Entscheidungsstichwort (Thema)

Terminsgebühr. Angelegenheit. Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Verbindung mehrerer Rechtsstreitigkeiten nach § 113 Abs. 1 SGG setzt einen Beschluss voraus, der zuzustellen oder zu verkünden ist. Eine konkludente Verbindung ist nicht möglich.

2. Liegt ein Verbindungsbeschluss vor, stellen die verbundenen Verfahren fortan nur noch eine einzige Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG dar. Fehlt es hingegen an einem Verbindungsbeschluss, sind sie weiter als eigenständige Angelegenheiten i.S.v. § 15 RVG zu werten, selbst dann, wenn die Verfahren inhaltliche Überschneidungen aufweisen oder zusammen verhandelt werden.

 

Normenkette

RVG § 3 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1, 2 S. 1, § 45 Abs. 1, § 55 Abs. 1; SGG § 113 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 20. Februar 2008 aufgehoben und unter Abänderung der entsprechenden Kostenfestsetzungen der Kostenbeamtin vom 23. Mai 2007 für die Verfahren S 12 AL 375/04 und S 12 AL 376/04 - unter Zuerkennung einer Terminsgebühr von jeweils 110,00 EUR - der zu erstattende Betrag nach Abzug des Vorschusses auf jeweils 351,30 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) ist niedergelassener Rechtsanwalt gewesen. Er hat S. T. (im Folgenden: T) in drei Klageverfahren, die das Arbeitsförderungsrecht betroffen haben, vor dem Sozialgericht Regensburg vertreten (S 12 AL 374/04, S 12 AL 375/04 und S 12 AL 376/04). Dazu war es gekommen, weil die beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) für den Gesamtzeitraum vom 01.10.2002 bis 23.04.2004 Leistungsbewilligungen teilweise zurückgenommen und die Erstattung der danach überzahlten Leistungen (Arbeitslosengeld bzw. Unterhaltsgeld) angeordnet hatte. In diesem Zusammenhang hatte die BA drei Bescheide und drei Widerspruchsbescheide erlassen. Die Überzahlungen waren entstanden, weil die BA übersehen hatte, die Berechnungsgrundlagen für die jeweiligen Leistungen auf Euro umzustellen. Mündliche Verhandlungen in allen drei Verfahren fanden am 07.12.2006 und am 14.02.2007 statt. Es ergingen jeweils gesonderte Ladungen; die Verfahren wurden jeweils parallel zur gleichen Uhrzeit verhandelt. Für sämtliche Verfahren war T Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und ihr der Bf. gemäß § 73a Abs. 1 Satz 2 SGG iVm § 121 ZPO beigeordnet worden. Erledigt wurden die Streitsachen durch Prozessvergleich in der mündlichen Verhandlung am 14.02.2007.

In den Anträgen auf Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütungen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG hat der Bf. für jedes Verfahren eine Terminsgebühr von 200 EUR geltend gemacht. In den Festsetzungen der Kostenbeamtin vom 23.05.2007 hat diese aber nur im Verfahren S 12 AL 374/04 Berücksichtigung gefunden. In den beiden anderen Verfahren hat die Kostenbeamtin den Ansatz einer Terminsgebühr jeweils mit der Begründung abgelehnt, es hätten nur zwei Termine stattgefunden, in deren Rahmen jeweils alle drei Verfahren verhandelt worden seien. Die dagegen am 06.06.2007 eingelegte, ausschließlich gegen den unterbliebenen Ansatz einer Terminsgebühr in den Verfahren S 12 AL 375/04 und S 12 AL 376/04 gerichtete Erinnerung hat die für Kostensachen zuständige Kammer beim Sozialgericht mit Beschluss vom 20.02.2008 als unbegründet zurückgewiesen; dieser ist dem Bf. am 04.03.2008 zugestellt worden. Der Beschluss ist damit begründet worden, am 14.02.2007 habe tatsächlich eine gemeinsame Verhandlung stattgefunden. Eine ausdrückliche Verbindung sei zwar nicht erfolgt, jedoch könne dies wie hier auch konkludent geschehen.

Am 11.03.2008 hat der Bf. gegen den Beschluss vom 20.02.2008 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, es sei gerade keine Verbindung erfolgt, so dass auch in den Verfahren S 12 AL 375/04 und S 12 AL 376/04 eine Terminsgebühr entstanden sei. In den drei Verfahren sei zwar am gleichen Sitzungstag und zum gleichen Termin, jedoch gesondert verhandelt worden. Zwar sei am 14.02.2007 für alle drei Verfahren nur eine Sitzungsniederschrift erstellt worden, jedoch könne daraus keine stillschweigende Verbindung abgeleitet werden.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit Beschluss vom 23.08.2010 hat der Berichterstatter das Verfahren auf den Senat als Gesamtspruchkörper ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten des Sozialgerichts (Sach- und Prozesskostenhilfeakten in den Sachen S 12 AL 374/04, S 12 AL 375/04 und S 12 AL 376/04) sowie des Bayerischen Landessozialgerichts verwiesen. Diese waren alle Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Senat entscheidet gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG durch den Senat als Gesamtspruchkörper; die Angelegenheit ist auf diesen durch Beschluss vom 23.08.2010 übertragen worden. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit (§ 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 8 Satz 3 RVG). Die Beschwerde ist nach § 56 ...

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