Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistungen. Regelleistung. Leistungen für Unterkunft und Heizung. Rente. Warmwasser. Zuzahlung. Menschenwürde. Sozialstaatsprinzip. Existenzminimum. Gerichtliche Kontrolle

 

Orientierungssatz

Die Höhe der Regelleistungen nach § 20 SGB 2 sowie das Verfahren der Regelsatzbemessung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich auf die Kontrolle, ob der gesetzliche Rahmen eingehalten wurde, ob sich die Regelsatzfestsetzung auf ausreichende Erfahrungswerte stützen kann und ob die der Festsetzung zugrunde liegenden Wertungen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben vertretbar sind.

 

Normenkette

SGB II § 11 Abs. 1, 3, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 2-3, § 22 Abs. 1 S. 1, § 23; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.05.2007; Aktenzeichen B 11b AS 27/06 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.08.2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Alg II), die auf Grund des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) von der Beklagten zu erbringen sind.

Der 1948 geborene, verheiratete Kläger bezog Arbeitslosenhilfe. Seine Ehefrau erhält eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit/Erwerbsminderungsrente in Höhe von 913,91 EUR und eine Betriebsrente in Höhe von 85,00 EUR monatlich. Neben der gesetzlichen Krankenversicherung haben sie eine private Krankenzusatzversicherung abgeschlossen. Zudem haben die Eheleute weitere private Versicherungen (Privathaftpflicht, Kfz-Haftpflicht, Hausrat, Rechtsschutz). Für die Mietwohnung wenden sie 540,06 EUR auf (Kaltmiete: 348,19 EUR, Nebenkosten: 36,35 EUR, Stellplatz/Garage: 5,11 EUR, Heizung und Warmwasser: 18,41 EUR, Kosten für Gas: 91,00 EUR, Stromkosten: 41,00 EUR). Zu berücksichtigendes Vermögen war nicht vorhanden.

Auf Grund seines Antrages vom 13.08.2004 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 23.12.2004 Alg II in Höhe von 147,58 EUR für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005. Auf den Widerspruch hiergegen erläuterte die Beklagte mit Schreiben vom 24.02.2005 die Berechnung der Leistung, insbesondere die Berechnung der zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung, die Anrechnung der von der Ehefrau bezogenen Einkommen und die dabei zu berücksichtigenden Abzugs- und Freibeträge. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 06.05.2005 zurück. Im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft sei die von der Ehefrau bezogene Rente als Einkommen anzurechnen. Für private Versicherungen sei eine Pauschale in Höhe von 30,00 EUR abzuziehen, ein weiterer Abzug für Erwerbstätige sei mangels einer solchen nicht vorzunehmen. Zusätzliche Krankheitsaufwendungen (Praxisgebühr, Medikamentenzuzahlungen) erhöhten den Bedarf nicht, allenfalls käme die Befreiung bei Erreichen der Belastungsgrenze durch die Krankenkasse in Betracht. Ebenso sei die private Krankenzusatzversicherung nicht zu berücksichtigen, der krankheitsbedingte Bedarf sei durch die Versicherungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt, in der beide Eheleute pflichtversichert seien. Weitere Kosten (Kfz-Steuer, Teilkasko, Finanzierung des Kfz) seien nicht bedarfssteigernd anzusetzen. Die Kaltmiete sei zunächst in voller Höhe als Bedarf anzusehen, Heizkosten seien nach einer Auskunft des Gaslieferanten 81,00 EUR monatlich zu zahlen. Nebenkosten fielen in Höhe von 36,35 EUR an. Der mit Bescheid vom 23.12.2004 angesetzte Betrag in Höhe von 478,78 EUR für Unterkunft und Heizung sei daher - selbst unter Berücksichtigung von Kosten für den Stellplatz - auf jeden Fall zutreffend.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Es bestehe ein höherer Bedarf. Die Krankheitsvorsorge der Ehefrau und die Kosten für das Kfz seien in die Berechnung mit einzubeziehen. Der Regelsatz in Höhe von 345,00 EUR monatlich sei verfassungswidrig, er entspreche nicht Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG), das soziokulturelle Existenzminimum sei - wie verschiedene Stimmen aus der Literatur darlegen würden - nicht gedeckt.

Das SG hat mit Urteil vom 17.08.2005 die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Berechnung des Bedarfes und der Berücksichtigung des Rentenbezuges der Ehefrau als Einkommen sowie der hiervon abzuziehenden Beträge hat das SG auf die Ausführung in dem Schreiben vom 24.02.2005 sowie im Widerspruchsbescheid vom 06.05.2005 Bezug genommen. Der nach dem Statistikmodell vom Gesetzgeber in transparenter Weise festgestellte Regelsatz sei verfassungsgemäß, wobei sich der Gesetzgeber sowohl an empirische Daten und Stellungnahmen fachkundiger Verbände gehalten hat, aber auch eigene Fachkenntnisse und Lebenserfahrung mit einbringen konnte und durfte. Dem Gesetzgeber stehe ein weiter Gestaltungsspielraum zu.

Zur Begründung der dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläg...

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