Leitsatz (amtlich)

1. Zur Zulässigkeit eines Vorbescheids, der mit keinem der gestellten Erbscheinsanträge übereinstimmt, und zur Prüfungs- und Anordnungsbefugnis des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdegerichts, wenn nur einer der Beteiligten, die einen Erbscheinsantrag gestellt haben, Beschwerde (Rechtsbeschwerde) einlegt.

2. Zu den Grenzen der Auslegung eines Testaments und zu dessen Umdeutung (§ 140 BGB), wenn der nach dem Wortlaut gewollte Inhalt der Verfügung rechtlich nicht zulässig ist.

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 18.07.2003; Aktenzeichen 8 T 891/02)

AG Laufen (Beschluss vom 15.02.2002; Aktenzeichen VI 76/01)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des LG Traunstein vom 18.7.2002 aufgehoben.

II. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3) wird der Beschluss des AG Laufen vom 15.2.2002 aufgehoben.

III. Das AG Laufen wird angewiesen, einen Erbschein gem. dem Antrag der Beteiligten zu 1) vom 27.4.2001 zu erteilen.

 

Gründe

I. Der 2001 im Alter von 90 Jahren verstorbene, seit 1996 verwitwete Erblasser war Rechtsanwalt gewesen. Die Beteiligten zu 1) bis 3 sind seine Kinder. Der Nachlass besteht aus einem bebauten Grundstück im Wert von 314.281 DM und aus Geldvermögen i.H.v. 108.159 DM.

Das Nachlassgericht hat ein eigenhändiges Testament des Erblassers vom 27.7.1999 eröffnet. Es lautet:

Meine Tochter … (Beteiligte zu 1) erbt das Grundstück mit der Einrichtung als Alleineigentum.

Meine Söhne … (die Beteiligten zu 3) und 2),

die Tochter … (die Beteiligte zu 1)

erben zu je 1/3 des Geldes.

Der 1/3-Geldbetrag an … (Beteiligter zu 3) und

… (Beteiligter zu 2) wird nur vererbt, wenn der Pflichtteil von beiden für das Grundstück nicht geltend gemacht wird.

Die Nichtgeltend-Machung ist in notarieller Form zu erklären. Danach ist der Betrag auszuzahlen.

Es folgen die Angabe des Ortes und des Datums der Errichtung sowie die Unterschrift des Erblassers.

Die Beteiligte zu 1) hat zur Niederschrift des Rechtspflegers am 27.4.2001 einen Erbschein beantragt, der bezeugen soll, dass sie den Erblasser allein beerbt hat. Sie erklärte:

Ich stimme der Auslegung des Nachlassgerichts zu, dass mein Vater mich als Alleinerbin eingesetzt hat und meine beiden Brüder bedingte Vermächtnisnehmer sind. Dies war der Wunsch meines Vaters.

Der Beteiligte zu 3) trat dieser Auslegung des Testaments entgegen. Er hat einen Erbschein beantragt, der bezeugen soll, dass der Erblasser in gesetzlicher Erbfolge von ihm und den Beteiligten zu 1) und 2) zu je 1/3 beerbt worden ist. Er ist der Meinung, dass das Testament unwirksam sei und deswegen die gesetzliche Erbfolge gelte. Unwirksam sei das Testament, weil der Erblasser einzelne Gegenstände seines Vermögens in unterschiedlicher Weise habe vererben wollen und damit gegen das zwingende rechtliche Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge verstoßen habe, ferner weil die bedingte Erbeinsetzung der Söhne von einer unmöglichen Bedingung abhängig gemacht werde – es gebe keinen „Pflichtteil für das Grundstück” – und weil die Bestimmung, dass die Söhne ihren 1/3-Erbteil vom Geld nur bekommen, wenn sie auf den Pflichtteil für das Grundstück verzichten, unsinnig und als Versuch, den Pflichtteil zu entziehen, sittenwidrig sei, da 1/3 des Geldes erheblich weniger als der Pflichtteil (insgesamt) sei. Habe ein im Erbrecht bestens bewanderter Volljurist wie der Erblasser in eindeutiger Weise einen rechtlich undurchführbaren Willen geäußert, so könne weder durch Auslegung noch durch Umdeutung abgeholfen werden.

Das Nachlassgericht hat mit Vorbescheid vom 15.2.2002 angekündigt, einen Erbschein zu erteilen, wonach der Erblasser von der Beteiligten zu 1) zu 82,931 %, von den Beteiligten zu 2) und 3) zu jeweils 8,5345 % beerbt worden sei. Es hielt die bedingte Zuwendung eines Geldbetrages an die Söhne für „widersprüchlich und sinnwidrig”, weil der gesetzliche Pflichtteilsanspruch der beiden Söhne – ausgehend von einem Wert des gesamten Nachlasses von 422.440 DM–70.407 DM, der den beiden Söhnen zugedachte Anteil am Geldvermögen jedoch lediglich 36.053 DM betrage, sodass der Sohn, der den vom Erblasser offenbar nicht gewollten Pflichtteilsanspruch geltend mache, besser gestellt sei als der, der entspr. der Intention des Erblassers auf den Pflichtteil verzichte. „Dieser Sinnbruch” führe jedoch nicht dazu, das gesamte Testament als nichtig anzusehen, da es in den übrigen Bestimmungen völlig klar und eindeutig sei und keinen Zweifel am tatsächlichen Willen des Erblassers zulasse. Lediglich die Bedingung sei unwirksam, da es offenbar nicht der Wille des Erblassers gewesen sei, die beiden Söhne von der Erbenstellung gänzlich auszuschließen. Nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB sei davon auszugehen, dass der Erblasser die sonstigen Bestimmungen des Testaments in gleicher Weise getroffen hätte, wenn er sich der Sinnwidrigkeit und Unwirksamkeit der angegebenen Bedingung bewusst gewesen wäre. Das Testament sei auch nicht deswegen unwirksam, weil der Erblasser seine Kinder nicht auf eine bestimmte Quote einge...

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