Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. mehrtägige Klassenfahrt. Auslegung des Klassenfahrtsbegriffs

 

Orientierungssatz

Der Begriff der Klassenfahrt nach § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 ist weit auszulegen, sodass auch von der Schule durchgeführte (mehrtägige) Studienfahrten, Kurs- und Jahrgangsfahrten, Schüleraustausch und Schulskikurse darunter fallen. Auf eine drohende Ausgrenzung von Schülern, insbesondere darauf, ob die Mehrzahl der Schüler aus dem Klassenverband bzw der Jahrgangsstufe an der Veranstaltung teilnimmt, kommt es ebenso wenig an wie auf den mit der Klassenfahrt verfolgten - ggf pädagogischen - Zweck.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 09.06.2006 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Kostenübernahme für einen Schulskikurs.

Der 1992 geborene Kläger, der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, besuchte im Jahr 2005 die 7. Klasse der H.-Schule in K. . Vom 11.12. bis 16.12.2005 führte die H.-Schule für die 7. Klassen einen Schulskikurs durch. Der Schulskikurs wurde nach Auskunft der Schulleitung gemäß den Bestimmungen der Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 21.11.2002 Nr. V/6-K 7411-3/126 112 o.V., den gesetzlichen Vorgaben des § 22 Schulordnung für die Volksschulen in Bayern (Volksschulordnung -VSO-) sowie den amtlichen Lehrplänen als Klassenfahrt bestimmt. Die Teilnahmegebühr betrug 210,00 EUR inkl. Fahrt, Vollverpflegung und Skipass; zusätzlich waren 15,00 EUR Snowboardkursgebühr und 20,00 EUR Leihgebühr für die Snowboardausrüstung zu bezahlen, insgesamt also 245,00 EUR.

Mit Bescheid vom 20.10.2005 lehnte die Beklagte den Antrag vom selben Tag auf einmalige Beihilfe in Höhe von 245,00 EUR für den Schulskikurs ab. Einmalige Beihilfe nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) werde nur gewährt, wenn die Nichtteilnahme an einer Klassenfahrt einen Schüler benachteilige und aus dem Klassenverband ausgrenze. Nach den Richtlinien des Landkreises K. (als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II) erfolge eine Ausgrenzung regelmäßig nicht, wenn der Klassenverband nicht in voller Stärke an der Klassenfahrt teilnehme. Dies sei hier der Fall.

Den Widerspruch vom 03.11.2005 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2005 als unbegründet zurück. Die Richtlinien des Landkreises K. seien für die ARGE bindend. Nachdem an dem Schulskikurs nicht einmal die Hälfte der Mitschüler aus der Klasse des Klägers teilnehme, könne es zu keiner Ausgrenzung aus dem Klassenverband kommen. Auch werde das Ziel der gemeinsamen Veranstaltung, die Förderung des Gruppenzusammenhaltes und der sozialen Fähigkeiten, nicht erreicht. Die Richtlinie sehe zudem nur eine Pauschale vor (Höchstsatz 120,00 EUR).

Der Kläger nahm in der Folge an dem Schulskikurs teil. Die Großmutter des Klägers gewährte ihm für die Teilnahme ein Darlehen in Höhe des Gesamtbetrages von 245,00 EUR; sie möchte den Betrag zurückerstattet haben. Von der Klasse des Klägers, die 27 Schüler umfasst, beteiligten sich nach Auskunft der Schulleitung am Skikurs neun Schüler.

Auf Klage vom 08.12.2005 verurteilte das Sozialgericht Bayreuth (SG) die Beklagte mit Urteil vom 06.09.2006, die Kosten für die Teilnahme am Schulskikurs vom 11.12.2005 bis 16.12.2005 in Höhe von 245,00 EUR zu übernehmen. Bei dem Schulskikurs handle es sich um eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Der Begriff der Klassenfahrt sei weit auszulegen. Er umfasse daher auch den Schulskikurs, an dem der Kläger teilgenommen hat. Der Schulskikurs liege auch im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen. Die Höhe der Kosten von 245,00 EUR seien nachgewiesen. Soweit der Landkreis K. Richtlinien für den Vollzug des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II erlassen habe, sei dies nicht rechtmäßig. Der Landkreis habe weder eine Kompetenz zum Richtlinienerlass noch sei eine Pauschalierung für Klassenfahrten im SGB II vorgesehen. Das SG ließ die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Gesetzeszweck des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II sei es - in Übereinstimmung mit der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts -, eine Ausgrenzung aus dem Klassenverband und eine Stigmatisierung der Kinder zu vermeiden. Allein die Frage der Ausgrenzung eines hilfebedürftigen Schülers sei daher maßgeblich. Von der Klasse des Klägers hätte nur eine Minderheit teilgenommen, so dass von einer Ausgrenzung des Klägers nicht die Rede sein könne.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 09.06.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt sinngemäß,

die Beruf...

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