Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. beitragsrechtliche Behandlung von steuerfreien Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Entgeltbestimmbarkeit bei Arbeitsaufnahme. Entgeltabrechnungsmodell. gegenseitige Variabilität von Brutto-Stunden-Vergütung und Zuschlag. Abweichung vom Steuerrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Beitragsfreiheit von SFN-Zuschlägen im Gastronomie-Bereich.

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Entgeltabrechnungssystem von Basisgrundlohn, Effektivlohn und Grundlohnergänzung, die in gegenseitiger Variabilität stehen, sind beitragspflichtige Bruttoentgelte und beitragsfreie Zuschlagsleistungen nicht klar genug vorausberechenbar. Ein solches Abrechnungsmodell genügt insofern nicht den im Sozialversicherungsrecht geltenden Anforderungen der Entgeltbestimmbarkeit bereits bei Arbeitsaufnahme.

2. Im Unterschied dazu wird im Steuerrecht die strittige Methode zur Ermittlung der steuerfreien Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als mit § 3b EStG im Einklang stehend erachtet (vgl BFH vom 17.06.2010 - VI R 50/09 = BFHE 230, 150).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.05.2014; Aktenzeichen B 12 R 18/11 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Beitragsnachforderung aufgrund einer Betriebsprüfung. Der vorliegende Rechtsstreit ist ein Musterverfahren für die beitragsrechtliche Behandlung von Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschlägen, die sich in gegenseitiger Variabilität berechnen.

1.

Der Kläger betreibt die Gaststätte "Café P." in A-Stadt. Dort beschäftigte er den Beigeladenen zu 1) vom 01.04.2003 bis zum 30.11.2004 als Koch. Gemäß Arbeitsvertrag vom 01.04.2003 war in § 4 ein Bruttobasislohn je arbeitsrechtlich geschuldeter Arbeitsstunde von 7,00 EUR vereinbart. Darüber hinaus war verabredet: "Zusätzlich erhält er ≪der Beigeladene zu 1)≫ die aus seiner Arbeitszeit resultierenden möglichen SFN-Zuschläge nach EstG 3 b als Teillohn des vereinbarten durchschnittlichen Effektivlohns pro Stunde für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden. Der vereinbarte durchschnittliche Effektivlohn (Auszahlung) beträgt 7,47 EUR pro tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Sollte sich aufgrund der Arbeitszeitplanung ein geringerer durchschnittlicher Auszahlungsbetrag pro tatsächlich geleistete Arbeitsstunde als hier vereinbart ergeben, so ist der Basisgrundlohn für diesen Abrechnungszeitraum (monatlich) so zu erhöhen (Grundlohnergänzung), dass sich hieraus der vereinbarte durchschnittliche Auszahlungsbetrag pro tatsächlich geleistete Arbeitsstunde ergibt." Der Kläger führte auf der Grundlage dieser Vereinbarung monatliche Nachweise, in denen tagbezogen jeweils die geleisteten Arbeitsstunden nach Uhrzeit sowie die Zuschlagszeiten getrennt aufgelistet sind, er fertigte daraus monatliche Entgeltabrechnungen, versteuerte und verbeitragte das Entgelt und zahlte dem Beigeladenen zu 1) das jeweilige Nettoentgelt aus.

Aufgrund Betriebsprüfung vom 28.07. bis 27.12.2004 an sechs Tagen forderte die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 28.12.2004 für den Prüfzeitraum vom 01.01.2000 bis 30.11.2004 an Beiträgen 36.598,00 EUR nach. Bezogen auf den Beigeladenen zu 1) weist die Nachforderung für 2003 Nachforderungen iHv 1.267,78 EUR, für Januar bis März 2004 iHv 386,58 EUR sowie für April bis November 2004 iHv 1.026,76 EUR aus. Zur Begründung gab die Beklagte an, die SFN-Zuschläge seien zu Unrecht als beitragsfrei behandelt worden. Denn faktisch habe der Beigeladene zu 1) die Zuschläge nicht als zusätzliche Leistungen erhalten, so dass Beitragsfreiheit nicht gegeben sei. Nach dem Arbeitsvertrag habe der Kläger als Arbeitgeber den Effektivlohn unabhängig davon geschuldet, ob und in welcher Höhe die Voraussetzungen der SFN-Zuschläge erfüllt gewesen seien, sodass sich im Berechnungswege der Lohn für geleistete Arbeit um den Betrag verringert habe, der eigentlich als Zuschlag hätte gelten sollen. Damit habe der Beschäftigte nicht von den SFN-Zuschlägen profitieren können, sondern er habe eine Minderung des Grundlohns erlitten. Es habe eine Verrechnung einer Lohnart mit der anderen stattgefunden, nicht aber sei eine zusätzliche Leistung gezahlt worden. So sei die gesetzgeberische Intension der Privilegierung einer Leistung für besonders schwere Arbeitszeiten verloren gegangen.

Gegen diese Beurteilung verwahrte sich der Kläger im anschließenden Widerspruchsverfahren, weil klar und einwandfrei die Höhe der SFN-Zuschläge feststellbar sei. Arbeitsrechtlich zulässig hätten die Beteiligten im Arbeitsvertrag einen Bruttolohn und zusätzlich Zuschläge für die SFN-Zeiten entsprechend § 3b EStG vereinbart. Eine Verrechnung finde nicht statt, die Zuschläge seien zusätzlich gezahlt. Dem schloss sich die Beklagte nicht an und wies mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2006 in Bezug auf den Beigeladenen zu 1) den Wid...

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