Leitsatz (amtlich)

1. Zur Feststellung eines Arbeitsunfalls

2. Prellung eines Armes als Erstschaden

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 2. August 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Mai 2011 aufgehoben und festgestellt, dass es sich bei dem Ereignis vom 9. Januar 2006 um einen Arbeitsunfall handelt.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob es sich bei dem Ereignis vom 9. Januar 2006 um einen Arbeitsunfall handelt.

Die 1964 geborene Klägerin ist Verwaltungsangestellte der Verwaltungsgemeinschaft C-Stadt. Da am 9. Januar 2006 die Heizung in dem Büro defekt war, hatte die Klägerin ihren Wintermantel bei der Arbeit an. Beim Aufstehen von ihrem Bürostuhl verhängte sich der Mantel an der Stuhllehne; die Klägerin stürzte auf den linken Arm. Am Abend habe sie ihren linken Arm nicht mehr schmerzfrei bewegen können. Trotz eines Taubheitsgefühls an der linken Hand sei sie am nächsten Morgen wieder in die Arbeit gegangen. Sie habe den Unfall im Personalbüro mündlich gemeldet.

Am 15. Januar 2006 verspürte sie während eines Spaziergangs Ausfallerscheinungen am rechten Bein. Die auftretenden Behinderungen an der linken Hand hielt die Klägerin, wie sie im Schreiben vom 12. September 2010 mitteilte, für eine Folge ihrer inzwischen festgestellten Multiple Sklerose (MS)-Erkrankung. Sie wurde vom 16. bis 25. Januar 2006 stationär in der Neurologischen Klinik des Klinikums A. wegen einer entzündlichen ZNS-Erkrankung, Erstmanifestation einer MS mit Hemiparese rechts und Hemihypästhesie rechts behandelt.

Eine Unfallanzeige ging erst am 10. August 2010 bei der Beklagten - dem damaligen GUVV - ein. Die Verwaltungsgemeinschaft C-Stadt teilte am 26. Oktober 2010 mit, erstmalig im Februar 2010 durch den Personalrat von einem angeblichen Sturz erfahren zu haben. Die Klägerin habe den Unfall nicht gemeldet.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Sowohl tatsächlich als auch medizinisch fehle ein Hinweis auf ein Unfallereignis und einen daraus resultierenden Körperschaden. Zur Begründung des Widerspruchs legte die Klägerin ein Attest der Allgemeinärztin Dr. L. vom 24. März 2011 vor, wonach die Schilderung des Unfalls vom 9. Januar 2006 glaubwürdig sei. Die Klägerin habe noch Beschwerden in der linken Hand, die vor dem Unfallgeschehen nicht aufgetreten seien. Aus medizinischer Sicht sei das Unfallgeschehen Auslöser dieser Beschwerden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2011 zurück.

Dagegen hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Augsburg erhoben. Sie hat Kopien ihrer Tagebuchblätter vorgelegt. Dort heißt es unter dem Datum des 9. Januar 2006 u.a.:

"Bin mit dem Mangel am Stuhl hängen geblieben und stürzte auf linke Seite. Verdammt tat das weh. Zerriss mir dabei das Innenfutter vom Mantel...." Ferner hat sie sich auf das Attest der Hausärztin gestützt.

Mit Gerichtsbescheid vom 2. August 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In der Gesamtschau blieben deutliche Zweifel am Vorliegen eines Unfalls am 9. Januar 2006. Der Tagebucheintrag stamme aus der Hand der Klägerin und sei somit kein objektives Indiz. Anders als von ihr behauptet habe sie auch den Unfall beim Arbeitgeber nicht zur Anzeige gebracht, sondern erst vier Jahre später.

Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin eine Erklärung ihrer Schwester vom 28. September 2011 vorgelegt. Hierin berichtet diese, ihre Schwester (die Klägerin) sei am 9. Januar 2006 von der Arbeit nach Hause gekommen. Sie habe den linken Arm nicht mehr nach hinten bewegen können und habe über Beschwerden am linken Ellenbogen und an der linken Hand geklagt. Sie habe von dem Sturz im Büro berichtet. Da sie von einer Prellung ausgegangen sei, habe sie - die Schwester - ihr einen Voltarenfolienverband angelegt und eine Schmerztablette verabreicht. Ferner diagnostizierte der Neurologe Dr. G. am 30. April 2009 einen Verdacht auf ein Kubitaltunnelsyndrom rechts.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 16. November 2011 die Ansicht vertreten, dass, selbst wenn man ein Unfallereignis annehmen würde, ein Erstschaden mit der dafür notwendigen Gewissheit nicht zu beweisen sei.

Die Klägerin hat eine Erklärung der Frau C. (Raumpflegerin der Stadt C-Stadt) vom 29. Dezember 2011 vorgelegt. Sie könne sich erinnern, dass ihr die Klägerin am Abend in ihrem Büro vom Ausfall der Heizung und dem Sturz berichtet habe. Diese habe ihr den Mantel gezeigt. Das Innenfutter des Mantels sei zerrissen gewesen und die Klägerin habe über Schmerzen am linken Arm berichtet.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass die Angaben in gleicher oder ähnlicher Weise bereits mehrfach aktenkundig dokumentiert seien. Der Nachweis eines Unfallereignisses sowie ein unfallbedingter Erstkörperschaden seien nicht erbracht.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlu...

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