Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Abgabe eines Formulars beim Arbeitgeber. Vorausbescheinigung gem § 194 SGB 6. gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

Die Abgabe eines Formulars beim Arbeitgeber, um eine sog Vorausbescheinigung für die Gewährung von Altersrente zu erwerben, steht nicht unter Versicherungsschutz.

 

Orientierungssatz

Dass die Gewährung von Altersrente zugleich Voraussetzung für die Gewährung von Betriebsrente ist und dass sich der Arbeitgeber möglicherweise bei fehlerhafter oder verspäteter Ausstellung dieser Vorausbescheinigung schadensersatzpflichtig machen könnte, rechtfertigt kein anderes Ergebnis.

Auch die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, die Vorausbescheinigung auszustellen oder die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer sieht der Senat im vorliegenden Fall nicht als ausreichend an, um den erforderlichen Zusammenhang mit dem Unternehmen ausreichend zu begründen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.05.2012; Aktenzeichen B 2 U 8/11 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 29. März 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Feststellung, dass der Unfall vom 05.05.2006 ein Arbeitsunfall ist.

Die 1946 geborene Klägerin, zum Unfallzeitpunkt in der Freistellungsphase auf Grund vereinbarter Altersteilzeit bei der Firma S., erlitt am 05.05.2006 einen Unfall, als sie bei ihrem Arbeitgeber auf einer Treppe stolperte und auf das linke Handgelenk stürzte. Sie erlitt einen Speichenbruch am linken Unterarm.

Die Klägerin wollte ein Formular für eine sog. Vorausbescheinigung bei ihrem Arbeitgeber abgeben, die für die nahtlose Gewährung von Rente wegen Alters erforderlich ist und beim Rentenversicherungsträger vorzulegen ist. Die Klägerin teilte der Beklagten mit, dieses Formular müsse auf Verlangen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber ausgefüllt werden.

Mit Bescheid vom 17.08.2006 lehnte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ab. Von einer versicherten Tätigkeit sei nicht auszugehen, da die Bescheinigung benötigt werde, damit die Deutsche Rentenversicherung die Altersrente berechnen könne. Es sei von einem erheblichen eigenwirtschaftlichen Interesse auszugehen.

Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, sie habe ihren Arbeitgeber aufgesucht, um eine korrekte Ausfüllung des Formulars für die Vorausbescheinigung zu erreichen. Das Formular sei bereits einmal vom Arbeitgeber fehlerhaft ausgestellt worden. Die Klägerin habe sich persönlich auf das Betriebsgelände begeben, um die Ausfüllung des komplizierten Formulars direkt mit dem zuständigen Sachbearbeiter des Arbeitgebers, auch unter Einbeziehung von erforderlichen Angaben der Klägerin, vorzunehmen. Da dieser jedoch nicht anwesend gewesen sei, habe man der Klägerin empfohlen, das Formular beim Pförtner abzugeben. Die Ausfüllung des Formulars sei zudem erforderlich gewesen, um ihren Anspruch auf Betriebsrente nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durchzusetzen. Wäre das Formular nicht oder nicht korrekt bzw. rechtzeitig durch den Arbeitgeber ausgefüllt worden, so wären der Klägerin Rentenansprüche verlorengegangen. Dieser Schaden hätte dann gegen den Arbeitgeber geltend gemacht werden müssen. Um diesen Schaden zu vermeiden und um eine ordnungsgemäße Abrechnung der Betriebsrente zu gewährleisten, habe ein wesentliches Interesse des Arbeitgebers bestanden. Selbst wenn man von einer sog. gemischten Tätigkeit ausgehen würde, hätte die Tätigkeit der Klägerin auch dem Arbeitgeber wesentlich gedient.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe vorrangig, wenn nicht sogar ausschließlich gehandelt, um eine Festsetzung ihrer Altersrente zu ermöglichen. Es handele sich insoweit um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Zwar habe das Bayerische Landessozialgericht (BayLSG) Versicherungsschutz angenommen, wenn eine sich im Mutterschutz befindliche Arbeitnehmerin auf dem Wege zur Arbeitsstelle zwecks Abgabe der Lohnsteuerkarte verunfalle (Az.: L 3 U 151/85). Dies sei jedoch mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Bei der Lohnsteuerkarte sei der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet, diese beim Arbeitgeber abzugeben. Vorliegend sei die Bescheinigung jedoch erforderlich gewesen, um die Altersrente festzusetzen. Dieser Umstand sei dem privaten unversicherten Lebensbereich zuzurechnen.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid vom 17.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2006 (richtig: 17.01.2007) aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 17.01.2007 ein Arbeitsunfall ist.

Mit Gerichtsbescheid vo...

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