In vielen Wohnanlagen entscheiden sich die Wohnungseigentümer für den nachträglichen Anbau von Balkonen an den Wohnungen der Obergeschosse. Grundsätzlich handelt es sich insoweit um eine Maßnahme der baulichen Veränderung nach § 20 Abs. 1 WEG. Seit Inkrafttreten des WEMoG differenziert das WEG nicht mehr nach baulichen Veränderungen und Modernisierungen, vielmehr stellen sämtliche Maßnahmen, die über die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums hinausgehen, bauliche Veränderungen dar. Nach alter Rechtslage konnte ein Balkonanbau als Modernisierung entsprechend § 555b Nr. 5 BGB mit doppelt qualifizierter Mehrheit beschlossen werden, da Balkone allgemein die Wohnverhältnisse verbessern. Da sämtliche Maßnahmen der baulichen Veränderung seit Inkrafttreten des WEMoG einfach-mehrheitlich beschlossen werden können, gilt dies auch für einen nachträglichen Balkonanbau.

Beschlüsse über bauliche Veränderungen sind dann nach § 20 Abs. 4 WEG anfechtbar, wenn die beschlossene Maßnahme zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führen würde oder einzelne Wohnungseigentümer gegenüber anderen Wohnungseigentümern unbillig benachteiligt würden. Auch wenn sich durch einen Balkonanbau das optische Erscheinungsbild der Wohnanlage ändert, führt ein solcher nicht zu einer grundlegenden Umgestaltung. Allerdings kann ggf. im Einzelfall eine unbillige Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer, insbesondere der Erdgeschoss-Eigentümer dann vorliegen, wenn die Balkone zu einer Verschattung und/oder Verdunkelung etwa der Wohnräume führt.

Begehrt lediglich einer der Wohnungseigentümer die Gestattung zum Anbau eines Balkons im Bereich seiner Sondereigentumseinheit auf Grundlage der Bestimmung des § 20 Abs. 3 WEG, gelten abweichende Grundsätze. Zwar bedarf die Baumaßnahme ebenfalls lediglich einfach-mehrheitlicher Beschlussfassung. Allerdings ist das Einverständnis all derjenigen Wohnungseigentümer erforderlich, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden. Als rechtliche Beeinträchtigung ist insoweit auch eine optische Veränderung des Gesamterscheinungsbilds der Wohnanlage anzusehen. Insoweit gelten also unterschiedliche Maßstäbe: Bei einer Gemeinschaftsmaßnahme stellt die Grenze der Beschlussfassung die grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage dar, bei Gestattungsmaßnahmen zugunsten einzelner Wohnungseigentümer liegt die Messlatte deutlich darunter, es genügt eine optische Beeinträchtigung des Gesamterscheinungsbilds der Wohnanlage, die selbstverständlich dann gegeben ist, wenn lediglich an einzelnen Wohnungen Balkone angebaut werden.

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