Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Anfechtungsklage. Beiladung. Überprüfungsverfahren für Schiedsspruch einer Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. Verwaltungsakt. eingeschränkte gerichtliche Kontrolle. leistungsgerechte Vergütung. Plausibilitätskontrolle für voraussichtliche Gestehungskosten. externer Vergleich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Beschluss der Schiedsstelle Sozialhilfe erfüllt alle Merkmale eines Verwaltungsaktes, insbesondere stellen die nach §§ 80, 81 SGB 12 zu bildenden Schiedsstellen Behörden iS von § 1 Abs 2 SGB 10 dar, die hoheitliche Maßnahmen treffen.

2. Entscheidungen der Schiedsstellen nach § 80 SGB 12 unterliegen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit. Der Senat wendet die zu den Schiedsstellen nach dem SGB 11 ergangenen Entscheidungen des BSG entsprechend auf Schiedsstellenentscheidungen nach dem SGB 12 an, weil die Strukturen des Vergütungsvereinbarungsrechtes im SGB 11 und SGB 12 wesentlich gleich ausgestaltet und in beiden Rechtsgebieten fachkundig besetzte Schiedsstellen zur Entscheidung von vertragsgestaltenden Verwaltungsakten berufen sind. Aus der eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte ergibt sich auch, dass das statthafte Klageziel nur mit einer reinen Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 S 1 Alt 1 SGG erreicht werden kann.

3. Die Beiladung der Schiedsstelle zu den Anfechtungsklagen der Vertragsparteien gegen den Schiedsstellenspruch hat nicht zu erfolgen.

4. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur dahingehend, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien ermittelt hat, sie alle für die Abwägung erforderlichen tatsächlichen Erkenntnisse gewonnen hat und die Abwägung frei von Einseitigkeiten in einem fairen und willkürfreien Verfahren, inhaltlich orientiert an den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts, vorgenommen wurde.

5. Aus den auf das SGB 12 übertragbaren Entscheidungen des BSG zu Schiedssprüchen nach dem SGB 11 ergibt sich ein zweistufiges Prüfungsverfahren für die von einem Einrichtungsträger beanspruchten Vergütungen. Eine beanspruchte Vergütung ist leistungsgerecht, wenn die vom Träger zugrunde gelegten voraussichtlichen Gestehungskosten nachvollziehbar sind (Plausibilitätskontrolle) und sie im Vergleich mit der Vergütung anderer Einrichtungen (externer Vergleich) den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen.

 

Tenor

I. Die Klage des Bezirks Niederbayern wird abgewiesen.

II. Der Bezirk Niederbayern hat die Kosten seiner Klage zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Die Klage des Caritasverbandes wird abgewiesen.

V. Der Caritasverband hat die Kosten seiner Klage zu tragen.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Festsetzung von Vergütungen nach den §§ 75 ff SGB XII für das Caritasheim St. U., Leistungstyp W-E-G in P..

Der Beklagte (Caritasverband - wegen der besseren Lesbarkeit wird der Bezirk Niederbayern einheitlich als Kläger, der Caritasverband als Beklagter bezeichnet) betreibt in P. das Caritasheim St. U., in dem Erwachsene mit geistiger Behinderung betreut werden. Die Bewohner sind auf vier Wohngruppen zu je 9 Plätzen aufgeteilt. Von den im streitigen Zeitraum 35 Bewohnerinnen und Bewohnern besuchten 13 eine Werkstätte für behinderte Menschen, 15 eine Förderstätte und 7 wurden auch tagsüber in der Einrichtung betreut.

Die Parteien schlossen am 21./26.11.2007 eine derzeit weiterhin geltende Leistungsvereinbarung. In der bis zum 31.12.2008 geltenden Vergütungsvereinbarung vom 17.12.2007 hatten sie für den Leistungstyp W-E-G Vergütungen pro Platz und Kalendertag wie folgt festgelegt:

Maßnahmepauschalen

Hilfebedarfsgruppe 1:

 27,66 €

Hilfebedarfsgruppe 2:

 39,47 €

Hilfebedarfsgruppe 3:

 68,43 €

Hilfebedarfsgruppe 4:

 99,47 €

Hilfebedarfsgruppe 5:

123,13 €

Die Grundpauschale wurde auf 14,45 €, die Investitionspauschale auf 10,69 € vereinbart.

Die Vergütungsverhandlungen für das Jahr 2009 scheiterten insbesondere daran, dass der Beklagte auf den von ihm geltend gemachten Ist-Lohnkosten bestand, während der Kläger die höchsten Durchschnittspersonalkosten je Vollkraft für das Betreuungspersonal anderer tarifgebundener Einrichtungen für geistig behinderte Erwachsene als Obergrenze ansah. Der Beklagte beantragte am 30.12.2008 für die Festsetzung der Vergütung durch die Schiedsstelle Bayern - Sozialhilfe bei der Regierung von Niederbayern für die Zeit vom 01.01.2009 bis 31.12.2009 für den Leistungstyp W-E-G beim Caritasheim St. U. folgende Maßnahmepauschalen:

Hilfebedarfsgruppe 1:

 30,62 €

Hilfebedarfsgruppe 2:

 43,18 €

Hilfebedarfsgruppe 3:

 73,99 €

Hilfebedarfsgruppe 4:

107,01 €

Hilfebedarfsgruppe 5:

132,19 €

Die Grundpauschale wurde in Höhe von 16,69 €, der Investitionsbetrag in Höhe von 10,69 € beantragt.

Die vom Maßnahmeträger vorgelegten Unterlagen machten deutlich, dass er auch im Jahr 2008 eine gravierende Unterdeckung habe verkraften müssen. Die Kalkulation sei gemäß dem Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII erstellt worden. Strittig seien insbesondere die Pe...

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