Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Sozialversicherungsfreiheit. Vermittlung der beruflichen Grundbildung in der Form des Berufsgrundbildungsjahres. Versicherungsfreiheit eines Praktikums im späteren Ausbildungsbetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

Erfolgt die Vermittlung der beruflichen Grundbildung in der Form des Berufsgrundbildungsjahres in vollzeitschulischer Form (hier Berufsgrundschuljahr für den Ausbildungsberuf Zimmerer), ist ein während des Schuljahres absolviertes (Pflicht ) Praktikum im späteren Ausbildungsbetrieb auch dann sozialversicherungsfrei, wenn während des Praktikums Entgelt bezahlt wird und der Schüler mit seinem späteren Ausbildungsbetrieb bereits eine Vorvertrag über den späteren Abschluss eines Ausbildungsvertrages abgeschlossen hat.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.05.2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 669,13 Euro festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Nachforderung von insgesamt 669,13 € aufgrund einer Betriebsprüfung unter Berücksichtigung der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen vor und während des Berufsgrundschuljahres (BGJ) als berufsmäßige Beschäftigung von Schülern.

Der Kläger betreibt eine Zimmerei. Mit zwei Jugendlichen, den Beigeladenen zu 7) und 8) hatte er jeweils bereits vor Abschluss eines Berufsausbildungsvertrags im Zimmererhandwerk Vorverträge abgeschlossen.

Der Beigeladene zu 7) besuchte nach dem Abschluss der Realschule zum 31.07.2008 vom 16.09.2008 bis zum 31.07.2009 das Berufsgrundschuljahr (BGJ) der Staatlichen Berufsschule I in A-Stadt. Am 06.03.2008 schloss er mit dem Kläger einen Vorvertrag zum Berufsausbildungsvertrag im Zimmererhandwerk, in dem sich der Kläger verpflichtete, ihn nach Bestehen der Abschlussprüfung der Berufsgrundschule für Zimmerer in ein Berufsausbildungsverhältnis als Zimmererlehrling zu übernehmen. Der künftige Berufsgrundschüler werde während der Zeiten des Berufspraktikums und während der schulfreien Zeit, insbesondere der Ferien, als Praktikant im zukünftigen Ausbildungsbetrieb unterwiesen und erhalte hierfür eine Vergütung, die sich in Anlehnung an die tarifvertraglich festgelegten Ausbildungsvergütungen des Baugewerbes des ersten Lehrjahres geteilt durch 169 Stunden errechne. In der schulfreien Zeit anfallende Praktikantenzeiten würden spätestens drei Wochen vor Ferienbeginn festgelegt (§ 2 des Vorvertrages). § 3 des Vertrages enthält die Pflichten des Berufsgrundschülers (Vorlage einer Lohnsteuerkarte, regelmäßiger Besuch der Berufsgrundschule, Eingehen eines Ausbildungsverhältnisses im Ausbildungsberuf Zimmerer nach Bestehen der Abschlussprüfung an der Berufsgrundschule, Ableisten seiner zukünftigen Praktika im Ausbildungsberuf usw.). Gemäß § 4 wird der Besuch der Berufsgrundschule bei Bestehen der Schulabschlussprüfung mit 12 Monaten auf die Ausbildungszeit im Betrieb angerechnet.

Noch vor Beginn des BGJ arbeitete der Beigeladene zu 7) beim Kläger vom 18.08.2008 bis zum 21.08.2008 als Praktikant. Während des BGJ absolvierte er vier Praktika vom 27.10.2008 bis zum 14.11.2008, vom 30.03.2009 bis zum 03.04.2009, vom 25.05.2009 bis zum 29.05.2009 und vom 02.06.2009 bis zum 10.06.2009 und erhielt für diese Praktika Vergütungen zwischen 98,83 € und 246,22 €. Am 17.08.2009 schloss er mit dem Kläger für die Dauer von drei Jahren ab dem 01.09.2009 einen Ausbildungsvertrag.

Der 1992 geborene Beigeladene zu 8) besuchte das BGJ vom 14.09.2010 bis zum 29.07.2011 und schloss am 26.04.2010 ebenfalls einen Vorvertrag zum Berufsausbildungsvertrag im Zimmererhandwerk mit dem Kläger, vergleichbar mit dem Vertrag des Beigeladenen zu 7). Allerdings war für die Praktika darin keine zwingende Vergütung vorgesehen. Der Beigeladene zu 8) könne danach eine freiwillige Vergütung in Anlehnung an die Ausbildungsvergütung des Baugewerbes erhalten, ohne hierauf einen Anspruch zu haben (§ 2 Abs. 2 und 3 des Vertrages).

Er leistete tatsächlich im Rahmen dieses BGJ - Jahres zwei Praktika beim Kläger ab, und zwar vom 25.10.2010 bis zum 29.10.2010 und vom 08.11.2010 bis zum 13.11.2010, während der er 372 € bzw. 452 € erhielt.

Nach Auskunft der Staatlichen Berufsschule I A-Stadt ist die Ableistung eines vierwöchigen Praktikums während des BGJ Pflicht; die Jugendlichen blieben in dieser Zeit Schüler. Es werde auch kein Praktikantenvertrag geschlossen.

Die Zimmererinnung hat ein "Merkblatt zum Betriebspraktikum von Schülern im BGJ-Zimmerer" herausgegeben, wonach im Rahmen des Betriebspraktikums keine vom Betrieb zu leistende Beitragspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung vorliege. Der Schüler sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung seiner Eltern krankenversichert.

Die Beklagte führte am 01.04.2011 eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 SGB IV bezüglich des Prüfzeitraumes 01.01.2007 bis 31.12.2010 durch und hörte den Kl...

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