.1989 von ihrem Mann als alleinigem Vorerben beerbt; als alleinige Nacherbin ist in diesem Erbschein die Beteiligte zu 1 genannt.

Alfred U. starb am 24.7.1989; laut Erbschein vom 6.10.1989 wurde er von der Beteiligten zu 2 allein beerbt. Der Antrag von Anton U., ihm nunmehr einen Erbschein als Alleinerbe des 1957 verstorbenen Erblassers zu erteilen, blieb ohne Erfolg.

Aufgrund der beiden Erbscheine vom 6.10.1989 (betreffend den Nachlaß der Ehefrau von Alfred U. und von Alfred U. selbst) und eines Erbscheins vom 6.3.1992 (betreffend den Nachlaß des Erblassers) wurden am 29.9.1992 die Beteiligte zu 1 (als Nacherbin der Ehefrau bezüglich des dieser übertragenen Hälfteanteils) und die Beteiligte zu 2 (als Alleinerbin des Alfred U. bezüglich des anderen, ihm verbliebenen Hälfteanteils) als Miteigentümer je zur Hälfte in das Grundbuch eingetragen. In der zweiten Abteilung ist weiterhin Nacherbfolge vermerkt; nach dem Vermerk tritt der Nacherbfall mit dem Tode des Vorerben Anton U. ein und sind Nacherben die dann vorhandenen Abkömmlinge der Vorerben, von denen derzeit die Beteiligte zu 3 bekannt ist. Diese ist eine 1928 geborene nichteheliche Tochter von Anton U., der am 8.6.1995 verstorben und laut Erbschein vom 20.9.1995 von der Beteiligten zu 3 allein beerbt worden ist. Das Nachlaßgericht erteilte der Beteiligten zu 3 am 2.10.1995 weiter einen Erbschein, daß sie den Erblasser Anton U. sen. allein beerbt hat.

Die Beteiligte zu 3 hat beantragt, sie aufgrund der Nacherbfolge als Alleineigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch einzutragen. Die Beteiligte zu 1 hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen und den Nacherbenvermerk zu löschen. Das Grundbuchamt hat den Löschungsantrag mit Beschluß vom 27.2.1...

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