Leitsatz (amtlich)

1. Ordnet das VormG selbst die zivilrechtliche Unterbringung des Betroffenen an, ist es verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass dem Betroffenen innerhalb weniger Tage ein (vorläufiger) Betreuer zur Seite gestellt wird. Eine derartige Maßnahme kann je nach Sachlage, auch in dem unverzüglichen Ersuchen an die Betreuungsstelle liegen, eine als Betreuer geeignete Person vorzuschlagen.

2. Unterlässt das Gericht Maßnahmen dieser Art, ist die Anordnung der Unterbringung von vornherein nicht rechtmäßig ergangen. Das gilt auch dann, wenn sich die Unterbringung bereits zu einem Zeitpunkt erledigt, in dem unter gewöhnlichen Umständen die Bestellung eines vorläufigen Betreuers noch nicht zu erwarten gewesen wäre.

 

Normenkette

FGG § 70h Abs. 3; BGB §§ 1846, 1908i Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 13 T 796/03)

AG München (Aktenzeichen 703 XVII 08294/02)

 

Tenor

I. Der Beschluss des LG München I vom 7.2.2003 wird aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Unterbringung des Betroffenen durch Beschluss des AG München vom 20.12.2002 nicht rechtmäßig ergangen ist.

 

Gründe

I. Der Betroffene wurde am 18.12.2002 auf Grund einer am selben Tag getroffenen Anordnung der zuständigen Behörde gegen seinen Willen im Bezirkskrankenhaus geschlossen untergebracht. Anlass hierfür war ein vorangegangener Polizei- und Feuerwehreinsatz auf Grund eines aus der Wohnung des Betroffenen herrührenden Brandgeruchs. Nach den von der Behörde zugrunde gelegten Feststellungen wurde der Betroffene nach anfänglicher Weigerung zur Öffnung der Tür in seiner Wohnung mit körperlichen, offenbar von einem Sturz herrührenden Verletzungen und im Zustand geistiger Beeinträchtigung angetroffen. Der Brandgeruch war durch eine mehrstündige Überhitzung des Küchenherdes verursacht worden.

Nach einer Anhörung des Betroffenen im Bezirkskrankenhaus ordnete die zuständige Vormundschaftsrichterin am 20.12.2002 auf zivilrechtlicher Grundlage die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 10.1.2003 einstweilen an.

Nachdem das Bezirkskrankenhaus dem VormG mitgeteilt hatte, der Betroffene befinde sich seit dem 30.12.2002 in freiwilliger Behandlung, wurde am 7.1.2003 der vorangegangene Beschluss über die Zulässigkeit der Unterbringung aufgehoben sowie das Betreuungs- und Unterbringungsverfahren eingestellt. Zur Begründung wurde auf die Freiwilligkeit des weiteren Aufenthalts in der Einrichtung hingewiesen; ein Betreuungsbedürfnis bestehe nicht.

Mit Schreiben vom 8.1.2003 hat der Betroffene gegen den Beschluss vom 20.12.2002 sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hat das LG mit Beschluss vom 7.2.2003 zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen.

II. Das Rechtsmittel ist zulässig, insb. frist- und formgerecht eingelegt.

Es ist auch in der Sache begründet.

1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt:

Auf Grund der Feststellungen der behandelnden Ärztin sei bei Beginn der Unterbringung vom Vorliegen sowohl einer psychischen Krankheit als auch eines Unterbringungsgrundes auszugehen gewesen. Es habe der dringende Verdacht einer affektiven Störung mit psychischer Symptomatik vorgelegen. Der Betroffene habe zudem Anzeichen von Verwirrtheit gezeigt, die möglicherweise auf eine Sickerblutung infolge seiner Kopfverletzung zurückzuführen seien. Es habe die Gefahr bestanden, dass der Betroffene bei fehlender Abklärung und Behandlung dieser durchaus wahrscheinlichen körperlichen Ursachen seiner psychischen Beeinträchtigungen Krampfanfälle erleiden oder sich im Straßenverkehr schädigen könne. Der Betroffene sei zur Erkenntnis der drohenden Gesundheitsgefahr und zu einer freien Willensbildung bezüglich der Behandlung seines gesundheitlichen Schadens nicht in der Lage gewesen. Damit hätten die Voraussetzungen einer Unterbringungsmaßnahme vorgelegen. Das VormG habe hier auch selbst gem. § 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846 BGB die vorläufige Unterbringung anordnen können. Diese Anordnung sei im Hinblick auf die dem Betroffenen im Fall des Aufschubs der Unterbringung drohenden Gefahren auch verhältnismäßig gewesen.

2. Diese Ausführungen halten i.E. der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das LG hat zu Recht angenommen, dass die sofortige Beschwerde gegen die Anordnung des AG zulässig ist. Zwar hatte sich die Hauptsache des Verfahrens bereits zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde erledigt, wobei offen bleiben kann, ob als erledigendes Ereignis die nach Mitteilung des Bezirkskrankenhauses abgegebene Freiwilligkeitserklärung oder die spätere Aufhebung des Unterbringungsbeschlusses am 7.1.2003 zu werten ist.

Die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes gebietet es, auch in den Fällen, in denen der durch die geschlossene Unterbringung bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses des Betroffenen an der Feststellung...

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