Leitsatz

Der Erwerber von Wohnungseigentum ist vor einer Vergemeinschaftung berechtigt, seine individuellen Rechte aus dem Vertrag mit dem Veräußerer selbstständig zu verfolgen, solange durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt sind. Dies gilt auch für Mangelbeseitigungsansprüche, die auf ordnungsgemäße Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichtet sind.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6 Satz 3

 

Das Problem

  1. K erwirbt von B ein Wohnungseigentum im ersten Obergeschoss eines "sanierten" bzw. zu "sanierenden" Altbaus aus dem Baujahr 1900 zum Preis von 493.042,64 EUR. K und B vereinbaren Folgendes:

    Umfang der vom Verkäufer vorgenommenen bzw. noch vorzunehmenden Maßnahmen ergibt sich aus der dieser Urkunde als Anlage beigefügten Baubeschreibung. Die Baubeschreibung ist keine Garantieerklärung, sondern eine Vereinbarung über die Beschaffenheit des vom Verkäufer modernisierten Bauwerks.

    Es wird vereinbart, einen Sachverständigen einzuschalten und sich seinem Urteil zu unterwerfen. Ansprüche und Rechte wegen Sachmängeln am Grundstück werden ausgeschlossen, soweit nichts Abweichendes vereinbart ist. Ferner heißt es:

    Bezüglich etwaiger Mängel am Bauwerk wird folgendes vereinbart: Im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Gesamtobjekt und demgemäß bei dem Kaufgegenstand um ein bestehendes Gebäude handelt, werden für die nicht zu verändernde Altbausubstanz alle Rechte und Ansprüche des Käufers wegen Mängeln ausgeschlossen. Der Verkäufer haftet jedoch für grob fahrlässiges oder vorsätzliches Unterlassen von notwendigen Renovierungsarbeiten an der Altbausubstanz. In diesem Zusammenhang weist der Verkäufer ausdrücklich darauf hin, dass die ca. 30 bis 40 cm dicken Außenwände, in Ziegelmauerwerk ausgeführt und der Keller, ebenfalls in Ziegelmauerwerk ausgeführt, vom Verkäufer nicht (zusätzlich) gedämmt bzw. isoliert wurden/werden. Im Übrigen richten sich die Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln für die vom Verkäufer veranlassten Bauleistungen nach dem Leistungsstörungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches.

    Hinsichtlich der Böden sieht die Baubeschreibung vor, dass alle Räume, mit Ausnahme der Badezimmer, mit neuen Holzdielen ausgestattet und das Badezimmer mit modernen, großformatigen Feinsteinzeugfliesen gefliest werden.

  2. Anfang Mai 2014 nimmt K das Sondereigentum ab und zieht in die Wohnung ein. Die darüber liegende Wohnung wird im September 2014 bezogen. K hält den Schallschutz für unzureichend. Im Oktober 2014 findet daher ein Ortstermin statt, zu dem K den Privatgutachter N hinzuzieht. K fordert B daraufhin zweimal jeweils unter Fristsetzung zur Nachbesserung des Schallschutzes auf, was dieser ablehnt.
  3. Jetzt klagt K gegen B. Beim Landgericht beantragt er eine Verurteilung zur Herstellung des Schallschutzes der Wohnungstrenndecke über seiner Wohnung nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik mit Stand vom 21.5.2013, sodass ein im Klageantrag näher spezifizierter erhöhter Schallschutz erzielt wird. Das Landgericht weist die Klage als unzulässig ab. K sei nicht prozessführungsbefugt. Die begehrten Maßnahmen beträfen die Interessen anderer Wohnungseigentümer, sodass etwaige Ansprüche von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden müssten.
  4. Dagegen richtet sich die Berufung des K. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

Prozessführungsbefugnis

  1. K sei prozessführungsbefugt. Grundsätzlich sei der Erwerber von Wohnungseigentum berechtigt, seine individuellen Rechte aus dem Vertrag mit dem Veräußerer selbstständig zu verfolgen, solange durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt seien. Dies gelte auch für Mangelbeseitigungsansprüche, die auf ordnungsgemäße Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichtet seien. Demgegenüber sei die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die Geltendmachung und Durchsetzung solcher Rechte von vornherein zuständig, die ihrer Natur nach gemeinschaftsbezogen seien. Darüber hinaus könnten die Wohnungseigentümer der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Ausübung der auf die ordnungsgemäße Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums gerichteten Rechte (Erfüllungs- oder Nacherfüllungsansprüche) der einzelnen Erwerber aus den Verträgen gegenüber dem Veräußerer durch Mehrheitsbeschluss zuweisen, wodurch die alleinige Zuständigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer begründet werde, was ein selbstständiges Vorgehen der Erwerber ausschließen würde.
  2. Nach diesen Maßstäben sei K zur Geltendmachung von vertraglichen Gewährleistungsansprüchen wegen Schallschutzmängeln, die sich auf die von ihm gekaufte Wohnung auswirkten, berechtigt. Eine Vergemeinschaftung behaupte B nicht. Dass nach dessen Vortrag die beiden anderen Wohnungseigentümer das gemeinschaftliche Eigentum abgenommen und keine Beanstandungen hinsichtlich des Schallschutzes erhoben hatten, reiche nicht aus, um einen (konkludenten) B...

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