Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen. keine Ausnahme bei Haushaltsgemeinschaft mit der Ausbildungsförderung beziehenden Tochter

 

Orientierungssatz

1. Leben Hilfebedürftige mit anderen Personen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, in Haushaltsgemeinschaft, so sind die Kosten für Unterkunft und Heizung der Bedarfsgemeinschaft anteilig (pro Kopf) zu ermitteln (vgl LSG München vom 4.4.2006 - L 11 AS 81/05 = Breith 2006, 589, LSG Celle-Bremen vom 23.3.2006 - L 8 AS 307/05 und LSG Essen vom 14.7.2006 - L 1 B 23/06 AS ER).

2. Auch wenn das der Haushaltsgemeinschaft angehörende volljährige Kind aufgrund des Bezuges von Leistungen der Ausbildungsförderung vom Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 S 1 SGB 2 betroffen ist und der Bedarfssatz nach BAföG den anteiligen Unterkunftsbedarf des Kindes nicht voll deckt, kann bei der Bedarfsberechnung nach SGB 2 von der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl nicht abgewichen werden.

3. Die in § 6a Abs 4 S 2 BKGG 1996 enthaltene Regelung über die Aufteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung kann nicht auf das Leistungsrecht nach SGB 2 übertragen werden (vgl LSG Celle-Bremen, aaO).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.02.2008; Aktenzeichen B 14/11b AS 55/06 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 05.04.2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein höherer Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung zusteht, weil ihre Tochter Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhält.

Die 1955 geborene Klägerin bewohnte bis zum 31.03.2006 mit ihrer 1985 geborenen Tochter eine Dreizimmerwohnung mit 98 qm (Warmmiete 847,22 EUR). Mit Bescheid vom 20.05.2005, geändert durch Bescheid vom 07.10.2005, war der Klägerin für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) bewilligt worden. Bis September 2005 erhielten sie und ihre Tochter das Alg II jeweils als eigene Bedarfsgemeinschaften. Die Beklagte hat die Kosten der Unterkunft jeweils zur Hälfte (416,26 EUR) der Klägerin und ihrer Tochter zugeordnet. Im Oktober 2005 nahm die Tochter ein Studium auf und erhält seither Leistungen nach dem BAföG in Höhe von 377,00 EUR monatlich.

Am 29.11.2005 beantragte die Klägerin unter Hinweis auf einen Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 21.03.2005 (S 55 AS 124/05), ihr ab Oktober 2005 höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu bewilligen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 07.12.2005 ab. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2006 zurückgewiesen. Dagegen legte die Klägerin am 17.01.2006 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) ein.

Mit Weiterbewilligungsbescheid vom 23.11.2005 wurden für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2006 die Leistungen für Unterkunft und Heizung nur in Höhe der Hälfte der tatsächlichen Kosten bewilligt. Dieser Bescheid wurde mit Bescheid vom 10.01.2006 abgeändert, indem die Leistungen für Unterkunft ab 01.02.2006 auf die Hälfte der von der Beklagten als angemessen angesehenen Kosten (447,50 EUR) abgesenkt wurde. Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, die Beklagte habe die vollen Unterkunftskosten zu übernehmen. Die Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 14.02.2006 teilweise ab, indem sie die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, abzüglich des Anteils der Tochter bis zum 30.06.2006, als Bedarf anerkannte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2006 zurück. Gegen diesen legte die Klägerin am 16.03.2006 ebenfalls Klage zum SG ein.

Das SG hat die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klage mit Urteil vom 05.04.2006 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Tochter sei nach § 7 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) seit Oktober 2005 nicht mehr leistungsberechtigt. Es seien der Klägerin ab diesem Zeitpunkt aber keine höheren Leistungen zuzuerkennen, weil die von der Beklagten zuerkannten Kosten dem "Kopfanteil" entsprechen würden. Es könne auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zur gleichgelagerten Regelung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zurückgegriffen werden. Im Regelfall sei die Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Zahl der Bewohner rechtens. Das Bewohnen einer Wohnung durch eine Familie, die aus Erwachsenen, insbesondere den Eltern und Kindern bestehe, sei eine typische einheitliche Lebenssituation, die (für den Regelfall) eine an der Intensität der Nutzung der Wohnung durch die einzelnen Familienmitglieder im Einzelfall ausgerichtete Betrachtung und in deren Gefolge eine unterschiedliche Aufteilung der Kosten für diese Wohnung nicht zulasse. Etwas anderes könne nur gelten, wenn z.B. wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit ein spezifischer höherer Unterkunftsbedarf...

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