Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenübernahme. Krankentransport. Verlegung in ein anderes Krankenhaus wegen Durchführung einer bestimmten Behandlung aus religiösen Gründen. Hubschraubertransport

 

Orientierungssatz

Kosten eines Hubschraubertransports in eine anderes Krankenhaus wegen eines aus religiösen Gründen (Angehöriger der Zeugen Jehovas) vom Versicherten geäußerten Wunsches nach Durchführung einer ganz bestimmten Behandlung, abweichend von der medizinischen Notwendigkeit, sind nicht zu erstatten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.11.2007; Aktenzeichen B 1 KR 11/07 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Kostenerstattung für einen Hubschraubertransport in Höhe von 4.950,00 Euro.

Der 1958 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger ist Mitglied der Zeugen Jehovas. Am 14.04.2002 wurde er wegen thoracaler Schmerzen zur Notfallbehandlung in die Klinik V. (A.) gebracht und von dort an das Klinikum A. (I. Medizinische Klinik Kardiologie, Pneumologie) überwiesen. Im Klinikum wurde u.a. die Diagnose Aortendissektion Typ A mit Beteiligung beider Karotiden und Nierenarterien sowie Aortenklappeninsuffizienz gestellt und eine Notfalloperation für erforderlich gehalten. Der Kläger stimmte als Zeuge Jehovas einer Gabe von Blutprodukten nicht zu, worauf die Herzchirurgische Klinik eine Operation für nicht möglich hielt. Auch das Klinikum G. (M.) lehnte eine Operation ohne Fremdblut ab.

Nach Rücksprache der Klinik mit Prof. Dr. S. (Klinikum F.), der eine Operation auch ohne Gabe von Bluttransfusionen durchzuführen bereit war, wurde der Kläger am 15.04.2002 abends (20.40 Uhr) mit einem Hubschrauber nach F. geflogen und kurz darauf am 16.04.2002 um 1.45 Uhr erfolgreich operiert . Nach Auskunft von Prof. Dr. B. (Klinikum A.) wurde der Hubschraubertransport nach Rücksprache mit Prof. Dr. S. und mit der Herzchirurgischen Klinik (Klinikum A.) von dem Krankenhaus-Verbindungskomitee der Zeugen Jehovas veranlasst. Ein bodengebundener Transport sei nicht möglich gewesen. Der Kläger verblieb in der Klinik bis 25.04.2002. Die Firma MD M. (Gesellschaft für medizinische Serviceleistungen mbH) forderte mit der Rechnung vom 17.04.2002 vom Kläger für den Hubschraubertransport 4.950,00 Euro.

Am 09.07.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme dieser Kosten sowie für die Rückfahrt von F. nach A. mit einem privaten Pkw. Mit Bescheid vom 06.09.2002 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für den Hubschraubertransport ab; hiergegen legte der Kläger am 21.11.2002 Widerspruch ein. Sie lehnte mit dem weiteren Bescheid vom 16.12.2002 die Kostenübernahme ein weiteres Mal ab; auch wenn den religiösen Bedürfnissen der Versicherten Rechnung zu tragen sei, betreffe diese Regelung nur die vertragliche Auswahl der Leistungsanbieter, gebe jedoch nicht zwingend dem einzelnen Versicherten einen Anspruch auf Kostenübernahme. Hiergegen legte der Kläger gleichfalls am 17.01.2003 Widerspruch ein.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2003 den Widerspruch zurück. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beschränke sich die Erstattungspflicht der Kasse auf den Teil der Fahrkosten, der ausschließlich und unmittelbar durch die Krankheit selbst bedingt ist. Eine medizinische Notwendigkeit für den Helikopterflug von A. nach F. habe nicht vorgelegen. Es sei auch seitens des Klinikums A. keine Verordnung für den Hubschraubertransport ausgestellt worden. Vielmehr sei der Flug vom Krankenhaus-Verbindungskomitee der Zeugen Jehovas veranlasst worden, da der Kläger die in A. vorgesehene Operation mit Fremdblut aus religiösen Gründen abgelehnt hat.

Hiergegen hat der Kläger am 21.03.2003 beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben. Unstreitig sei die Beklagte der Verpflichtung nachgekommen, im Katalog der Leistungserbringer auch solche aufzunehmen, die den religiösen Bedürfnissen verschiedenen Bevölkerungsgruppen gerecht werden. Es müsse aber den Patienten auch möglich sein, das breit gefächerte Leistungsspektrum in Anspruch zu nehmen. Hierzu gehöre, dass eine entsprechende Einlieferung in ein vom Kläger gewähltes Krankenhaus erfolgen kann, insbesondere dann, wenn dies aus religiösen Gründen für den Patienten notwendig ist. Aus diesen Gründen müssen auch entsprechende Transportleistungen zum nächst gelegenen Haus, soweit sie medizinisch notwendig sind, vom Versicherungsschutz umfasst sein.

Der von der Beklagten gehörte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) ist nach Beiziehung der Krankenhausunterlagen des Klinikums F. in der Stellungnahme vom 29.07.2003 zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem Kläger ein Notfall vorgelegen habe; das Krankheitsbild sei schwerwiegend und mit einer vitalen Bedrohung für den Versicherten verbunden gewesen. In einer solchen Situation sei ein Krankentransport mit einem ...

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