Leitsatz (amtlich)

1. Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist ein Sachverständiger verpflichtet, das Gericht rechtzeitig darauf hinzuweisen, daß voraussichtlich Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuß erheblich übersteigen.

2. Unterläßt der Sachverständige den gebotenen Hinweis auf eine Kostensteigerung, so hängt eine Kürzung der Sachverständigenentschädigung davon ab, ob bei verständiger Würdigung aller Umstände davon auszugehen ist, daß auch bei rechtzeitiger Anzeige die Tätigkeit des Sachverständigen weder eingeschränkt noch ihre Fortsetzung infolge Antrags- oder Beschwerderücknahme unterbunden worden wäre. Das Risiko der Unaufklärbarkeit hat der Sachverständige zu tragen.

 

Normenkette

ZSEG §§ 3, 16; ZPO §§ 407a, 379; FGG §§ 15, 19; BGB § 1752

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Beschluss vom 02.09.1996; Aktenzeichen 4 T 618/95)

AG Memmingen (Aktenzeichen XVI 3/94)

 

Tenor

Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Memmingen gegen den Beschluß des Landgerichts Memmingen vom 2. September 1996 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Das Landgericht hat im Verfahren über die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Adoptionsanträge des nichtehelichen Vaters und dessen Ehefrau mit Beschluß vom 14.12.1995 die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens angeordnet. Das Landgericht hat die Beteiligte zu 1 als Sachverständige bestimmt und diese schriftlich auf ihre Mitteilungspflicht hingewiesen, falls der Kostenrahmen von 4.000 DM erheblich überschritten werde.

Mit Schreiben vom 19.2.1996 hat die Sachverständige dem Landgericht mitgeteilt, daß voraussichtlich Kosten in Höhe von 6.500 DM bis 7.000 DM anfallen. Mit Kostenrechnung vom 28.3.1996 hat sie Gesamtkosten in Höhe von 12.171,16 DM einschließlich Mehrwertsteuer angesetzt.

Der Bezirksrevisor (Beteiligter zu 2) hat beantragt, wegen „grober Fahrlässigkeit” höchstens einen Betrag von 8.400 DM an die Sachverständige auszuzahlen.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 2.9.1996 festgestellt, daß die Sachverständige antragsgemäß zu entschädigen sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors. Die Sachverständige ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 16 Abs. 2 ZSEG zulässige Beschwerde des Bezirksrevisors hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Der Sachverständigen sei die Entschädigung wie beantragt zuzubilligen, da die von ihr geleisteten Arbeiten objektiv erforderlich gewesen seien. Sowohl der Umfang des vorgelegten familienpsychologischen Gutachtens als auch der gesamte zu seiner Erstellung vorgenommene Aufwand seien für ein den gerichtlichen Anforderungen entsprechendes Gutachten notwendig gewesen. Insbesondere sei zu berücksichtigen, daß im Hinblick auf die Vorgeschichte, die Person des Antragstellers und die konkreten Umstände, unter denen die Pflegefamilie lebe, ein Zeit- und Rechercheaufwand notwendig gewesen sei, der weit über das Maß durchschnittlicher Fälle hinausgehe. Auch rechnerisch seien die einzelnen Positionen nicht zu beanstanden, was auch der Bezirksrevisor einräume. Eine etwa vorliegende grobe Fahrlässigkeit der Sachverständigen dadurch, daß sie das Gericht nicht von einer weiteren Überschreitung des Kostenrahmens verständigt habe, sei nicht ursächlich für die entstandenen Kosten, da eine entsprechende Erweiterung des Aufwands für das Gutachten vom Gericht zu billigen gewesen wäre.

2. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer im Ergebnis ohne Erfolg. Die Sachverständige hat zwar gegen ihre Pflicht verstoßen, rechtzeitig darauf hinzuweisen, daß auch der von ihr schriftlich mitgeteilte erhöhte Kostenrahmen nicht eingehalten werden kann. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles hält der Senat aber die Auffassung des Landgerichts, von einer Kürzung der Sachverständigenvergütung könne gleichwohl abgesehen werden, im Ergebnis für zutreffend.

a) Die einem Sachverständigen gemäß § 16 Abs. 1 ZSEG i.V.m. § 413 ZPO, § 15 Abs. 1 Satz 1 FGG zu gewährende Entschädigung (§ 1 Abs. 1 § 3 ZSEG) wird auf Antrag durch gerichtlichen Beschluß festgesetzt. Die Höhe der Leistungsentschädigung des Sachverständigen bemißt sich für eine schriftliche Gutachtertätigkeit grundsätzlich nach dem für die sachgemäße Beantwortung der Beweisfrage objektiv erforderlichen Zeitaufwand (§ 3 Abs. 2 Sätze 1, 2 ZSEG; BGH NJW-RR 1987, 1470/1471). Das Gesetz enthält keine Regelungen über den Ausschluß oder eine teilweise Kürzung des Entschädigungsanspruchs aufgrund eines pflichtwidrigen Verhaltens des Sachverständigen.

b) Beauftragt das Gericht einen Sachverständigen, so wird zwischen dem Justizfiskus und dem Gutachter ein Rechtsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur begründet (BGHZ 59, 310/311), für das die Grundsätze des § 242 BGB sinngemäß anzuwenden sind. Diese haben darüber hinaus durch die mit dem Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz eingefügte Regelung des § 407a ZPO eine besondere gesetzliche Ausprägung...

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