Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Dokumentenpauschale. Erstattungsmaßstab für Kopien aus Behördenakten. Erstattungsfähigkeit trotz fehlender Darlegung. Bestimmung der Höhe durch vereinfachte Berechnung. Ausnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für Kopien aus Behördenakten kann die Dokumentenpauschale nur gefordert werden, soweit diese Kopien zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten sind. Dabei ist auf die Sichtweise eines verständigen und durchschnittlich erfahrenen Rechtsanwalts abzustellen. Die bloße Zweckmäßigkeit lässt es noch nicht als auch wirklich geboten erscheinen, Kopien herzustellen.

2. Auch wenn der Rechtsanwalt insoweit seiner Darlegungspflicht nicht nachgekommen ist, sind die Kosten weder im Vorschussverfahren noch bei der endgültigen Kostenfestsetzung nicht in vollem Umfang von einer Erstattung auszunehmen.

3. Bei der Bestimmung der Höhe der anzusetzenden Dokumentenpauschale kann eine pauschale und damit vereinfachte Berechnung vorgenommen werden. Regelmäßig können im Falle einer vollständigen Ablichtung von Behördenakten im Wege einer pauschalen Bestimmung die Hälfte der geltend gemachten Kopien als Kosten nach Nr 7000 Nr 1a VV RVG (juris: RVG-VV) angesetzt werden.

4. Etwas anderes gilt dann, wenn sich die Erstattungsfähigkeit von Kopien der Hälfte des Akteninhalts offensichtlich als zu umfangreich erweist oder der Rechtsanwalt nachvollziehbar begründet, dass Kopien in einem größeren Umfang angefertigt werden mussten.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts München vom 9. September 2014 sowie die Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin vom 12. Mai 2014 abgeändert.

Für das Klageverfahren wird eine Dokumentenpauschale in Höhe von 22,50 Euro (zuzüglich Umsatzsteuer) festgesetzt.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das der Beschwerdeführerin nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse zusteht. Streitig sind die Höhe der Verfahrens- und der Einigungsgebühr sowie die Frage, ob eine Terminsgebühr und eine Dokumentenpauschale zustehen.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG), Az.:, ging es um die Kosten für ein Widerspruchsverfahren. Am 26.11.2012 erhob die Klägerin über ihre Bevollmächtigte, die Beschwerdeführerin, Klage und beantragte die Gewährung von PKH. Diesem Antrag wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 07.01.2014 entsprochen; die Beschwerdeführerin wurde beigeordnet.

Das Klageverfahren wurde im Vergleichsweg beendet; das SG stellte per Beschluss am 13.01.2014 das Zustandekommen des Vergleichs fest, in dem sich der Beklagte zur Übernahme von zwei Dritteln der notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens verpflichtet hatte.

Am 18.01.2014 beantragte die Beschwerdeführerin, ihre Vergütung für das Klageverfahren in Höhe von 727,09 EUR festzusetzen. Dabei setzte sie eine Verfahrensgebühr in Höhe von 170,00 EUR, eine Terminsgebühr in Höhe von 200,00 EUR und eine Einigungsgebühr in Höhe von 190,00 EUR an. Zudem machte sie eine Dokumentenpauschale in Höhe von 31,00 EUR für 90 gefertigte Kopien geltend.

Mit Beschluss vom 12.05.2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des SG die der Beschwerdeführerin zu erstattenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 238,00 EUR, im Einzelnen wie folgt fest:

Verfahrensgebühr gem. Nr. 3103 VV:

85,00 €

Einigungsgebühr gem. Nr. 1006 VV:

95,00 €

Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV:

20,00 €

Nettobetrag:

 200,00 €

Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV:

 38,00 €

Gesamtbetrag:

 238,00 €

Zur Begründung verwies die Urkundsbeamtin darauf, dass die Verfahrens- und die Einigungsgebühr in Höhe der Hälfte der jeweiligen Mittelgebühr angemessen sei, da sich Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Angelegenheit als unterdurchschnittlich darstellen würden. Eine fiktive Terminsgebühr sei nach dem für das Verfahren geltenden Rechtsstand ausgeschlossen. Die Beschwerdeführerin sei trotz Aufforderung ihrer Verpflichtung zur Glaubhaftmachung der Gebotenheit der Anfertigung der Kopien nicht nachgekommen, so dass eine Erstattung der Dokumentenpauschale grundsätzlich abzulehnen sei.

Hiergegen hat sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Erinnerung vom 16.06.2014 gewandt. Dabei hat sie zur Begründung u.a. hervorgehoben, dass für die Verfahrensgebühr die Mittelgebühr angemessen sei im Hinblick auf den Maßstab der Bewertung der anwaltlichen Leistung, den der "Durchschnittsanwalt" darstelle. Eine fiktive Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG sei, so die Beschwerdeführerin, eindeutig angefallen, da die Voraussetzungen hierfür erfüllt seien. Insoweit hat sie auf die Klarstellung des Gesetzgebers bei der Änderung des RVG ab 01.08.2013 hingewiesen. Auch die verlangte Einigungsgebühr sei angemessen und entsprechend festzusetzen. Zur Dokumentenpauschale hat die Beschwerdeführerin auf den Beschluss des Landgerichts (LG) Essen vom 09.06.2011 (Az.: 56 Qs 28/11...

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