Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen 21 C 1478/82)

LG München I (Aktenzeichen 14 S 14158/82)

 

Tenor

Ein Vermieter von Wohnraum kann das Mietverhältnis in der Regel gemäß § 553 BGB fristlos kündigen, wenn der Wohnraum ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters deshalb überbelegt ist, weil der Mieter seinen Ehegatten und ein gemeinsames Kind auf Dauer aufgenommen hat.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der von den Beklagten bewohnten Wohnung.

Die Beklagte zu 2) hat die Wohnung durch schriftlichen Mietvertrag vom 25.1.1980 von der Rechtsvorgängerin der Kläger gemietet. In dem Mietvertrag wird auf eine schriftliche Anlage Bezug genommen, in der es in Nr. 8 unter a heißt:

„Jede Art von Untervermietung ist untersagt. Das Appartement darf nur von der im Mietvertrag genannten Person bewohnt werden.”

Die Wohnung besteht aus einem Zimmer, einer Diele und einem Bad mit Toilette. Die gesamte Wohnfläche beträgt 25 qm.

Die Beklagte zu 2) bezog die Wohnung am 1.2.1980. Im Dezember 1980 schloß sie die Ehe mit dem Beklagten zu 1) und nahm ihn in die Wohnung auf. Die Kläger beanstandeten dies mit Schreiben vom 22.1.1981 und drohten eine außerordentliche Kündigung an.

Nachdem am 6.10.1981 ein gemeinsames Kind der Beklagten geboren wurde, welches seitdem gleichfalls in der Wohnung lebt, sprachen die Kläger mit Schreiben vom 26.11.1981 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen vertragswidrigen Gebrauches aus. Zur Begründung führten die Kläger aus, nach der Anlage zum Mietvertrag dürfe die Wohnung nur von der im Mietvertrag genannten Person bewohnt werden, in der Wohnung lebten jedoch trotz des Schreibens vom 22.1.1981 drei Personen.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangen die Kläger Räumung und Herausgabe der Wohnung.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Aufnahme von Familienangehörigen in die Wohnung durch Vereinbarung im Mietvertrag nur dann rechtswirksam ausgeschlossen werden könne, wenn besondere Umstände hinzuträten; solche Umstände hätten die Kläger hier nicht vorgetragen.

Auf die von den Klägern gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Landgericht München I in der mündlichen Verhandlung am 24.11.1982 beschlossen, einen Rechtsentscheid zu folgender Rechtsfrage einzuholen:

„Stellt die Überbelegung einer Mietwohnung auch dann einen Kündigungsgrund dar, wenn die überbelegung durch Vergrößerung der Familie (hier: Heirat des Mieters und Geburt eines Kindes im Verlauf des Mietverhältnisses) eintritt?”

Zur Begründung führt das Landgericht aus, die Wohnung sei nach Auffassung des Berufungsgerichtes überbelegt. Die Beklagten müßten zur Räumung der Wohnung verurteilt werden, wenn die durch die Familienvergrößerung herbeigeführte Überbelegung ein Kündigungsgrund sei; andernfalls müsse die Berufung zurückgewiesen werden.

Die Parteien haben sich zu dem Vorlagebeschluß geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Entscheidung aber den Vorlagebeschluß des Landgerichts zuständig (Art. III Abs. 2 des 3. MietÄndG vom 21.12.1967 – BGBl. I S. 1248 – i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des 3. MietÄndG vom 5.6.1980 – BGBl. I S. 657; § 1 der VO über die Zuständigkeit für den Rechtsentscheid in Mietsachen vom 18.1.1968 – GVBl S. 17 – i.V.m. § 1 der VO vom 9.1.1968 – GVBl S. 4; BayObLGZ 1980, 360/363 = NJW 1981, 580/581 = ZMR 1981, 93 ff. und ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BayObLGZ 1983, 50/52).

2. Die vorgelegte Rechtsfrage liegt im Rahmen des Art. III Abs. 1 des 3. MietÄndG, hat grundsätzliche Bedeutung und kann hier für die Sachentscheidung erheblich sein (vgl. BayObLGZ 1982, 173/174 m.Nachw.).

3. Der Vermieter kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Mietverhältnis kündigen, wenn der Mieter ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters einen vertragswidrigen Gebrauch der Sache fortsetzt, der die Rechte des Vermieters in erheblichem Maße verletzt (§ 353 BGB). Zwar verstößt der Mieter grundsätzlich nicht gegen seine vertraglichen pflichten, wenn er seinen Ehegatten und gemeinsame Kinder aufnimmt (Roquette Das Mietrecht des BGB § 549 RdNr. 2; vgl. BayObLGZ 1952, 89/92; OLG Hamm WM 1982, 323). Auch ist nach allgemeiner Auffassung eine Vereinbarung im Mietvertrag, welche die Aufnahme des Ehegatten und gemeinsamer Kinder verbietet, unwirksam (LG Mannheim MDR 1975, 933/934; MünchKomm. § 549 BGB RdNr. 10; Sternel Mietrecht 2. Aufl. II RdNr. 332; Hummel ZMR 1975, 291/292). Die Befugnis des Mieters, seinen Ehegatten und gemeinsame Kinder aufzunehmen, findet ihre Grenze jedoch dort, wo die Mieträume infolge der Aufnahme der Familienangehörigen auf Dauer überbelegt werden. Dies ist – entgegen der Auffassung des Landgerichts – die allgemein vertretene Ansicht (LG Hamburg JZ 1951, 720; LG Mönchengladbach WM 1953, 102/103; LG Köln WM 1981, 161; Emmerich/Sonnenschein Mietrecht § 564 b BGB RdNr. 43; Köhler Handbuch der Wohnraummiete § 55 RdNr. 2 für „krasse” Überbelegung; MünchKomm aaO; Palandt BGB 42. Aufl. § 550 Anm. 2 a; Sternel aaO; Fischer ZMR 1952, 130; Kiefersauer JR 19...

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