Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Versicherte mit Wohnsitz in Großbritannien. Antrag auf Gewährung von postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen. Eintritt der Genehmigungsfiktion. sozialgerichtliches Verfahren. Aufhebung eines nach Klageerhebung erlassenen Verwaltungsaktes zur Rücknahme einer fingierten Genehmigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen des Eintritts der Genehmigungsfiktion.

2. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Rücknahme einer fingierten Genehmigung folgt der Senat der Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts.

 

Orientierungssatz

1. Zum Anspruch einer in Großbritannien lebenden Versicherten auf Gewährung von fünf postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen.

2. Zu Leitsatz 2: Anschluss an BSG vom 7.11.2017 - B 1 KR 24/17 R = SozR 4-2500 § 13 Nr 39, RdNr 37ff; entgegen BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R = BSGE 123, 145 = SozR 4-2500 § 13 Nr 34, RdNr 50ff).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.08.2019; Aktenzeichen B 1 KR 36/18 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 06.04.2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in Ziffer I. des Tenors die Wörter "Extension des alten Nabels" durch die Wörter "Exzision der alten Narbe" ersetzt werden.

II. Der Bescheid der Beklagten vom 21.06.2017 wird aufgehoben.

III. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Wiederherstellungsoperationen als Sachleistung.

Sie beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 28.08.2015 (Eingang bei der Beklagten am 01.09.2015) eine "Wiederherstellungsoperation". Sie erklärte dazu, dass nach einer Gewichtsabnahme von 57 Kilo sich sehr viele große Hautlappen gebildet hätten, die abstoßend wirkten und Schmerzen bereiteten.

Die Beklagte schaltete den MDK ein, worüber sie die Klägerin mit Schreiben vom 02.09.2015 informierte. Nachdem die Klägerin ergänzende Unterlagen vorgelegt hatte, erstellte der MDK am 20.11.2015 ein Gutachten. Darin heißt es, eine medizinische Indikation für eine plastisch-chirurgische Korrekturoperation könne an Hand der vorliegenden Unterlagen nicht abgeleitet werden.

Mit Bescheid vom 24.11.2015 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie stützte sich auf die Stellungnahme des MDK. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2016 zurück.

Mit der bereits am 27.11.2015 beim Sozialgericht München (SG) eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Ziel weiter verfolgt. Sie hat zunächst die Feststellung beantragt, dass eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V eingetreten sei.

Die Beklagte hat sich demgegenüber auf die gutachterliche Stellungnahme des MDK berufen und ausgeführt, die Genehmigungsfiktion greife nur ein, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Krankenkasse innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete Leistung betreffe und sie dem Qualitätsgebot und dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspreche.

Am 17.02.2016 hat die Klägerin die Klage auf eine Anfechtungs- und eine Leistungsklage umgestellt.

Mit Gerichtsbescheid vom 06.04.2017 hat das SG den Bescheid vom 24.11.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin - aufgrund des Eintritts der Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V - fünf postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (lateral erweiterte Abdominoplastik inklusive Nabelkorrektur und Extension des alten Nabels sowie Neupositionierung des Nabels und Straffung des mons pubis, angleichende Mammareduktionplastik inklusive lateraler Thoraxstraffung, Oberarmstraffung beidseits inklusive Axilia-Straffung, Oberschenkelstraffung beidseits inklusive Liposuktion und Liposuktion des Rückens) als Sachleistung zu gewähren.

In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, die Anfechtungsklage sei trotz des vorher ergangenen Fiktivbescheides erforderlich, da die dem Fiktivbescheid widersprechenden Bescheide einen der Genehmigungsfiktion entgegenstehenden Rechtsschein setzten. Die Leistungsklage bedürfe keines Vorverfahrens.

Der Antrag der Klägerin bei der Beklagten vom 01.09.2015 entfalte mit dem Ablauf von fünf Wochen (Einschaltung des MDK - § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V), d.h. mit Ablauf des 06.10.2015, fiktive Genehmigungswirkung. Die vom BSG mit Urteil vom 08.03.2016 (B 1 KR 25/15 R) aufgestellten Voraussetzungen lägen vor.

Die Klägerin habe in ihrem Antrag vom 01.09.2015 eine "Wiederherstellungsoperation" beantragt. Sie habe erklärend hinzugefügt, dass sich bei ihr viele große Hautlappen gebildet hätten. Dieser Antrag sei im Sinne der gesetzlichen Genehmigungsfiktion hinreichend bestimmt gewesen, denn man habe daraus ein ausreichendes Bild von Art und Umfang der medizinischen Maßnahmen gewinnen können.

Eine fristverlängernde Mitteilung nach § 13 Absatz 3a Satz 5 SGB V, die eine begründete Mitteilung der Fristverlängerung und dazu die von d...

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