Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Feststellung des Einkommens. Nichtberücksichtigung von nach Ablauf des Bemessungszeitraums zugeflossenen Gehaltsnachzahlungen. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Gehaltsnachzahlungen, die lange nach Ablauf des Bemessungszeitraums zufließen (hier: im Oktober 2007 für die 2. Hälfte des Jahres 2006), sind im Rahmen der Elterngeldberechnung bei der Ermittlung des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens nicht zu berücksichtigen.

2. Die Nichteinbeziehung der nach Ende des Bemessungszeitraums zugeflossenen Lohnnachzahlungen steht mit Art 6 und dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG im Einklang.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.08.2011; Aktenzeichen B 10 EG 5/11 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 3. Juli 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die notwendigen Auslagen der Klägerin in beiden Rechtszügen sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf einen höheren Elterngeldzahlbetrag für den ersten bis zwölften Lebensmonat.

Die Klägerin ist die Mutter des 2007 geborenen Kindes R.

In ihrem am 5. März 2007 eingegangenen Antrag auf Gewährung von Elterngeld schilderte sie bereits, dass der Erziehungsurlaub für ihr erstes Kind am 28. Mai 2006 zu Ende gegangen und sie ab Juni 2006 in einer Arztpraxis wieder abhängig beschäftigt gewesen sei. Ihr sei jedoch gekündigt worden. Sie habe Kündigungsschutzklage erhoben mit dem Ziel der Nachzahlung des Gehaltes bis zum Beginn der Mutterschaftsfreistellung.

Mit Bescheid vom 28. März 2007 bewilligte der Beklagte Elterngeld für zwölf Monate in Höhe von monatlich 300,00 EUR. Die Berechnung ging von einer Einkommenserzielung im Bemessungszeitraum vom Februar 2006 bis Januar 2007 nur im Monat Juni 2006 aus (kein Mutterschaftsgeld-Bezug).

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und wies auf die Kündigungsschutzklage hin, die beim Arbeitsgericht A-Stadt noch anhängig sei. Diese könnte ergeben, dass für die Monate Juli bis Januar 2006 Arbeitseinkommen nachgezahlt werde.

Der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 14. September 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass selbst bei positivem Ausgang des Arbeitsgerichtsprozesses sich kein höheres Elterngeld ergebe. Die dann zu leistende Nachzahlung wäre aufgrund des Zuflussprinzips des Steuerrechtes und gemäß § 38a Abs.1 Satz 3 EStG nicht für den Bemessungszeitraum des Elterngeldes zu berücksichtigen.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben.

Die Klägerin weist darauf hin, dass sie einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf ein Bruttogehalt von 2.306,70 EUR seit Juni 2006 gehabt habe, der ab Juli rechtswidrig nicht erfüllt worden sei. Sie habe mittlerweile ihren Prozess vor dem Arbeitsgericht A-Stadt beendet und der Arbeitgeber habe die Gehälter im Oktober 2007 nachbezahlt. Es sei nunmehr auch für Juli und die Folgemonate von einem steuerpflichtigen Bruttolohn von 2.097,00 EUR auszugehen. Ausweislich der Niederschrift des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 5. September 2007 ist mit dem Arbeitgeber ein Vergleich dahingehend geschlossen worden, dass das Ende des Arbeitsverhältnisses zum Beginn der Elternzeit abgerechnet wird und das Arbeitsentgelt unter Gegenrechnung bezogenen Arbeitslosengelds nachgezahlt wird. Die im Oktober 2007 erstellten Lohnabrechnungen wurden ebenfalls vorgelegt.

Mit Urteil vom 3. Juni 2008 verurteilte das Sozialgericht München den Beklagten, der Klägerin unter Abänderung der angefochtenen Bescheide Elterngeld für die Tochter R. für den ersten bis zwölften Lebensmonat unter Zugrundelegung eines Bruttoeinkommens aus nichtselbständiger Arbeit für den Zeitraum Juni 2006 bis Dezember 2006 von 14.888,70 EUR unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Abzüge sowie der Anrechnungsvorschrift des § 3 BEEG zu gewähren.

Zur Begründung führt das Sozialgericht aus, dass die Kündigung durch den Arbeitgeber im Hinblick auf die Schwangerschaft ausgesprochen worden sei. Sinn und Zweck des § 2 Abs.1 BEEG sei es, die durchschnittlichen Verhältnisse im Jahr vor der Geburt bestmöglich abzubilden. Der Gesetzgeber habe dabei den Zweck verfolgt, gerade schwangerschaftsbedingte Umstände der Anspruchsstellerin bei der Berechnung des Elterngeldes nicht zum Nachteil werden zu lassen. In diesem Sinne sei auch die Regelung des § 2 Abs.7 Satz 6 BEEG zu verstehen, wonach Kalendermonate, in denen während der Schwangerschaft wegen einer maßgeblich auf die Schwangerschaft zurückzuführenden Erkrankung Einkommen aus Erwerbstätigkeit ganz oder teilweise wegfällt, bei der Bestimmung des Bemessungszeitraumes nicht zu berücksichtigen sei. Im vorliegenden Fall sei es im Zusammenhang mit einer kündigungsschutzwidrigen Kündigung während der Schwangerschaft zu einer erst verzögerten Gehaltsauszahlung für die Monate Juli 2006 bis Dezember 2006 nach Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleic...

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