Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. nachträglich im Folgemonat ausgezahltes Arbeitsentgelt. Zuflussprinzip. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die Berücksichtigung von Arbeitsentgelt, welches tarifgemäß erst im Folgemonat ausgezahlt wird, als Einkommen im Zuflussmonat nach § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 2 Abs 2 S 1 AlgIIV verletzt nicht Verfassungsrecht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.07.2008; Aktenzeichen B 14 AS 43/07 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin für den Juni 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) zusteht.

Die 1964 geborene Klägerin beantragte am 25.5.2005 bei der Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 10.6.2005 bewilligte die Beklagte ihr Leistungen für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2005 in Höhe von monatlich 755,01 EUR. Mit ihrem Widerspruch vom 06.07.2005 machte die Klägerin geltend, sie sei ab dem 01.06.2005 arbeitslos und damit bereits für den Juni 2005 leistungsberechtigt. Sie habe das Arbeitsentgelt für Mai nicht im Juni für den Lebensunterhalt verwenden können, weil es ihr aufgrund einer Kontoüberziehung nicht zur Verfügung gestanden habe. Von der Klägerin wurde eine Bestätigung ihres ehemaligen Arbeitgebers vom 20.09.2005 vorgelegt, wonach sie für Mai ein Nettoeinkommen von 984,87 Euro gehabt habe, das ihr Mitte Juni 2005 ausbezahlt worden sei. Seit dem 18.7.2005 ist die Klägerin wieder versicherungspflichtig beschäftigt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.9.2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin habe im Juni 2005 Einkommen in Höhe von 984,87 EUR gehabt. Ihr Bedarf betrage 755,01 Euro. Die letzte Gehaltszahlung sei ihr im Juni 2005 zugeflossen.

Mit ihrer am 24.10.2005 (Montag) zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, die Tatsache, dass auf den Zufluss abgestellt werde, stelle eine Ungleichbehandlung bei der Anrechnung des Arbeitsentgeltes dar.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.02.2006 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe für den Juni 2005 keinen Anspruch auf Alg II, weil sie in diesem Monat Arbeitseinkommen in Höhe von 984,87 EUR gehabt habe. Dieses sei nach § 11 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i.V.m. § 2 Abs. 2 Alg II-V als laufende Einnahme in dem Monat zu berücksichtigen, in dem das Geld zugeflossen sei. Die Klägerin habe ihr Maigehalt erst im Laufe des Juni 2005 erhalten. Da das Einkommen für Juni den Bedarf übersteige, sei die Klägerin nicht bedürftig gewesen. Die Regelung über die Berücksichtigung des Einkommens im Monat des Zuflusses stelle keine unzulässige Ungleichbehandlung dar. Ein Verstoß gegen den in Art. 3 GG geregelten Gleichheitssatz liege nur vor, wenn der Gesetz- oder Verordnungsgeber ohne sachlichen Differenzierungsgrund einen gleichen Sachverhalt ungleich behandele. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstießen Stichtagsregelungen nicht gegen Art. 3 GG. Der Gesetzgeber habe in § 41 SGB II wegen der bedarfsdeckenden Funktion der Leistungen die Fälligkeit zum Monatsanfang geregelt. Als Konsequenz daraus bestimme § 2 Abs. 2 Alg II-V, dass laufende Einnahmen, zu denen der Lohn der Klägerin gehöre, im Zuflussmonat zu berücksichtigen seien. Die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Berücksichtigung von Einkommen den Monat zugrunde zu legen, entspreche der Realität des Arbeitslebens und sei deshalb sachgerecht. Die Tatsache, dass die Anrechnung als Einkommen vom Zeitpunkt des Zuflusses abhänge, sei die unvermeidbare Folge von Stichtagsregelungen.

Die Klägerin hat gegen den am 15.03.2006 zugestellten Gerichtsbescheid am 13.04.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung nimmt sie auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 21. Februar 2006 und des Bescheides vom 10. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2005 zu verurteilen, ihr für den Monat Juni 2005 Arbeitslosengeld II zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr bisheriges Vorbringen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig; denn die Klägerin begehrt Geldleistungen in Höhe von mehr als 500 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das Rechtsmittel ist sachlich nicht begründet, weil der Klägerin für den Monat Juni 2005 kein Anspruch auf Alg II zusteht. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass die Klägerin in diesem Monat Arbeitseinkommen in Höhe von 984,87 EUR gehabt hat. Dieses ist nach § 11 ...

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