Leitsatz

  1. Der teilende Bauträgerverkäufer haftet auf Duldung der Zwangsvollstreckung in sein grundbücherlich bestehendes Eigentum selbst nach Veräußerung seiner Einheit an einen werdenden Eigentümer und nachträglich bestandskräftig gewordenen Wohngeldrückständen hinsichtlich der veräußerten Wohnung
  2. Der Vorrang des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG begründet auch eine bevorrechtigte dingliche Haftung des noch im Grundbuch eingetragenen Eigentümers (Veräußerers) auf Duldung der Zwangsversteigerung in das verkaufte Wohnungseigentum
  3. Das Vorrecht des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG besteht für laufende und rückständige Wohngeldbeiträge aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten 2 Jahren davor, allerdings begrenzt auf Beiträge in Höhe von nicht mehr als 5 % des Verkehrswerts der Wohnung
 

Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG; § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG

 

Kommentar

1.

Zum Sachverhalt:

Die klagende Gemeinschaft berief sich auf Forderungen wegen rückständiger Wohngelder hinsichtlich einer bereits veräußerten Wohnung. Für den Käufer als sog. werdenden Eigentümer war eine Eigentumsverschaffungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Die Wohngeldrückstände ergaben sich aus bestandskräftig gewordenen Abrechnungs- und Wirtschaftsplanbeschlüssen. Insoweit machte die Gemeinschaft gegen den noch im Grundbuch als Eigentümer der Wohnung stehenden Bauträger die dingliche Haftung für bevorrechtigte Wohngeldforderungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG geltend und klagte gegen ihn auf Duldung der Zwangsvollstreckung als ein "Weniger" gegenüber bestehenden Zahlungsverpflichtungen. Konkret beantragt wurde von der Gemeinschaft, den veräußernden Beklagten zu verurteilen, die Zwangsversteigerung der Einheit Nr. ….. der Anlage ….. in Berlin, eingetragen im Grundbuch ……., wegen einer Forderung in Höhe von ……, maximal jedoch 5 % des Verkehrswerts der Wohnung gemäß § 74a ZVG zu dulden. Während das Amtsgericht die Duldungsklage abwies, hatte die Berufung beim Landgericht Erfolg (mit Revisionszulassung).

2. Aus den Gründen des Berufungsurteils:
2.1

Die klagende Gemeinschaft kann vom Beklagten (Bauträgerverkäufer) zu Recht verlangen, dass dieser gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG i.V.m. § 16 Abs. 2 WEG die Zwangsversteigerung des im Tenor näher bezeichneten Wohnungseigentums wegen der geltend gemachten Forderung, maximal jedoch 5 % des Verkehrswerts der Wohnung gemäß § 74a ZVG zu dulden hat.

§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG begründet eine dingliche Haftung des Wohnungseigentums für bevorrechtigte Wohngeldforderungen. Etwa weitergehende Beitragsansprüche, die nicht in den Rang 2 fallen, sind nachrangig in der Klasse 5 geltend zu machen. Sinn der gesetzlichen Neuregelung ist es, zumindest diejenigen Ansprüche vorrangig abzusichern, die zur Erhaltung des Objekts beitragen (vgl. auch Schneider, ZMR 2009, S. 165, 167). Vor der Gesetzesreform konnten solche Wohngeldansprüche allein in Rangklasse 5 verfolgt werden, sodass angesichts der vorgehenden Grundpfandrechte eine Verwertung der Wohnung faktisch ausgeschlossen war.

2.2 Der neue § 10 Abs. 1 ZVG regelt nicht nur eine Rangordnung (wie dies das Amtsgericht vertreten hat, ebenso auch noch das Amtsgericht Heilbronn in ZMR 2010 S. 241); diese Meinung kann heute als überholt gelten. § 10 Abs. 1 ZVG besitzt nach nunmehr vorherrschender Literaturmeinung neben einer verfahrensrechtlichen auch eine materiell-rechtliche Bedeutung; Forderungseinordnung in die Rangklasse 2 begründet damit einen dinglichen Charakter der Haus- bzw. Wohngeldansprüche, wie sich dies aus der Entstehungsgeschichte dieser Norm ableiten lässt. Außerdem spricht für eine dingliche Haftung der Wortlaut, wonach ein "Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück" besteht (vgl. Becker in Bärmann, 11. Aufl., § 16 WEG Rn. 185). Ferner gibt § 45 Abs. 3 ZVG einer Gemeinschaft auch das Recht, Beitragsansprüche selbst ohne Titel im Versteigerungsverfahren eines Dritten anzumelden, was sonst nur Gläubigern zusteht, die ein dingliches Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück besitzen (vgl. auch Jennißen, § 28 WEG, Rn. 238). Die quasi-dingliche Natur der Wohngeldforderungen hat nunmehr auch der BGH in seiner Entscheidung vom 12.2.2009 (NZM 2009 S. 439) anerkannt.
2.3

Der seitens der Gemeinschaft erwünschte Titel auf Duldung der Zwangsversteigerung ist sowohl erforderlich als auch geeignet, um ihr die Zwangsversteigerung des streitgegenständlichen Wohnungseigentums zu ermöglichen und damit das von ihr angestrebte Rechtsschutzziel zu erreichen. Will eine Gemeinschaft – wie vorliegend – die Zwangsversteigerung selbst betreiben, d.h. nicht nur in einem von dritter Seite eingeleiteten Verfahren ihre Ansprüche anmelden, muss sie nach § 10 Abs. 3 Satz 2 ZVG einen Titel vorlegen, aus dem die Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung, die Art und der Bezugszeitraum des Anspruchs sowie seine Fälligkeit zu erkennen sind. Das Vollstreckungsgericht muss sich um diese materiell-rechtlichen Fragen nicht kümmern, die allein dem Prozessgericht vorbehalten bleiben. Lassen sich die Voraussetzungen eines Anspruchs nicht einem Vollstreckungs...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge