Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Gesellschafter einer Vor-GmbH für nicht rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten der Vor-GmbH nur beschränkt haften.

 

Normenkette

GmbHG §§ 11, 9, 13 Abs. 2, 24; TVG § 1 Tarifverträge: Bau; Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Berliner Baugewerbe vom 28. Dezember 1979 i.d.F. vom 11. Februar 1991 und 1. Februar 1992 § 4; RsprEinhG § 2

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 11.08.1994; Aktenzeichen 14 Sa 57/94)

ArbG Berlin (Urteil vom 03.02.1994; Aktenzeichen 15 Ca 9038/93)

 

Tenor

  • Das Verfahren wird ausgesetzt.
  • Dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wird die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Gesellschafter einer Vor-GmbH für nicht rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten der Vor-GmbH nur beschränkt haften.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte als Gesellschafterin einer Vor-GmbH für die Beitragsschulden der Gesellschaft gegenüber der Klägerin haftet.

Die Klägerin, die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (im folgenden nur: ZVK) ist nach Maßgabe des Tarifvertrages über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Berliner Baugewerbe vom 28. Dezember 1979 in der Fassung vom 11. Februar 1991 und 1. April 1992 – alle für allgemeinverbindlich erklärt – als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagte gründete zusammen mit Frau Bettina Z… durch notariellen Vertrag die “N… GmbH”. Sie war zu 40 % am Stammkapital beteiligt. Ihre Einlage wurde von ihr erbracht. Beide Gesellschafterinnen wurden im Gesellschaftsvertrag zu Geschäftsführerinnen bestellt, beide hatten Bankvollmacht über das Bankkonto der Gesellschaft. Die Beklagte unterzeichnete auch das Stammblatt der Gesellschaft als Geschäftsführerin. Für ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin erhielt sie ein Gehalt in Höhe von 2.983,29 DM brutto monatlich. Zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kam es in der Folgezeit nicht.

Die Gesellschaft nahm im Februar 1992 ihren Geschäftsbetrieb auf und führte von Februar 1992 bis Juni 1992 Bauarbeiten durch. Dabei wurden bis zu zehn gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt. Der Steuerberater der Gesellschaft meldete monatlich der Klägerin für die “N… GmbH” die Bruttolohnsumme der gewerblichen Arbeitnehmer und die Höhe der nach dem VTV Berlin geschuldeten Beiträge für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung sowie die Winterbauumlage. Eine Zahlung der Beiträge an die Klägerin erfolgte nicht.

Die Beklagte selbst beantragte am 25. September 1992 die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der “N… GmbH”. Der Antrag wurde mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte nach § 11 Abs. 2 GmbHG für die Beitragsschuld der Gesellschaft. Sie sei als Geschäftsführerin der Gesellschaft Handelnde im Sinne dieser Vorschrift. Sie sei als Organ rechtsgeschäftlich für die Gesellschaft tätig geworden. Sie habe ihre Funktion als Geschäftsführerin auch ausgeübt, dem Steuerberater die Bruttolohnsummen zur Berechnung der Beitragspflicht mitgeteilt, mit dem Steuerberater und der Bank Verhandlungen geführt und für Überweisungen die erforderlichen Unterschriften geleistet. Auch nach den Regeln der OHG bzw. einer BGB-Gesellschaft haftet die Beklagte unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.

Die ZVK hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 51.601,21 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, für die Gesellschaft eine Tätigkeit als Geschäftsführerin ausgeübt zu haben. Die Geschäfte seien sämtlich vom Vater von Frau Z…, der keine Gewerbeerlaubnis gehabt habe, ohne ihre Kenntnis oder Genehmigung getätigt worden. Sie habe im Büro der Gesellschaft lediglich den Telefondienst wahrgenommen und die Lohnabrechnungen als Bote zum Steuerberater gebracht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Beitrages für die Zusatzversorgung (1.880,25 DM) stattgegeben, sie hinsichtlich des Beitrages für den Urlaub, den Lohnausgleich und der Winterbauumlage abgewiesen. Gegen diese Abweisung der Klage wendet sich die ZVK mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist für die ordnungsgemäß geladene Beklagte niemand erschienen. Die Klägerin hat beantragt, durch Versäumnisurteil unter entsprechender Abänderung der Entscheidungen des Arbeits- und Landesarbeitsgerichts die Beklagte zu verurteilen, an sie (weitere) 49.720,96 DM zu zahlen.

 

Entscheidungsgründe

B. Trotz Säumnis der Beklagten ist über die Revision der Klägerin in der Sache zu entscheiden (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 10. April 1991 – 5 AZR 226/90 – BAGE 68, 10 = AP Nr. 3 zu § 10 BBiG). Der Senat möchte die Revision der Klägerin aus den nachstehend dargelegten Gründen zurückweisen, sieht sich darin aber durch die Entscheidung des Zweiten Senats des Bundessozialgerichts vom 28. Februar 1986 (– 2 RU 21/85 – ZIP 1986, 645) gehindert. Er legt daher die Sache dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Beantwortung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage vor.

I.1. Das Landesarbeitsgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, daß die Gesellschafter einer Vor-GmbH für nicht durch Rechtsgeschäft begründete Verbindlichkeiten grundsätzlich unbeschränkt haften. Hinsichtlich der Beiträge für den Urlaub, den Lohnausgleich und andere Leistungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu erbringen habe, hat es jedoch eine Haftung der Beklagten mit der Begründung verneint, diese Leistungen müßten von der Sozialkasse dem Arbeitgeber nur dann erstattet werden, wenn sein Beitragskonto ausgeglichen sei. Die Sozialkasse übernehme damit kein Risiko.

2. Mit dieser Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden. Abgesehen davon, daß nicht ersichtlich ist, warum ein geringeres “Versicherungsrisiko” der Sozialkasse die vom Landesarbeitsgericht angenommene unbeschränkte Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH entfallen lassen kann, übersieht das Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung, daß seine Betrachtungsweise schon dem Ausgleich der von Arbeitgebern des Baugewerbes gezahlten Urlaubsgelder nicht gerecht wird. Der Arbeitgeber des Baugewerbes hat dem bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer auf Verlangen nicht nur den bei ihm “verdienten Urlaub” zu gewähren, sondern auch den beim Vorarbeitgeber verdienten und durch die Lohnnachweiskarte ausgewiesenen Urlaub. Das von ihm an den Arbeitnehmer dafür gezahlte Urlaubsgeld, dessen Erstattung er von der Sozialkasse verlangen kann, kann daher höher sein als seine eigene Beitragsschuld. Die Mittel für die Erstattung des höheren Urlaubsgeldes an den Arbeitgeber werden gerade durch die Beiträge des Vorarbeitgebers, der seinerseits keinen oder nicht den vollen bis dahin verdienten Urlaub gewährt hat, aufgebracht. Fallen diese Beiträge aus, trägt die Sozialkasse das entsprechende Risiko.

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nach Ansicht des Senats jedoch im Ergebnis aus anderen Gründen als zutreffend, so daß die Revision der Klägerin zurückzuweisen wäre.

1. Der Senat ist der Ansicht, daß die Gesellschafter einer Vor-GmbH auch für nicht durch Rechtsgeschäft begründete Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur beschränkt auf ihre Einlage haften.

a) Die durch den für allgemeinverbindlich erklärten VTV-Berlin begründete Beitragspflicht zu den Sozialkassen des Baugewerbes trifft den baugewerblichen Arbeitgeber. Baugewerblicher Arbeitgeber war die schon unter der Firma “N… GmbH” handelnde Gesellschaft. Unter den Parteien ist unstreitig, daß diese Gesellschaft Arbeitnehmer mit baugewerblichen Arbeiten – der Verlegung von Fliesen – beschäftigt und diese dafür entlohnt hat. Unter dieser Firma hat der Steuerberater für die Gesellschaft der Klägerin die monatlichen Bruttolohnsummen mitgeteilt und die geschuldeten Beiträge zu den Sozialkassen errechnet. Beitragspflichtig war daher die schon unter der Firma einer GmbH handelnde Gesellschaft.

b) Dem steht nicht entgegen, daß die Gesellschaft noch nicht ins Handelsregister eingetragen war und damit nach § 11 Abs. 1 GmbHG als Gesellschaft mit beschränkter Haftung, als eigenständige juristische Person, noch nicht bestand.

Die durch Abschluß des Gesellschaftsvertrages errichtete aber noch nicht eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Vor-GmbH) untersteht einem Sonderrecht, das den gesetzlichen und vertraglichen Gründungsvorschriften und dem Recht der eingetragenen GmbH entspricht, soweit nicht die Eintragung im Handelsregister unverzichtbar ist. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 21, 242; 45, 338; 51, 30; 80, 129), der sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen hat (Urteil vom 8. November 1962 – 2 AZR 11/62 – AP Nr. 1 zu § 11 GmbHG; Urteil vom 29. März 1983 – 3 AZR 548/80 – nicht veröffentlicht). Diese Vor-GmbH kann Trägerin von Rechten und Pflichten sein, Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen (BGHZ 80, 129). Von daher kann auch die noch nicht eingetragene aber schon unter ihrer Firma “N… GmbH” handelnde Gesellschaft Schuldnerin der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes sein.

2. Für diese Beitragsschuld der Vor-GmbH haftet die Beklagte – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – nicht nach § 11 Abs. 2 GmbHG. Die Handelndenhaftung nach dieser Vorschrift erstreckt sich nur auf durch Rechtsgeschäft begründete Verbindlichkeiten. Auch das ist in der Rechtsprechung anerkannt (BGHZ 53, 210; 65, 378; auch BSG Urteil vom 28. Februar 1986 – 2 RU 21/85 – ZIP 1986, 645).

Die Beitragsschuld der Vor-GmbH gegenüber der Klägerin ist nicht durch rechtsgeschäftliches Handeln der Beklagten als Geschäftsführerin der Vor-GmbH begründet worden. Die Pflicht des baugewerblichen Arbeitgebers, Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes zu entrichten wird ihm – auch gegen seinen Willen – unmittelbar durch den für allgemeinverbindlich erklärten VTV-Berlin auferlegt. Voraussetzung für das Entstehen der Beitragsschuld ist allein, daß der baugewerbliche Arbeitgeber baugewerbliche Arbeiten durch Arbeitnehmer verrichtet und an diese dafür Arbeitsentgelt zahlt. Der Umstand, daß die Beschäftigung von Arbeitnehmern und die Erledigung baugewerblicher Arbeiten für Dritte ihrerseits auf Rechtsgeschäften mit den Arbeitnehmern oder dem Auftraggeber beruhen, reicht nicht aus, um eine Haftung der Beklagten als Geschäftsführerin der Vor-GmbH nach § 11 Abs. 2 GmbHG zu begründen. Die Handelndenhaftung basiert auf dem Gedanken, daß der im Namen der Vor-GmbH Handelnde seinem Geschäftspartner dafür einstehen muß, daß das Rechtsgeschäft auch mit der durch die Eintragung zur juristischen Person erstarkten GmbH zustande kommt. Sie erlischt folglich auch mit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister. Die ZVK hat mit der Beklagten als Geschäftsführerin der Vor-GmbH kein Rechtsgeschäft im Vertrauen darauf abgeschlossen, daß die aus diesem Rechtsgeschäft herrührenden Verbindlichkeiten demnächst von der eingetragenen GmbH erfüllt werden.

3. Die Beklagte haftet der ZVK auch nicht als Gesellschafterin der Vor-GmbH auf Erfüllung der Beitragsschuld.

Die Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH für Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft ist auf ihre Einlage – ggf. auf eine Differenzhaftung nach § 9 GmbHG oder eine Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG – beschränkt. Auch das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 65, 378; 72, 45; 80, 129; 91, 148). Die Beklagte hat ihre Einlage auf das Gesellschaftskapital voll geleistet. Anhaltspunkte dafür, daß die Einlage ihrer Mitgesellschafterin nicht erbracht worden ist und nicht mehr eingezogen werden kann, so daß die Beklagte auch auf diesen Fehlbetrag haften würde, sind nicht ersichtlich. Damit scheidet eine Haftung der Beklagten für die Beitragsschuld der Vor-GmbH gegenüber der ZVK grundsätzlich aus.

a) Daß die Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH auf ihre Einlage beschränkt ist, ist bislang nur für durch Rechtsgeschäft begründete Verbindlichkeiten entschieden worden. Für Verbindlichkeiten der Vor-GmbH die auf Gesetz – oder wie hier – auf einen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag beruhen, kann nach Ansicht des Senats nichts anderes gelten.

Wenn für die Vor-GmbH grundsätzlich das Recht der eingetragenen GmbH gilt, dann gilt für diese auch § 13 Abs. 2 GmbHG, wonach für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen, nicht aber auch die Gesellschafter persönlich haften. Dem Risiko, daß vor der Eintragung der Vor-GmbH in das Handelsregister noch nicht gesichert ist, daß das Startkapital den Gläubigern der Gesellschaft als Haftungsmasse ungeschmälert zur Verfügung steht, wird durch die Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbH begegnet. Es ist der Sinn der Eintragung der GmbH in das Handelsregister, den Gläubigern der Gesellschaft eine Gewähr dafür zu bieten, daß das Stammkapital bei der Eintragung der Gesellschaft uneingeschränkt vorhanden ist, nicht aber daß ihre Ansprüche aus dem voll eingezahlten Stammkapital der Gesellschaft auch später noch befriedigt werden können. Von daher ist die Eintragung der GmbH in das Handelsregister nicht Voraussetzung dafür, daß für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Die Beschränkung der Haftung der Gesellschafter auf ihre Einlage und ggf. auf eine Ausgleichspflicht ist daher nicht von der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister abhängig. Sie gilt daher auch für die Gesellschafter der Vor-GmbH.

b) § 13 Abs. 2 GmbHG gilt für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft, nicht nur für solche, die durch Rechtsgeschäft begründet worden sind. Auch für Beitragsschulden der Vor-GmbH zu den Sozialkassen des Baugewerbes haftet daher nur die Vor-GmbH und deren Gesellschafter nur insoweit, als sie ihre Einlage noch nicht erbracht haben oder eine Ausgleichspflicht besteht.

4. Auf der Grundlage dieser Annahme erweist sich die Klage der ZVK als unbegründet, so daß deren Revision zurückzuweisen wäre.

Der Senat kann in diesem Sinne jedoch nicht entscheiden. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 28. Februar 1986 (– 2 RU 21/85 – ZIP 1986, 645) entschieden, daß die Gesellschafter einer Vor-GmbH für von der Vor-GmbH geschuldete Beiträge zum Träger der gesetzlichen Unfallversicherung persönlich und unbeschränkt haften. Ist dieser Ansicht für durch Gesetz begründete Verbindlichkeiten der Vor-GmbH zu folgen, so muß gleiches auch für Verbindlichkeiten gelten, die auf einen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag beruhen. Der Senat vermag jedoch der Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht zu folgen.

a) Das Bundessozialgericht begründet seine Entscheidung damit, daß die Beschränkung der Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH auf ihre Stammeinlage nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs davon abhänge, ob für den Gläubiger “erkennbar die Vertretungsmacht und die entsprechenden Vertragserklärungen des Geschäftsführers darauf beschränkt waren, die Gründer nur bis zur Höhe ihrer Einlagen zu verpflichten, wobei der Wille zu einer solchen Haftungsbegrenzung nach außen schon durch die Bezeichnung “GmbH” zum Ausdruck kommen könne”. Die Beschränkung der Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH betreffe daher nur den rechtsgeschäftlichen Verkehr, wenn im Namen der zukünftigen Gesellschaft gehandelt werde, dem Geschäftspartner damit die eintretende Haftungsbeschränkung bekannt oder zumindest erkennbar ist und er sich bei Abschluß des Rechtsgeschäftes darauf einrichten könne. Für Forderungen, die unabhängig von einem rechtsgeschäftlichen Handeln kraft Gesetzes zur Entstehung gelangten, komme es jedoch auf das rechtsgeschäftlich bestimmte Gläubigerinteresse nicht an.

b) Diese Begründung des Bundessozialgerichts vermag nicht zu überzeugen.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts beruht auf der unausgesprochenen Prämisse, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur beschränkten Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH beruhe letztlich auf der Annahme, die Kenntnis des Geschäftspartners von der Tatsache, daß für eine GmbH oder Vor-GmbH gehandelt werde, führe für sich allein zu einer Beschränkung der sonst unbeschränkt bestehenden Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Vor-GmbH. Diese Annahme trifft nach Ansicht des Senats nicht zu. Wenn es – wie dargelegt – zutrifft, daß § 13 Abs. 2 GmbHG auch für Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft gilt, für diese also nur das Gesellschaftsvermögen und die Gesellschafter nur beschränkt auf ihre Einlage haften, dann besteht diese Haftung der Gesellschafter von vornherein nur beschränkt auf ihre Einlage und zwar unabhängig davon, ob der Geschäftspartner erkennen konnte, daß für die GmbH und damit mit einem Willen zur Haftungsbeschränkung gehandelt werden soll. Fehlt es an dieser Kenntnis des Geschäftspartners, dann mag eine persönliche Haftung des handelnden Gesellschafters oder Geschäftsführers aus anderen Gründen in Betracht kommen, nicht aber wird dadurch die Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Vor-GmbH erweitert. Eine unbeschränkte Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH für nicht auf einem Rechtsgeschäft beruhende Verbindlichkeiten der Gesellschaft kann daher nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, daß der Gläubiger dieser Verbindlichkeit davon, daß der Schuldner eine Vor-GmbH ist, nichts gewußt habe und dies auch nicht habe erkennen können.

Nicht auf einem Rechtsgeschäft beruhende Verbindlichkeiten knüpfen – wie die Beiträge zum Träger der gesetzlichen Unfallversicherung oder hier zu den Sozialkassen des Baugewerbes – allein an das Vorliegen bestimmter tatsächlicher Sachverhalte an. Sie entstehen ohne Rücksicht auf eine Kenntnis des Gläubigers und unabhängig von den Vermögensverhältnissen und damit der Bonität des Schuldners. Das gilt auch dann, wenn der Gläubiger dieser Verbindlichkeiten seinerseits Leistungen zu erbringen hat, die er nicht deswegen ablehnen kann, weil seine Forderungen unter Umständen nicht erfüllt werden. Auch das Bundessozialgericht erkennt, daß der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung das gesetzlich begründete Versicherungsrisiko auch bei Kenntnis der beschränkten Haftung einer Vor-GmbH nicht im Hinblick auf den Umfang des von ihr zu tragenden Risikos ablehnen kann. Das Risiko, daß geschuldete Beiträge nicht gezahlt werden, hat wie der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung auch die ZVK zu tragen. Dieses Risiko kann aber nicht dadurch ausgeschlossen oder begrenzt werden, daß für die Beitragsschulden einer Vor-GmbH auch die Gesellschafter unbeschränkt haften. Auch die eingetragene GmbH kann im Hinblick darauf, daß für deren Verbindlichkeiten nur das Gesellschaftsvermögen haftet, ein Risiko für die Beitragsforderungen darstellen. Der Umstand, daß das gesetzlich begründete Versicherungsrisiko vom Träger der gesetzlichen Unfallversicherung trotz dieses Risikos nicht abgelehnt werden kann, rechtfertigt es auch nicht, für die Beitragsschulden einer eingetragenen GmbH auch die Gesellschafter unbeschränkt haften zu lassen.

Daraus wird deutlich, daß es für die Frage, inwieweit die Gesellschafter einer Vor-GmbH für die nicht durch Rechtsgeschäft begründeten Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft haften, nicht auf die Kenntnis von der Tatsache, daß es sich um eine Vor-GmbH handelt, und die aus einer solchen Kenntnis folgenden Möglichkeit, das “Geschäft” abzulehnen, ankommt oder ankommen kann.

Der Senat versteht daher die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – anders als das Bundessozialgericht – nicht dahin, daß die Möglichkeit des Partners eines Rechtsgeschäftes mit der Vor-GmbH, dieses Rechtsgeschäft auch zu unterlassen, die Beschränkung einer sonst unbeschränkt bestehenden Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH zur Folge hat, sondern daß diese Haftung von vornherein auf die Einlage beschränkt ist und diese beschränkte Haftung gegenüber dem Gläubiger einer durch Rechtsgeschäft begründeten Verbindlichkeit auch darin seine Rechtfertigung findet, daß er das Rechtsgeschäft mit der Vor-GmbH ebenso unterlassen kann, wie ein Rechtsgeschäft mit einer eingetragenen GmbH (so im Grunde auch Fleck in EWiR § 11 GmbHG 1/86, S. 481).

Der Senat legt daher dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes die Frage zur Entscheidung vor, ob die Gesellschafter einer Vor-GmbH für nicht rechtsgeschäftlich begründete Verbindlichkeiten der Vor-GmbH nur beschränkt haften.

III. Das Verfahren war bis zur Entscheidung durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes auszusetzen.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Lindemann, Großmann

 

Fundstellen

Haufe-Index 871606

BAGE, 335

NZA 1996, 95

GmbHR 1995, 892

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