Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit einer Wiederaufnahmeklage

 

Leitsatz (amtlich)

„Zur erneuten Wiederaufnahme von Berufungsverfahren, die durch Berufungsrücknahmen erledigt worden sind, nach Feststellung der Erledigung durch rechtskräftiges Urteil des Berufungsgericht in einem ersten Wiederaufnahmeverfahren“

 

Orientierungssatz

Angesichts des Ausnahmecharakters der Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahrens erscheint es unabdingbar, zur Zulässigkeitsvoraussetzung einer Wiederaufnahmeklage zu erheben, dass wenigstens ein gewisser "Anfangsverdacht" für einen Wiederaufnahmegrund besteht (vgl. u.a. LSG München, 31. März 2011, L 15 VG 2/11 WA). Dabei bedeutet schlüssiges Behaupten, dass bei Unterstellung, die tatsächlichen Behauptungen der Kläger würden zutreffen, ein Wiederaufnahmegrund gegeben wäre.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 02.02.2021; Aktenzeichen B 9 V 57/20 B)

 

Tenor

I. Die Wiederaufnahmeklage wird als unzulässig verworfen.

Es wird festgestellt, dass die Berufungsverfahren L 15 VG 24/12, L 15 VG 26/12, L 15 VG 28/12, L 15 VG 30/12 und L 15 VG 32/12 aufgrund der Erklärungen der Klägerin vom 13.05.2013 erledigt sind.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin strebt die Wiederaufnahme von Berufungsverfahren an, die von ihr durch Berufungsrücknahmen erledigt worden sind, was der Senat mit rechtskräftigem Urteil bereits festgestellt hat.

Die Klägerin begehrt in der Sache Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) und hat dabei eine Reihe von Angriffen im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG vorgetragen, nämlich im Verfahren

- Az. L 15 VG 24/12: die falsche Behandlung im Rahmen der Entbindung ihres Sohnes am 06.06.1991,

- Az. L 15 VG 26/12: Behandlungsfehler bei der Struma-Operation im Krankenhaus A. im Januar 1990,

- Az. L 15 VG 28/12: die Entziehung des Sorge- und Umgangsrechts durch das Familiengericht A-Stadt im Juni 1996,

- Az. L 15 VG 30/12: permanente Beleidigungen und Bedrohungen durch ihre Nachbarn sowie Sachbeschädigungen,

Störungen und Hausfriedensbrüche sowie

- Az. L 15 VG 32/12: eine Ohrfeige in den Jahren 1981/82 durch ihren damaligen Lebenspartner in Jericho (heute: Palästinensische Autonomiegebiete),

die bei ihr zu gesundheitlichen Störungen geführt hätten. Entsprechendes gilt für zahlreiche andere Sachverhalte, die Gegenstand weiterer Berufungsverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) waren, das gegenständliche Verfahren jedoch nicht betreffen.

Den oben genannten Verfahren liegen klageabweisende Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Augsburg (SG) vom 26.10.2012 zu Grunde. Mit den am 02.11.2012 eingelegten Berufungen hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.

Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 13.05.2013 hat die Klägerin die oben genannten Berufungen zurückgenommen; die Berufungen in weiteren fünf Fällen hat sie aufrechterhalten (vgl. die früher beim Senat anhängigen Verfahren L 15 VG 20/11, L 15 VG 25/12, L 15 VG 27/12, L 15 VG 29/12 und L 15 VG 31/12). Mit noch am selben Tag beim BayLSG eingegangenem Telefax hat die Klägerin erklärt, dass sie sich vom Berichterstatter des Senats getäuscht fühle. Ein Gütetermin dürfe nicht dazu angelegt sein, dass die Klägerin als Laiin genötigt werde, in den "neun zusammengefassten Fällen", die der Berichterstatter in eineinhalb Stunden eiligst abgehandelt habe, die Berufung zurückzunehmen. Der Berichterstatter habe die Fälle so miteinander vermischt, dass man nicht mehr übersehen könne, welches Aktenzeichen zu welchem Schadensfall gehöre. Die Klägerin hat erklärt, dass sie "gar keine Berufung zurücknehme, zu keinem der Fälle". Falls der Berichterstatter dies nicht anerkennen wolle, müsse man ihm Arglist unterstellen. In dem Schreiben hat die Klägerin "nötigenfalls" einen Rechtsbeistand beantragt. Ein "Gütetermin am Sozialgericht" dürfe nicht so angelegt oder geplant sein, dass er der Klägerin als Mehrfachgeschädigten "zum zusätzlichen Schaden gereiche".

Daraufhin sind die Verfahren Az. L 15 VG 24/12, L 15 VG 26/12, L 15 VG 28/12, L 15 VG 30/12 und L 15 VG 32/12 unter den Az. L 15 VG 19/13, L 15 VG 20/13, L 15 VG 21/13, L 15 VG 22/13 und L 15 VG 23/13 wieder aufgenommen worden. Mit Beschluss vom 23.07.2013 hat der Senat die genannten Streitsachen gemäß § 113 Abs. 1 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Az. L 15 VG 23/13 fortgeführt.

Mit Beschluss vom 16.10.2013 hat der Senat den Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe abgelehnt, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht habe.

Die Klägerin hat in dem Verfahren vor dem Senat sinngemäß beantragt, die ursprünglichen Berufungsverfahren in der Sache fortzusetzen und den Beklagten unter Aufhebung der Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Augsburg vom 26.10.2012 sowie unter Aufhebung der entsprechenden Besch...

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