Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Verwertbarkeit eines Grundstücks. dinglich gesicherter Rückübertragungsanspruch der Eltern bei Verfügungen des Leistungsempfängers ohne deren Zustimmung. Prognose zum Wegfall des Verwertungshindernisses im Bewilligungszeitraum. Verweigerung der Zustimmung zu Veräußerung oder Belastung. keine Sittenwidrigkeit. Erhaltung des Vermögens für die Enkel

 

Orientierungssatz

1. Die Verwertbarkeit von Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB 2 kann nur dann angenommen werden, wenn der Berechtigte in der Lage ist, die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln herbeizuführen. Ist dagegen völlig ungewiss, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, so liegt bereits eine generelle Unverwertbarkeit iS des § 12 Abs 1 SGB 2 vor (vgl BSG vom 27.1.2009 - B 14 AS 42/07 R = SozR 4-4200 § 12 Nr 12 und vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 46/06 R = BSGE 99, 248 = SozR 4-4200 § 12 Nr 6).

2. Maßgebend für die Prognose zum Wegfall eines Verwertungshindernisses ist im Regelfall der sechsmonatige Bewilligungszeitraum nach § 41 Abs 1 S 4 SGB 2 (vgl BSG vom 27.1.2009 - B 14 AS 42/07 R aaO).

3. Wird im Rahmen der Übertragung von Grundstückseigentum ein im Übergabevertrag geregelter Rückübertragungsanspruch des Übertragenden, den dieser geltend machen kann, soweit ohne seine Zustimmung über den Grundbesitz verfügt wird, dinglich gesichert und weigert sich der Übertragende, einer Belastung oder Veräußerung des Grundbesitzes zuzustimmen, ist das Grundstückseigentum nicht verwertbar iS des § 12 Abs 1 SGB 2.

4. Die Geltendmachung eines durch Vormerkung gesicherten Rückübertragungsanspruches eines Schenkers ist allenfalls dann als sittenwidrig iS des § 138 BGB anzusehen, wenn sie im Rahmen eines vorwerfbaren Zusammenwirkens des Leistungsempfängers und des Vormerkungsberechtigten erfolgt, um die nachrangige Verpflichtung staatlicher Sozialleistungsträger zu unterlaufen (vgl VGH München vom 25.4.2001 - 12 ZB 01.553). Dies ist nicht der Fall, wenn Grundstückseigentum von Eltern an ihr Kind übertragen wird und der Rückübertragungsanspruch vorrangig der Erhaltung des Vermögens für die Enkel dient.

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 28.07.2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 04.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2009 werden aufgehoben. Der Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 22.12.2008 bis 31.08.2009 als Zuschuss zu zahlen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1961 geborene Kläger beantragte erstmals am 15.09.2005 die Bewilligung von Alg II. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 04.10.2005 wegen des Vorhandenseins verschiedener Vermögenswerte (Sparbuchgutgaben; Bausparverträge; Lebensversicherungen) ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch nahm der Kläger zurück. Weitere Bewilligungsanträge lehnte der Beklagte mit den Bescheiden vom 27.03.2008 und 07.05.2008 wegen fehlender Mitwirkung bestandskräftig ab.

Mit seinem erneuten Antrag gab der Kläger am 22.12.2008 an, mit Ausnahme zweier Lebensversicherungen (A. Nr. 0027526 - Rückkaufwert: 7.735,78 €; K. Nr. 4396989 - Rückkaufwert: 3.990,15 €), bezüglich derer ein Verwertungsausschluss gemäß § 168 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vereinbart sei, sowie einer Riester-Rente über keine nennenswerten Vermögenswerte mehr zu verfügen. Die vormals vorhandenen Spar- und Bausparguthaben in Höhe von ca. 70.000.- € seien zwischenzeitlich aufgebraucht. Mit notariellem Vertrag (URNr. D 1190/2007) vom 30.07.2007 seien ihm von seinen Eltern ein Wohnhaus sowie - teilweise verpachtete - landwirtschaftliche Flächen übergeben worden. Seine Eltern hätten sich jedoch hinsichtlich des gesamten übertragenen Grundbesitzes ein Rückübertragungsrecht für den Fall vorbehalten, dass er ohne deren Zustimmung über den Grundbesitz verfüge. Dieser Rückübertragungsanspruch sei durch eine Vormerkung im Grundbuch dinglich gesichert. Zudem habe er bezüglich des an ihn übergebenen Grundbesitzes mit Zustimmung seiner Eltern seinem Sohn mit notarieller Urkunde ebenfalls vom 30.07.2007 (URNr. 1191/2007) die Übergabe dieses Grundbesitzes angeboten. An dieses Vertragsangebot sei er bis 31.07.2017 gebunden. Es sei ebenfalls durch eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch dinglich gesichert. Er selbst bewohne den ersten Stock des von seinen Eltern übergebenen Mehrfamilienhauses. Das Erdgeschoss werde von seinen Eltern genutzt, für die ein Wohnrecht im Grundbuch eingetragen sei. Das Dachgeschoss sei mangels finanzieller Mittel nicht ausgebaut. Eine Verwertung des Mehrfamilienhauses in der Form eines Verkaufs oder einer Beleihung, sei im Hinblick auf das Wohnrech...

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