Leitsatz (amtlich)

1. Die Verbindung von Verfahren bewirkt grundsätzlich, dass die hinzuverbundenen Verfahren ihre Eigenschaft als Angelegenheiten im Sinn von § 15 RVG verlieren (Fortsetzung von BayLSG, Beschluss vom 04.10.2010 - L 15 B 389/08 AL KO).

2. Hat der Prozessgegner außergerichtliche Kosten erstattet, bevor die Vergütung aus der Staatskasse gezahlt ist, kann die Vergütung aus der Staatskasse in entsprechender Anwendung von §§ 58, 59 RVG gemindert werden.

3. Jedoch dürfen solche vom Prozessgegner erstatteten außergerichtlichen Kosten nicht angerechnet werden, die dieser eventuell wieder zurückverlangen kann; das gilt, obwohl § 58 Abs. 2 RVG auf den tatsächlichen Zahlungszufluss abzustellen scheint.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Juli 2010 insoweit abgeändert, als der zu erstattende Betrag unter Abänderung der Festsetzung der Kostenbeamtin vom 12. Mai 2010 auf 150,73 EUR festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Juli 2010 zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Das Beschwerdeverfahren betrifft die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung für einen beigeordneten Rechtsanwalt.

In den grundsicherungsrechtlichen Verfahren S 6 AS 463/08, S 6 AS 464/08 und S 9 AS 465/08 vor dem Sozialgericht Augsburg klagten drei Geschwister jeweils auf eine Erstausstattung mit Kleidung. Im Oktober 2008 wurde der Beschwerdeführer in allen drei Verfahren den jeweiligen Klägern gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 121 ZPO beigeordnet. Im Januar 2009 wurden die drei Verfahren zu einem verbunden, welches fortan das Aktenzeichen S 6 AS 463/08 trug. In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2009 erledigte man die Streitsache durch ein "Anerkenntnis" (laut Verhandlungsniederschrift). Die Parteien einigten sich auf eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten durch die Beklagte zu einem Drittel.

Hinsichtlich der aus der Staatskasse im Verfahren S 6 AS 464/08 zu zahlenden Vergütung kam es in der Folgezeit zu Meinungsverschiedenheiten: Am 06.07.2009 reichte der Beschwerdeführer beim Sozialgericht Augsburg einen "Kostenfestsetzungsantrag/PKH" ein, mit dem er eine Verfahrensgebühr, eine Terminsgebühr und eine Einigungsgebühr geltend machte, insgesamt 690,20 EUR. Im Hinblick auf die im Termin vereinbarte Kostenquote bestimmte er lediglich zwei Drittel davon, also 460,13 EUR, als von der Staatskasse zu zahlende Vergütung.

Gegenüber der Beklagten hatte der Beschwerdeführer mit "Honorarnote Nr. 0900640" für das Verfahren S 6 AS 464/08 - wie auch für die beiden anderen Verfahren - 333,20 EUR geltend gemacht. Die gesamten außergerichtlichen Kosten veranschlagte er darin mit 999,60 EUR, wobei er hinsichtlich der wegen des gerichtlichen Verfahrens entstandenen Kosten dieselben Positionen in exakt derselben Höhe ansetzte wie gegenüber dem Sozialgericht im "Kostenfestsetzungsantrag/PKH"; in dem Betrag waren auch Kosten für das vorangegangene Widerspruchsverfahren enthalten. Der von ihm geforderte Endbetrag von 333,20 EUR resultierte aus einer Multiplikation der gesamten außergerichtlichen Kosten mit dem von der Beklagten übernommenen Kostenanteil von einem Drittel. Die Beklagte zahlte diesen Betrag.

Unter dem Datum 12.05.2010 setzte die Kostenbeamtin die von der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf Null fest.

Die dagegen eingelegte Erinnerung ist ohne Erfolg geblieben (zurückweisender Beschluss des Kostenrichters vom 16.07.2010). Der Kostenrichter hat es laut der Begründung seines Beschlusses für maßgebend erachtet, dass das Verfahren S 6 AS 464/08 zum Verfahren S 6 AS 463/08 hinzuverbunden worden war. Dadurch, so das Sozialgericht sinngemäß, sei es in dem führenden Verfahren aufgegangen und habe seine Selbstständigkeit verloren. Das schlage sich auch vergütungsrechtlich nieder, so dass zwar die vor der Verbindung entstandene Verfahrensgebühr grundsätzlich zustehe, nicht aber eine Termins- und eine Einigungsgebühr. Unzuträglichkeiten könne dadurch abgeholfen werden, dass die eine Termins- und Einigungsgebühr aufgrund der Klagehäufung angemessen erhöht werde. Das Sozialgericht hat zwar die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verfahrensgebühr von 170 EUR (ermittelt auf der Grundlage der so genannten Mittelgebühr und unter Verminderung aufgrund Vorbefassung im Widerspruchsverfahren) akzeptiert, jedoch wegen der von der Beklagten geleisteten Zahlung keine Vergütung festgesetzt.

Mit der Beschwerde vom 05.08.2010 verfolgt der Beschwerdeführer sein im "Kostenfestsetzungsantrag/PKH" formuliertes Vergütungsbegehren unverändert weiter. Er ist der Auffassung, das Verfahren S 6 AS 464/08 habe seine vergütungsrechtliche Selbstständigkeit behalten.

II.

Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist zwar prinzipiell der Einzelrichter (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG). Jedoch entscheidet wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Senat als Gesamtspruchkörper. Ehrenamtliche Richter wirken...

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