Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung. Einkommen. Einmalige Einnahme. Zufluss. Freiwillige Versicherung. Ausgaben. Besondere Härte

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei einer Abfindung handelt es sich um eine einmalige Einnahme i.S.v. § 2 Abs. 3 Alg II-VO.

 

Normenkette

SGB II § 11 Abs. 2; Alg II-VO § 2 Abs. 3

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 05.10.2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Alg II streitig.

Das Arbeitsverhältnis des 1967 geborenen Kläger zu 1. wurde vom Arbeitgeber zum 30.06.2005 gekündigt. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage 4 Ca 1819/05 schlossen die Beteiligten am 11.07. 2005 vor dem Arbeitsgericht R. einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung zum 30.06.2005 endet und der Arbeitgeber an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine soziale Abfindung gemäß §§ 9, 10 Kündigungsschutzgesetz, 3 Nr.9 EStG in Höhe von 3.500,00 Euro zahlt.

Der Kläger zu 1. erhielt ab 01.07.2005 Alg I in Höhe von täglich 23,04 Euro. Den Antrag auf Bewilligung von Alg II vom 01.07.2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.08.2005 mit der Begründung ab, die Kläger seien nicht hilfebedürftig. Auf den Gesamtbedarf von 2.091,94 Euro rechnete sie das Nettoerwerbseinkommen nach Abzug des Freibetrages in Höhe von 857,56 Euro, das Alg I von 691,20 Euro und das Kindergeld von 820,00 Euro, insgesamt 2.338,76 Euro an. Für August stellte sie dem Gesamtbedarf wiederum das Alg I von 691,20 Euro, das Kindergeld von 820,00 Euro und die Abfindung von 3.500,00 Euro gegenüber. Mit Bescheid vom 14.09.2005 stellte sie fest, dass wegen der Abfindung von 3.500,00 Euro, die im August zugeflossen war, der Lebensunterhalt in der Zeit vom 01.08.2005 bis 18.01.2006 bestritten werden könne. Den Widerspruch, mit dem geltend gemacht wurde, die Abfindung sei nicht Einkommen, sondern Vermögen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2005 als unbegründet zurück. Für die Zeit ab 01.08.2005 seien auf den Gesamtbedarf von 2.091,94 Euro zunächst das Alg I und das Kindergeld, verringert um die Versicherungspauschale von monatlich 30,00 Euro, insgesamt 1.481,20 Euro, anzurechnen, so dass ein Bedarf von 610,74 Euro monatlich und - geteilt durch 30 - 20,36 Euro täglich verbleibe. Mit der einmaligen Einnahme von 3.500,00 Euro sei somit dieser tägliche Bedarf für einen Zeitraum von 171 Tagen gedeckt.

Die hiergegen erhobene Klage S 8 AS 23/06 hat das Sozialgericht Regensburg (SG) für die Zeit ab 11.11.2005, für die der Kläger erneut Antrag auf Alg II gestellt hatte, woraufhin die Beklagte für die Zeit ab 19.01.2006 Alg II bewilligte, abgetrennt. Die den Zeitraum vor dem 11.11.2005 betreffende Klage hat es mit Urteil vom 20.04.2006 abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung L 7 AS 149/06 haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.02.2007 zurückgenommen.

Im Rahmen des den Anspruch ab 11.11.2005 betreffenden Klageverfahrens S 8 AS 208/06 haben die Kläger geltend gemacht, die Abfindungssumme sei am 11.11.2005 verbraucht gewesen. Der Kläger zu 1. habe an einen L., bei dem er Schulden gehabt habe, 2.000,00 Euro gezahlt. Weiterhin habe er Schulden beglichen aus Darlehen, die er für den Kauf einer Waschmaschine und eines Herdes aufgenommen habe. Für die Beschaffung von Reisepässen für Familienmitglieder habe er 228,00 Euro aufgewendet. In den Monaten September bis November habe er insgesamt 189,00 Euro an den Kinderhort zahlen müssen, für die schulpflichtigen Kinder habe er für Büchergeld 40,00 Euro gezahlt; für die drei schulpflichtigen Töchter habe er für neue Kleider ca. 200,00 Euro ausgegeben. Anlässlich eines Besuches der Ehefrau und der fünf Kinder bei den Eltern und Schwiegereltern im Kosovo in der Zeit vom 01.08. bis Anfang September 2005 seien Fahrtkosten in Höhe von 496,00 Euro und Verpflegungsgeld von ca. 100,00 Euro angefallen.

In der mündlichen Verhandlung am 05.10.2006 hat das SG die Angaben des Klägers zu 1. zu Protokoll genommen und L. als Zeuge vernommen; bezüglich der Angaben und Aussage wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.

Mit Urteil vom 05.10.2006 hat das SG die Beklagte verurteilt, für die Zeit vom 11.11.2005 bis 18.01.2006 Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der Abfindung zu gewähren. Zur Überzeugung des Gerichts habe der Kläger zu 1. dem Zeugen am 15.09.2005 2.000,00 Euro zur Begleichung von Schulden überwiesen. Die zunächst genannte Zahlung von 228,00 Euro für die Ausstellung von Pässen sei bereits im Juli 2005 erfolgt. Wenn auch die Erfüllung von Schuldverpflichtungen und sonstiger Verbrauch vorhandener Mittel an sich keinen Einfluss auf das zu berücksichtigende Einkommen habe und grundsätzlich die Deckung des eigenen Bedarfs Vorrang vor einer Sch...

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