Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der Erbfolge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Grundbuchamt hat auch bei rechtlich schwierigen Fragen eine öffentliche Verfügung vom Todes wegen selbständig auszulegen. Bei der Auslegung sind auch andere dem Grundbuchamt vorliegende öffentliche Urkunden zu berücksichtigen. Einen Erbschein darf das Grundbuchamt nur dann verlangen, wenn eine Auslegung ohne weitere Ermittlungen nicht möglich ist.

2. Die Bindung an vertragsmäßige Verfügungen in einem Erbvertrag kann unter dem – auch stillschweigenden – Vorbehalt stehen, daß das mit der Bindung Gewollte auf andere Weise erreicht wird.

 

Normenkette

BGB §§ 2274, 2278, 2289; GBO § 35

 

Verfahrensgang

LG Ingolstadt

AG Ingolstadt

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten werden der Beschluß des Landgerichts Ingolstadt vom 7. Juli 1994 und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Ingolstadt vom 24. November 1993 aufgehoben.

 

Gründe

I.

Als Eigentümerin des Grundstücks G.-Straße ist die am 16.8.1993 verstorbene Mutter der Beteiligten im Grundbuch eingetragen. Die Eltern der Beteiligten, der Apotheker Karl S. und Anna S., schlossen am 24.11.1970 mit ihrem gemeinsamen Sohn Peter S., dem Bruder der Beteiligten, einen notariellen Erbvertrag. Nr. II dieses Vertrags lautet unter anderem:

1.

Die Ehegatten S. setzen sich gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben ein. Der Längstlebende ist mit keinerlei Auflagen oder Vermächtnissen beschwert.

2.

Der Längstlebende der Ehegatten S. beruft zu seinem Alleinerben den Sohn Peter.

Der Erbe des Längstlebenden wurde mit dem Vermächtnis beschwert, das Hausgrundstück G.-Straße 94 und alle sonstigen Vermögensgegenstände des Längstlebenden, mit Ausnahme des Grundstücks K.-Straße und der sich dort befindenden Apotheke, an die Beteiligte herauszugeben (Nr. II 3). In Nr. III 3 Abs. 3 heißt es:

Dem Erben verbleibt also im Endergebnis nur das Hausgrundstück K.-Straße und die Apotheke mit allen Aktiven und Passiven.

Als Ersatzerben für den Sohn Peter und als Ersatzvermächtnisnehmer für die Beteiligte wurden jeweils die ehelichen leiblichen Abkömmlinge berufen (Nr. II 4). Dem Längstlebenden wurde ein Rücktrittsrecht eingeräumt, sofern der Sohn Peter vor dem Längstlebenden versterben sollte (Nr. II 5a). Ohne jede Bedingung sollte der Längstlebende berechtigt sein, seine getroffene Verfügung von Todes wegen abzuändern oder aufzuheben, soweit sie seine persönliche Habe und seine Ersparnisse betraf (Nr. II 5b).

Unabhängig von dem Erbvertrag schlossen die Eheleute S. mit ihrem Sohn Peter in derselben notariellen Urkunde einen Vertrag, in dem sich der Längstlebende verpflichtete, sein Hausgrundstück K.-Straße und die Apotheke an den Sohn Peter und das Hausgrundstück G.-Straße an die Beteiligte zu übereignen. Der Längstlebende bewilligte die Eintragung je einer Auflassungsvormerkung an den genannten Grundstücken (Nr. III 1 und 2).

Nach dem Tod von Karl S. übereignete Anna S. die Apotheke und das Grundstück K.-Straße dem Sohn Peter. Zu notarieller Urkunde vom 14.12.1973 erklärten Anna und Peter S., das Hausgrundstück K.-Straße und die Apotheke seien an Peter S. bereits überlassen. Der Erbvertrag sei hinsichtlich der Zuwendungen, die Peter S. im Ergebnis erhalten sollte, voll erfüllt. Ferner stellten sie übereinstimmend fest, daß der Erbvertrag hinsichtlich der Verfügung des Längstlebenden dahin zu verstehen sei, er sei nur zwischen dem Längstlebenden und dem Sohn abgeschlossen, eine Bindung gegenüber dem Erstversterbenden bestehe nicht (Nr. I und II). Sodann hoben sie den Erbvertrag vom 24.11.1970 insoweit auf, als der Längstlebende verfügt hatte. Darüber hinaus verzichtete Peter S. auf sein vertraglich vereinbartes Erbrecht (Nr. III).

Ebenfalls am 14.12.1973 setzte Anna S. durch notarielles Testament die Beteiligte zu ihrer Alleinerbin ein.

Peter S. hat eine im Jahre 1979 geborene eheliche Tochter.

Das Testament der Anna S. wurde am 21.9.1993 durch das Nachlaßgericht eröffnet. Die Beteiligte, die am 8.10.1993 zu Protokoll des Nachlaßgerichts die Erbschaft nach ihrer Mutter annahm, hat beantragt, sie auf Grund Erbfolge als Eigentümerin des Grundstücks G.-Straße im Grundbuch einzutragen.

Mit Zwischenverfügung vom 24.11.1993 hat das Grundbuchamt der Beteiligten aufgegeben, ihre behauptete Erbenstellung durch Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen, da nicht zweifelsfrei feststehe, ob Peter S. auf sein vertragliches Erbrecht habe verzichten können. Hiergegen hat die Beteiligte Erinnerung/Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 7.7.1994 das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und der Zwischenverfügung des Grundbuchamts.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Ohne weitere Ermittlungen könne nicht beurteilt werden, ob die Beteiligte Erbin ihrer Mutter geworden und damit im Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks G...

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