Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Höhe der Rentenanpassung für das Jahr 2010

 

Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung des aktuellen Rentenwerts zum 1. Juli 2010 durch § 1 Abs. 1 der Rentenwert Bestimmungsverordnung 2010 entspricht dem einfachen Recht und verletzt auch kein Verfassungsrecht (Anschluss LSG Stuttgart, 15. November 2011, L 11 R 267/11).

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 15. März 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Rentenanpassung für das Jahr 2010.

Die Beklagte gewährt dem im Mai 1935 im L. geborenen Kläger seit Juli 1997 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit.

Sie übersandte dem Kläger eine Rentenanpassungsmitteilung zum 01.07.2010, wonach der maßgebende Betrag des neuen aktuellen Rentenwerts für die Zeit ab Juli 2010 unverändert bleibe.

Dagegen erhob der Kläger am 26.07.2010 Widerspruch und forderte die Anhebung um mindestens 1,2 Prozent. Die Nichtanpassung der Renten verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes und gegen die allgemeinen Menschenrechte, weil ehemalige Beamte in diesem Jahr eine Erhöhung ihrer Pension um durchschnittlich 1,2 Prozent erhielten. Die Unterschiede in den Altersvorsorgesystemen beruhten ausschließlich auf zwei willkürlichen politischen Entscheidungen nach 1945 (Beibehaltung alter Strukturen aus den Zeiten des Feudalstaats des 19. Jahrhunderts und Umstellung der gesetzlichen Rentenversicherung von der Kapitaldeckung auf das Umlageverfahren). Diejenigen, die über das Rentenrecht beschließen, es umsetzen und über es Recht sprechen würden, hätten für sich selbst wesentlich bessere Regelungen zur Altersversorgung geschaffen. Leistungen, die für Rentner und für Pensionäre gezahlt würden, müssten von derselben erwerbstätigen Bevölkerung erwirtschaftet werden, wobei für Pensionen alle Erwerbstätigen aufkommen müssten, für Renten dagegen nur die Arbeitnehmer. Deshalb müsse seine Altersrente rückwirkend zum 1. Juli 2010 um mindestens 1,2 Prozent angehoben werden.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2010 zurückgewiesen.

In der Rentenwertbestimmungsverordnung 2010 (BGBl I, S. 816) sei der aktuelle Rentenwert zum 1. Juli 2010 neu bestimmt worden. Daraus ergebe sich keine Erhöhung des Rentenbetrages. Das Bundessozialgericht habe durch zwei Urteile (vom 27.03.2007 - B 13 R 37/06 R und vom 20.12.2007 - B 4 RA 9/05 R, B 4 RA 32/05 R und B 4 RA 51/05 R) bestätigt, dass durch die Aussetzung der gesetzlichen Rentenanpassungen Grundrechte nicht verletzt würden. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Kammerbeschluss vom 26.07.2007 (1 BvR 824/03, 1 BvR 1247/07) die gegen die Aussetzung der Rentenanpassung zum 01.07.2004 gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Gestützt auf diese Entscheidungen werde auch jetzt die Aussetzung der Rentenanpassung zum 01.07.2010 als rechtmäßig angesehen.

Hiergegen hat der Kläger am 24.09.2010 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Es sei unstrittig, dass die Beklagte nach den vorgegebenen Gesetzen gehandelt habe. Es liege aber ein Verstoß gegen Artikel 3 und 14 GG vor, da die Rentenanpassung unterhalb der Inflationsrate liege, obwohl die Lohn- und Gehaltsentwicklung der aktiven Versicherten wenigstens eine Anpassung nach Inflationsrate zulasse. Insoweit wirke die existenzsichernde Funktion des individualgrundrechtlichen Renteneigentums. Auch werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil Pensionäre eine angemessene Erhöhung ihrer Bezüge um durchschnittlich 1,2 Prozent erhalten hätten, Rentner hingegen eine weitere Nullrunde hinnehmen müssten. Die Aufteilung der Bevölkerung auf verschiedene Altersvorsorgesysteme gehe auf vordemokratische Zeiten zurück. Seit 1981 habe das Bundesverfassungsgericht keine Verfassungsbeschwerde zum Thema Rentenhöhe zur Entscheidung angenommen, hingegen mindestens fünf Vorlagen bzw. Beschwerden zum Thema Beamten- und Richterpensionen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei rechtsstaatlich bedenklich, weil sie indirekt eine erhebliche finanzielle Entlastung u.a. von Beamten und Richtern auf Kosten der Versichertengemeinschaft bewirke. Die Bundesregierung habe bestätigt, dass die nicht durch Bundeszuschüsse gedeckten versicherungsfremden Leistungen in der Sozialversicherung sich auf derzeit rund 65 Milliarden Euro beliefen. Würden alle versicherungsfremden Leistungen in vollem Umfang zum Beispiel durch Steuern aus Erwerbseinkommen finanziert, müssten alle Erwerbstätigen (einschließlich Verfassungsrichter, Beamte, Politiker, Mitglieder von Versorgungswerken) einen Aufschlag von durchschnittlich rund 50 % auf ihre Einkommenssteuer hinnehmen. Arbeitnehmer und Rentner würden dafür bei den Beiträgen entsprechend entlastet, Rentner könnten entsprechend höhere Renten beziehen. Entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts könn...

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