Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Verpflichtung zur Teilnahme am Notfall- bzw Bereitschaftsdienst ist verfassungsgemäß. kein Verstoß gegen Aufteilung in haus- und fachärztliche Versorgung

 

Orientierungssatz

1. Die Verpflichtung zur Teilnahme am Notfall- bzw Bereitschaftsdienst ist mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben der beruflichen Betätigungsfreiheit vereinbar.

2. Bei der Durchführung des Notfalldienstes handelt es sich um eine gemeinsame Aufgabe aller Vertragsärzte mit der Folge, dass auch alle Vertragsärzte zur Mitwirkung heranzuziehen sind und zwar in einer alle gleichmäßig belastenden Weise. Die Pflicht zur Teilnahme am Notfalldienst folgt aus der Zulassung als Vertragsarzt. Hierin kann insbesondere kein Verstoß gegen die in § 73 Abs 1 und Abs 1a SGB 5 enthaltene Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in eine hausärztliche und eine fachärztliche Versorgung gesehen werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.09.2006; Aktenzeichen B 6 KA 43/05 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. April 2004 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung seiner Befreiung von der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst. Der Kläger ist Dermatologe mit der Zusatzbezeichnung Phlebologie und nimmt im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis mit seiner Ehefrau Dr. C. D., Dermatologin mit der Zusatzbezeichnung Allergologie, in Bad K. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Der Vorstand der Beklagten hat in seiner Vorstandssitzung am 19. April 2002 beschlossen, dass die Dermatologen nicht am ärztlichen Bereitschaftsdienst gemäß § 1 Abs.2 Satz 2 der Bereitschaftsdienstordnung (BDO) a.F. (in der Fassung vom 27. Januar 2001) teilnehmen müssen. Dem Beschluss ging eine kontroverse Diskussion voraus. Auf der einen Seite leide die Qualität des Bereitschaftsdienstes, wenn Ärzte an ihm teilnehmen würden, die aufgrund ihrer Spezialisierung von der Allgemeinmedizin zu weit entfernt seien. Andererseits müsse eine Grenze gezogen werden. Gerade kleinere Dienstgruppen würden darunter leiden, wenn zu viele Facharztgruppen von dem hausärztlichen Bereitschaftsdienst ausgenommen würden. Zu beachten sei dabei auch, dass die neue Bereitschaftsdienstordnung mehr Entscheidungen in die Zuständigkeit der Gruppe stellen wolle. Von diesem Beschluss wurden die Vertragsärzte mit Landesrundschreiben 3/02 in Kenntnis gesetzt. Der Kläger teilte daraufhin mit Schreiben vom 11. Juli 2002 der Beklagten mit, dass er im Hinblick auf den Beschluss des Vorstandes der Beklagten vom 19. April 2002 als Dermatologe nicht mehr am hausärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen wolle.

Mit Schreiben vom 1. August 2002 an den Obmann der Bereitschaftsdienstgruppe Bad K. (Gruppe Nr.218) Dr. R. B. hat die Beklagte diesem mitgeteilt, dass der Kläger nicht mehr der Bereitschaftsdienstgruppe Bad K. zugeordnet werde. Mit Schreiben der Beklagten ebenfalls vom 1. August 2002 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Obmann der Bereitschaftsdienstgruppe Nr.218 darüber informiert worden sei, dass er nicht mehr am hausärztlichen Bereitschaftsdienst teilnehmen wolle und er deswegen nicht mehr eingeteilt werde. Gegen den Beschluss des Vorstandes der Beklagten gab es von Seiten des Bayer. Landesverbandes der deutschen Dermatologen erhebliche Vorbehalte (vgl.Schreiben von Dr. D. vom 23. August 2002). Daraufhin wurde das Thema Befreiung der Dermatologen vom ärztlichen Bereitschaftsdienst auf die Tagesordnung der Vorstandssitzung der Beklagten vom 29. September 2002 gesetzt. Im Hinblick auf das Schreiben von Dr. D. vom 23. August 2002, in dem aus Sicht der Dermatologen Qualitätsgesichtspunkte nicht als Grundlage für eine Befreiung der Dermatologen vom ärztlichen Bereitschaftsdienst herangezogen werden könnten, wurde der Vorstandsbeschluss der Beklagten vom 19. April 2002 aufgehoben und die Befreiung der Dermatologen vom ärztlichen Bereitschaftsdienst wieder rückgängig gemacht. Von diesem Beschluss wurden alle Dermatologen in Bayern mit Schreiben der Beklagten vom 14. Oktober 2002 in Kenntnis gesetzt. Durch die Argumentation des Berufsverbandes, die der Vorstand der Beklagten wegen Fachnähe nicht habe außer Acht lassen können, sei die Grundlage für eine Befreiung entfallen und in der Folge müssten wieder alle Dermatologen zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet werden. Mit Schreiben vom 31. Oktober 2002 an den Obmann der Bereitschaftsdienstgruppe Bad K., Dr. B., wurde diesem mitgeteilt, dass u.a. der Kläger wieder der Bereitschaftsdienstgruppe Bad K. zugeteilt würde und dies bei der nächsten Dienstplaneinteilung zu berücksichtigen sei. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2002 an den Kläger wurde diesem mitgeteilt, dass er nach der neuen Beschlusslage gemäß § 1 Abs.2 Satz 1 BDO a.F. i.V.m. § 1 Abs.4 Satz 1 BDO a.F. wieder zur Teilnahme am hausärztlichen Bereitschaftsdienst verpflichtet sei. Hie...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge