Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Einstweiliger Rechtsschutz gegen eine vollständige Minderung der Leistungen

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Aussetzung der Vollziehung bei vollständiger Minderung der Leistungen, wenn die Interessenabwägung auch hinsichtlich der gesondert zu prüfenden KdU zu Ungunsten des Antragstellers ausfällt.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen Punkt I. und II. des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 03.04.2018 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die vollständige Minderung des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.03.2018 bis 31.05.2018.

Der Antragsteller (ASt) bezieht Alg II (zuletzt Bescheid vom 26.10.2017 für die Zeit vom 01.12.2017 bis 31.05.2018), jedoch erfolgten wegen wiederholter Pflichtverletzungen bereits vollständige Minderungen (zuletzt Bescheid vom 24.11.2017 und 08.01.2018).

Auf den Vermittlungsvorschlag vom 29.01.2018 hin bewarb sich der ASt anonym beim angegebenen Arbeitgeber, habe aber nicht dessen Bitte vom 02.02.2018 um eine aussagekräftige Bewerbung (so Auskunft des potenziellen Arbeitgebers) entsprochen.

Mit Bescheid vom 20.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2018 lehnte der Antragsgegner (Ag) den Anspruch auf Alg II vollständig für die Zeit vom 01.03.2018 bis 31.05.2018 ab und hob die Bewilligung entsprechend auf. Der ASt habe sich zunächst nur anonym beworben und sei der Bitte des potenziellen Arbeitgebers um eine aussagekräftige Bewerbung nicht nachgekommen. Damit habe er die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses verhindert, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Dagegen hat der ASt nach Auskunft des Ag Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben (S 10 AS 182/18), über die noch nicht entschieden worden sei.

Bereits am 07.03.2018 hat der ASt einstweiligen Rechtsschutz beim SG dahingehend begehrt, Alg II ungekürzt ab 01.03.2018 zu erhalten. Der potenzielle Arbeitgeber habe ihm mit E-Mail vom 19.02.2018 den Bewerbungseingang bestätigt und gebeten, die weitere Prüfung abzuwarten.

Das SG hat den Antrag des ASt als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ausgelegt und abgelehnt (Punkt I. und II. des Beschlusses vom 03.04.2018). Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit des Minderungsbescheides sei nicht gegeben. Trotz schriftlicher Rechtsfolgenbelehrung habe der ASt die Anbahnung eines möglichen Arbeitsverhältnisses verhindert. Der vom ASt vorgelegte E-Mail-Verkehr sei nicht von außen prüfbar.

Der ASt hat dagegen Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Er habe sich bereits Anfang Januar 2018 bei dem potenziellen Arbeitgeber beworben und sich daher auf den einen Monat später erfolgten Vermittlungsvorschlag hin nur noch in Kurzform gemeldet, wobei er alle Unterlagen per Post direkt an die Arbeitsstelle in Gemünden gesandt habe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des ASt gegen den Bescheid vom 20.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2018 im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Streitgegenstand ist vorliegend allein die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.03.2018 bis 31.05.2018 infolge der Feststellung einer wiederholten Pflichtverletzung. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage im Rahmen der Hauptsache würde der Minderungsbescheid samt Aufhebungsbescheid aufgehoben werden und der ASt könnte wieder die bereits bewilligten und nicht anderweitig aufgehobenen Leistungen beanspruchen.

Die Klage gegen den Bescheid vom 20.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2018 hat nicht bereits selbst aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG. Diese tritt vorliegend nicht ein, da sich Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt bzw. die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruches feststellt (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG iVm § 39 Nr. 1 SGB II). In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse des ASt an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussicht in der Hauptsache abzustellen ist.

Unter Berücksichtigung des § 39 Nr. 1 SGB II ist von einem Regelaus...

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