rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Nürnberg (Entscheidung vom 27.10.1994; Aktenzeichen S 15 Vs 410/93)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.10.1994 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger das Merkzeichen H bis zur Vollendung des 18.Lebensjahres zuzuerkennen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu 2/3 zu erstatten.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger die Merkzeichen B und H bei einer primären Nebennierenrindeninsuffizienz zustehen.

Der vormals beklagte Freistaat Bayern stellte bei dem am 1991 geborenen Kläger mit Bescheid vom 07.08.1992 eine "allgemeine Leistungsminderung bei Nebennierenfunktionsstörung" mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest. Der Widerspruch, mit dem der Kläger die Feststellung eines GdB von 60 und die Zuerkennung der Merkzeichen B und H begehrte, war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 07.04.1993).

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg (SG) hat der Kläger weiterhin die Feststellung eines GdB von 60 und die Zuerkennung der Merkzeichen B und H begehrt. Die vom SG von Amts wegen gehörten Sachverständigen Dr.O. (Gutachten vom 07.10.1993) und Prof. Dr.G. (Gutachten vom 18.01.1994) haben einen GdB von 50 bzw 60 angenommen und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Gewährung des Merkzeichens H angenommen. Das Merkzeichen H hat Prof. Dr.G. deshalb bejaht, weil dieses nach bestehender Praxis bei allen angeborenen Stoffwechselstörungen zugebilligt werde und lebensbedrohliche Zustände sich beim Kläger innerhalb kürzester Zeit entwickelt könnten. Das SG ist den von ihm gehörten Sachverständigen nicht gefolgt und hat die Klage mit Urteil vom 27.10.1994 abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Hinweis auf ein zur Mucoviscidose-Erkrankung von Kindern ergangenes Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) - Az: 9 a/9 RVs 7/89 - ausgeführt, die tatsächlichen Pflegeleistungen unterschieden sich nicht wesentlich von den Leistungen, die Eltern auch gesunden Kindern gegenüber erbrächten.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und diese in der mündlichen Verhandlung vom 18.02.1997 auf die Zuerkennung der Merkzeichen B und H beschränkt.

Der Senat hat von Prof. Dr.A. , Leiter des Schwerpunktes Endokrinologie, Stoffwechsel und Rheumatologie der Medizinischen Universitätsklinik W. vom Amts wegen ein Gutachten vom 01.11.1999/14.04.2002 eingeholt. Dieser hat beim Kläger eine primäre Nebennierenrindeninsuffizienz diagnostiziert, die lebensnotwendig und lebenslang einen kompletten Ersatz an Glukokortikoiden und Mineralokortikoiden erfordert. Er hat den GdB an die Bewertung des Diabetes mellitus (schwereinstellbare Zuckererkrankung mit Auftreten von Hypoglykämien) mit einem GdB von 50 angelehnt und Hilflosigkeit für die Zeit der ersten Lebensjahre des Klägers angenommen. Er hat dies mit dem Säuglingsalter begründet, nachdem es in den ersten beiden Lebensjahren des Klägers zu mehreren Krankenhausaufenthalten mit Zuständen rascher Verschlechterung gekommen sei. Für die Zeit danach hätten sich jedoch keine Anhaltspunkte für eine ungewöhnlich schwierige medikamentöse Einstellung ergeben, die über das normale Maß hinaus gegangen sei. Solche seien mit zunehmender Selbständigkeit bei Kindern und größerer biologischer Reserve auch nicht zu erwarten. Die Voraussetzungen für das Merkzeichen B hat der Sachverständige verneint, da Patienten mit primärer Nebenniereninsuffizienz bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen nicht auf die regelmäßige Hilfe anderer angewiesen seien.

Der Kläger hat ein Vergleichsangebot des Beklagten vom 03.01.2000, für den Zeitraum vom 22.11.1991 bis 31.12.1994 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H festzustellen, nicht angenommen.

Der Senat hat von Amts wegen ein weiteres Gutachten von dem Leiter der Pädiatrischen Endokrinologie des Klinikums an der C.-Universität zu K. Prof. Dr.S. vom 06.08.2001 und Zusatzgutachten ohne Datum eingeholt. Danach besteht die Aufgabe der Eltern und Aufsichtspersonen bei einer schweren Funktionsstörung der Nebennierenrinde des Kindes in einer absolut zuverlässigen und pünktlichen, unter Normalbedingungen dreimal täglichen Tablettengabe sowie deren sofortige Dosiserhöhung je nach Schweregrad einer Stresssituation bis nach Abschluss der Pubertät (bei Mädchen 16 bis 17 Jahre, bei Jungen in der Regel 18 bis 19 Jahre). Nach Abschluss der Pubertät könnten die Patienten für sich selbst verantwortlich und zuverlässig handeln. Der Sachverständige hat deshalb bis zum Erwachsenenalter das Merkzeichen H sowie mindestens bis zum Erreichen des Schulalters zusätzlich die Zuerkennung des Merkzeichens G und mindestens bis zum Schulabschluss des Merkzeichens B für angebracht gehalten. Bei nicht sofort durchgeführter Dosissteigerung bzw zusätzlicher Gabe von Hydrocortison in Stressdosierung könnte binnen weniger als einer Stund...

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