Entscheidungsstichwort (Thema)

Übertragung des Sorgerechts. Bestimmung des zuständigen Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

Haben Eltern, die getrennt leben, unabhängig voneinander die Übertragung der elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind beantragt, so ist für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das Bayerische Oberste Landesgericht kein Raum, wenn sich das eine Familiengericht für zuständig hält und das andere Gericht das bei ihm anhängige Verfahren an das erste Gericht abgibt.

 

Normenkette

ZPO § 36 Nrn. 5-6, § 621a Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Amberg (Aktenzeichen 2 F 469/97)

AG Erding (Aktenzeichen 1 F 343/97)

 

Tenor

Eine Entscheidung über das zuständige Gericht ergeht nicht.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten, eine deutsche Staatsangehörige und ein US-Bürger, sind verheiratet. Sie haben zuletzt zusammen in Kentucky/USA gelebt, sich jedoch inzwischen getrennt. Aus ihrer Ehe ist das am geborene Kind hervorgegangen. Am 25.11.1996 haben die Eltern vor einem Gericht in den USA eine Vereinbarung geschlossen, wonach sie für das Kind das gemeinsame Sorgerecht haben, die Mutter jedoch vorrangig (als „primary custodian”) für das Kind sorgen soll. Anfang Januar 1997 ist die Mutter zusammen mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt. Sie wohnt seither in Erding. Im Juni 1997 reiste das Kind mit Zustimmung der Mutter zum Vater in die USA, bei dem es später gegen den Willen der Mutter blieb. Anfang Oktober 1997 flog der Vater mit dem Kind nach Deutschland. Er hält sich seither im Bezirk des Amtsgerichts Amberg auf und hat nach seinen Angaben dort einen Wohnsitz begründet.

Der Vater hat am 15.10.1997 bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Amberg beantragt, ihm die elterliche Sorge für das Kind zu übertragen. Unabhängig davon hat das Amtsgericht – Familiengericht – Erding auf Antrag der Mutter vom 22.10.1997 am selben Tag eine vorläufige Anordnung erlassen, wonach der Vater das Kind an die Mutter herauszugeben hat. In Vollzug dieses Beschlusses hat die Mutter das Kind wieder zu sich geholt. Über ihren weitergehenden Antrag, ihr für die Dauer des Getrenntlebens die elterliche Sorge für das Kind zu übertragen, hat das Amtsgericht Erding noch nicht entschieden. Das Amtsgericht Amberg hat das bei ihm anhängige Verfahren durch Beschluß vom 24.11.1997 an das Amtsgericht Erding abgegeben.

Mit Schreiben vom 11.11.1997 an das Bayerische Oberste Landesgericht hat der Vater beantragt, gemäß § 36 ZPO das Amtsgericht – Familiengericht – Amberg als für die Entscheidung über den Sorgerechtsstreit zuständiges Gericht zu bestimmen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Gesuch des Vaters hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen nicht vor.

1. Gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 1672, § 1671 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn wie hier die Eltern dauernd getrennt leben, auf Antrag eines Elternteils zu bestimmen, welchem Elternteil die elterliche Sorge für das gemeinschaftliche Kind zustehen soll. Für das Verfahren gelten, unabhängig von dem anzuwendenden materiellen Recht, die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, jedoch treten an die Stelle der §§ 2 bis 6 dieses Gesetzes die für das zivilprozessuale Verfahren maßgeblichen Vorschriften (§ 621 a Abs. 1 ZPO). Demnach richtet sich bei einem Zuständigkeitsstreit die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO (vgl. BGH FamRZ 1988, 1256 und 1995, 728). Das zuständige Gericht ist durch das im Rechtszug höhere Gericht zu bestimmen (§ 36 ZPO). Dies ist, wenn wie hier die betroffenen Amtsgerichte zu verschiedenen bayerischen Oberlandesgerichtsbezirken gehören, das Bayerische Oberste Landesgericht (§ 8 EGGVG, § 7 EGZPO, Art. 11 Abs. 1 AGGVG; vgl. BayObLGZ 1991, 240/241 m.w.N.).

2. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 ZPO sind nicht gegeben. In Betracht kommt nur eine Bestimmung gemäß § 36 Nr. 5 oder 6 ZPO. Ein negativer Kompetenzkonflikt (§ 36 Nr. 6 ZPO) liegt schon deshalb nicht vor, weil sich das Amtsgericht Erding für zuständig hält. Aber auch ein positiver Kompetenzkonflikt (§ 36 Nr. 5 ZPO) ist nicht gegeben. Denn das Amtsgericht Amberg hält sich für unzuständig und hat das bei ihm anhängige Verfahren an das Amtsgericht Erding abgegeben.

 

Unterschriften

Gummer, Sprau, Angerer, Kenklies, Werdich

 

Fundstellen

Haufe-Index 1084200

FamRZ 1998, 561

BayObLGR 1998, 40

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge