Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsrechtlicher Status eines Forstassessors

 

Orientierungssatz

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welcher der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils steht. Danach ist Arbeitnehmer derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Insoweit enthält § 84 Abs 1 S 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und persönlich abhängig ist der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist.

2. Kann ein Forstassessor den Ort seiner Arbeitsleistung jedenfalls dann selbst bestimmen, wenn Arbeitsaufträge sich überschneiden und unterliegt er, was Lage und Dauer der Arbeit angeht, keiner genau festgelegten zeitlichen Vorgabe und deren Kontrolle, so ist er kein Arbeitnehmer.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 631; HGB § 84 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 26.01.1988; Aktenzeichen 16 (5) Sa 1440/87)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.08.1987; Aktenzeichen 6 Ca 2806/87)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Der am 9. Februar 1955 geborene Kläger hat Forstwirtschaft studiert und am 24. Juni 1982 die Große Staatsprüfung für den höheren Forstdienst mit der Note "befriedigend" abgelegt. Anschließend bewarb er sich mehrfach beim beklagten Land um Einstellung als Beamter für den höheren Forstdienst. Seine Bemühungen blieben jedoch wegen fehlender Planstellen ohne Erfolg.

In der Zeit von 1982 bis 1985 schloß das beklagte Land mit dem Kläger 27 Verträge ab, welche die Grundlage für die vom Kläger zu erstellende "Wallheckenkartierung" bildeten.

Die Verträge hatten im wesentlichen folgenden gleichlautenden Wortlaut:

"Werkvertrag

-----------

Zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen ...

und dem Auftragnehmer

Herrn Matthias W ...

wird folgender Werkvertrag gemäß §§ 631 ff.

BGB geschlossen:

§ 1

Die HF beauftragt den Auftragnehmer mit der

Anfertigung nachstehender Arbeiten:

1. Erfassung und Beschreibung (u. a. nach Baum-

und Straucharten) sowie Kategorisierung der

Wallhecken, Windschutzstreifen und -anlagen.

2. Farbliche Darstellung der Waldflächen einschließ-

schließlich der Flurgehölze mit grober Angabe von

Laub-, Nadel- oder Mischwald.

3. Farbliche Darstellung der sonstigen Hecken und

Baumreihen, Bäume, markante Einzelbäume bzw.

Baumgruppen. Die Darstellung erfolgt auf Licht-

pausen der DGK 5 mit Farbstiften (nach Verein-

barung) sowie durch Signaturen. Die Ergebnisse

sind je Kartenblatt und außerdem in einem

Erläuterungsbericht darzustellen. Der Vertrag

bezieht sich auf die Grundkartenblätter (siehe

Anlage).

§ 2

.....

§ 3

Der Auftragnehmer verpflichtet sich, das Werk zu-

verlässig und technisch einwandfrei nach den gegebenen

Weisungen der HF und der Landesanstalt für Ökologie, Land-

schaftsentwicklung und Forstplanung (LÖLF) bis zum

... herzustellen.

§ 4

Für die nach § 1 anzufertigenden Arbeiten wird folgende

Vergütung einschließlich Mehrwertsteuer vereinbart:

...

Mit diesem Betrag sind sämtliche Neben-, Reise- und

Sachkosten abgegolten. Das für den Auftragnehmer zu-

ständige Finanzamt erhält Nachricht über die gezahlten

Leistungen.

§ 5

Die vereinbarte Vergütung wird fällig, wenn der Auf-

tragnehmer sämtliche Leistungen aus diesem Werkvertrag

erfüllt, die prüffähige Schlußrechnung eingereicht

hat und die Arbeiten von der LÖLF abgenommen worden sind.

.....

§ 6

Die LÖLF, die HF und das Forstamt .... sind berech-

tigt, sich jederzeit über den Stand der Arbeiten und die

Art der Durchführung durch Einblick in die fertiggestell-

ten Teile des Werkes oder durch örtliche Prüfung zu unter-

richten.

§ 7

Die bei der Prüfung oder bei der Abnahmeprüfung festge-

stellten Mängel sind vom Auftragnehmer nach angemessener

Frist ohne besondere Vergütung zu beseitigen.

§ 8

.....

§ 9

Aus dem Abschluß dieses Werkvertrages ist ein Anrecht

auf Abschluß eines weiteren Werkvertrages bzw. auf Ein-

stellung in den Dienst der Landwirtschaftskammer Westfalen-

Lippe nicht abzuleiten."

Im einzelnen handelte es sich - geordnet nach Abschlußdatum, Fertigstellungstermin und Vergütung - um folgende Verträge:

1. 26.07.1982 12.08.1982 2.400,-- DM

2. 12.08.1982 03.09.1982 2.400,-- DM

3. 27.09.1982 20.10.1982 2.400,-- DM

4. 18.10.1982 10.11.1982 2.400,-- DM

5. 15.11.1982 10.12.1982 2.400,-- DM

6. 26.01.1983 18.02.1983 2.400,-- DM

7. 28.02.1983 14.03.1983 2.400,-- DM

8. 18.04.1983 20.05.1983 4.800,-- DM

9. 24.05.1983 24.06.1983 4.800,-- DM

10. 27.06.1983 20.07.1983 4.800,-- DM

11. 21.07.1983 19.08.1983 6.000,-- DM

12. 01.09.1983 12.10.1983 6.600,-- DM

13. 20.12.1983 20.02.1984 8.400,-- DM

14. 20.02.1984 20.03.1984 4.800,-- DM

15. 16.04.1984 16.06.1984 7.200,-- DM

16. 04.06.1984 06.08.1984 7.200,-- DM

17. 05.06.1984 27.08.1984 7.200,-- DM

18. 20.08.1984 24.09.1984 7.200,-- DM

19. 15.10.1984 10.12.1984 6.000,-- DM

20. 25.03.1985 25.04.1985 4.800,-- DM

21. 27.03.1985 27.05.1985 4.800,-- DM

22. 28.05.1985 28.06.1985 7.200,-- DM

23. 24.05.1985 24.07.1985 7.200,-- DM

24. 18.09.1985 18.10.1985 4.800,-- DM

25. 30.09.1985 30.10.1985 4.800,-- DM

26. 15.10.1985 15.11.1985 4.800,-- DM

27. 16.10.1985 16.11.1985 4.800,-- DM

Die Vergütung richtete sich nach der Anzahl der Grundkarten. Für jede Grundkarte zahlte das beklagte Land dem Kläger einschließlich Mehrwertsteuer 600,-- DM.

Unter dem 4. November 1986 schloß das beklagte Land mit dem Kläger folgenden weiteren Vertrag:

"Werkvertrag

-----------

Zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen... und dem

freiberuflich tätigen Herrn Ass. d. F. Matthias W

.....

wird folgender Werkvertrag gemäß §§ 631 ff. BGB ge-

schlossen:

§ 1

Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der

Anfertigung nachstehender Arbeiten:

Beschreibung und kartenmäßige Darstellung aller über

20jährigen flächigen Anbauten mit den Baumarten

Douglasie, Riesenlebensbaum und Hemlocktanne im

Forstamt X .

Es sind zu liefern:

- die ausgefüllten Bestandesblätter

- eine nach Baumarten und Altersstufen gegliederte

Gesamtübersicht für den Forstamtsbereich.

- die kartenmäßige Darstellung der beschriebenen

Anbauten auf den TK 25 und DGK 5 (gemäß Anlage)

§ 2

Zu diesem Zweck stellt der Auftraggeber nachstehend auf-

geführte Unterlagen/Arbeitsmittel zur Verfügung, die bei

Abnahme des Werkes zurückzugeben sind:

Aufnahmeformulare, topogr. Karten, Grundkarten,

Höhenmesser und Kluppe

§ 3

.....

§ 4

Für die nach § 1 anzufertigenden Arbeiten wird folgende

Vergütung einschließlich Mehrwertsteuer vereinbart: ...

Mit diesem Betrag sind auch sämtliche Neben-, Sach- und

Reisekosten abgegolten. Die Abführung der auf die Ver-

gütung fälligen Steuern und Abgaben, insbes. Mehr-

wertsteuer an das zuständige Finanzamt ist Sache des

Auftragnehmers.

§ 5

Die vereinbarte Vergütung wird fällig, wenn der Auftrag-

nehmer sämtliche Leistungen aus diesem Werkvertrag er-

füllt, die prüffähige Schlußrechnung eingereicht hat

und die Arbeiten vom Auftraggeber abgenommen worden

sind. ...

§ 6

Der Auftraggeber ist berechtigt, sich jederzeit über

den Stand der Arbeiten und die Art der Durchführung

durch Einblick in die fertiggestellten Teile des Werkes

oder durch örtliche Prüfung zu unterrichten.

§ 7

Die bei einer Prüfung oder bei der Abnahmeprüfung fest-

gestellten Mängel sind vom Auftragnehmer nach angemessener

Frist ohne besondere Vergütung zu beseitigen.

§ 8

.....

§ 9

.....

§ 10

....."

Eine Anlage zu diesem Vertrag hat folgenden Inhalt:

" § 10 a

Der Vertragsnehmer verpflichtet sich vor Anfang

der Geländearbeiten das zuständige Forstamt sowie

die zuständigen Forsteinrichtungsbezirke aufzusuchen

und die Besprechungstermine auf dem zum Werkvertrag

gehörenden Laufzettel zu vermerken."

Mit Schreiben vom 10. März 1987 teilte der zuständige Landesminister des Beklagten dem Kläger folgendes mit:

"Ich bin bereit, mit Ihnen einen weiteren Werk-

vertrag abzuschließen, weise allerdings darauf

hin, daß darüber hinaus ein nochmaliger Ver-

tragsabschluß nicht mehr in Betracht kommen kann.

Die Höhere Forstbehörde in M hat bereits über

die zu vergebenden Werke und die zugewiesenen Haus-

haltsmittel verfügt.

Ich darf Sie deshalb bitten, sich in diesem Falle mit

der Höheren Forstbehörde R in B ...

in Verbindung zu setzen."

Daraufhin schlossen die Parteien am 6. April 1987 folgenden "Werkvertrag":

"Das Land Nordrhein-Westfalen ...

im folgenden Besteller genannt,

und

Herr

Matthias W ...

im folgenden Unternehmer genannt,

schließen folgenden Werkvertrag:

Der Unternehmer stellt für den Besteller bis

zum ...

folgende Werkleistungen her :

Beschreibung der Leistung:

Erarbeitung des forstlichen Fachbeitrages zum

Landschaftsplan Düren .....

Die als Festpreis vereinbarte Vergütung von

...

ist zahlbar nach Ablieferung der mängelfreien

Arbeiten und Rückgabe der überlassenen Unterlagen.

In vorstehenden Beträgen ist die Mehrwertsteuer

enthalten. Irgendwelche Nebenkosten werden nicht besonders

vergütet. ..."

Dieser Vertrag wurde von der Höheren Forstbehörde des Beklagten zumindest bis zum 31. August 1987 verlängert. Die Erarbeitung des "forstlichen Fachbeitrags zu den Landschaftsplänen" war durch ministeriellen Erlaß vom 1. Juli 1985 eingehend geregelt.

Zur Erledigung seiner Aufgaben arbeitete der Kläger jeweils etwa zur Hälfte im Freien und in geschlossenen Räumen. Im Rahmen seiner Tätigkeit führte er Telefongespräche in den Forstämtern und fertigte dort auch Fotokopien an, ohne daß diese ihm in Rechnung gestellt wurden.

Der Kläger hat vorgetragen, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis. Die in enger zeitlicher Folge geschlossenen "Werkverträge" seien in Wirklichkeit Arbeitsverträge. Er, der Kläger, sei auch in den Arbeitsablauf der betroffenen Dienststellen eingebunden gewesen. Seine Vergütung habe ungefähr der Vergütung eines Forstassessors entsprochen. Seine Tätigkeit sei nach der Vergütungsgruppe II a BAT zu bewerten. Darüber hinaus sei er mit zusätzlichen Arbeiten betraut worden. So habe er andere Forstassessoren eingearbeitet und Verstöße gegen das Landschaftsgesetz gesammelt und gemeldet.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß er in einem unbefristeten

und ungekündigten Dienstverhältnis als Forst-

assessor zu dem Land Nordrhein-Westfalen steht,

2. festzustellen, daß er im Rahmen des Dienstver-

hältnisses gemäß Ziff. 1 in die Vergütungsgruppe

II a BAT eingruppiert ist,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Forstassessor

tatsächlich weiterzubeschäftigen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat geltend gemacht, die mit dem Kläger geschlossenen Verträge seien Werkverträge gewesen. Ein Arbeitsverhältnis sei zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Es sei lediglich darum gegangen, dem Kläger aus sozialem Mitgefühl eine Verdienstmöglichkeit zu schaffen. Der Kläger sei, bis auf die Abgabefrist, in der Ausführung der Verträge völlig frei gewesen. Er sei weder in den Behördenbetrieb eingegliedert noch an Arbeitsstunden gebunden gewesen. Es sei ihm kein Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt und auch kein Urlaub gewährt worden. Die Notwendigkeit zur ständigen Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des beklagten Landes habe nicht bestanden. Unter diesen Umständen sei der Kläger allenfalls wirtschaftlich, nicht aber persönlich abhängig gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision, mit der das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es könne ungeklärt bleiben, ob schon die ersten Verträge der Parteien als Arbeitsverträge angesehen werden müßten. Auch wenn die Parteien ihre vertraglichen Beziehungen anfangs noch auf eine geringere persönliche Abhängigkeit des Klägers angelegt hätten, schließe dies nicht aus, daß sich der Inhalt der Rechtsbeziehungen später durch die Art, in der sie ihre Zusammenarbeit gestaltet hätten, geändert habe und ursprünglich gewollte Werkverträge in ein Arbeitsverhältnis umgeschlagen seien. Jedenfalls sei im Jahre 1983 der Zeitpunkt eingetreten, ab dem von einem Arbeitsverhältnis auszugehen sei.

Dieses näher begründete Ergebnis hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

II. 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welcher der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils steht. Danach ist Arbeitnehmer derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und persönlich abhängig ist der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Allerdings gilt die genannte Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über diesen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält die Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal da sie die einzige Norm darstellt, die Kriterien hierüber aufzählt (vgl. BAGE 36, 77, 84 = AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 3 b der Gründe; sowie aus neuester Zeit BAGE 41, 247, 253 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe).

Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation wird insbesondere dadurch deutlich, daß ein Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführungen der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Häufig tritt auch eine fachliche Weisungsgebundenheit hinzu. Diese ist aber für Dienste höherer Art nicht immer typisch (BAGE 41, 247, 253 f. = AP Nr. 42 aaO, zu B II 1 der Gründe, m. w. N.).

2. Über die danach vorzunehmende Einordnung des Rechtsverhältnisses (Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag) entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge (z. B. Dienstvertrag ohne Kündigungsschutz) oder eine von ihnen gewählte Bezeichnung, die dem Geschäftsinhalt in Wahrheit nicht entspricht. Der jeweilige Vertragstyp kann nur aus dem wirklichen Geschäftsinhalt erkannt werden. Dieser Geschäftsinhalt kann sich aus den getroffenen Vereinbarungen wie auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung des Vertrages einander, ist die letztere maßgebend. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse daraus ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien ausgegangen sind (vgl. statt vieler: BAGE 41, 247, 258 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe, m. w. N.).

3. Das Landesarbeitsgericht ist zwar überwiegend von diesen Grundsätzen ausgegangen, das von ihm gefundene Subsumtionsergebnis ist jedoch nicht zutreffend.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe zwar hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste gewisse Freiheiten gehabt. Diese dürften jedoch nicht überbewertet werden. Vielmehr seien die Besonderheiten der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit zu beachten, die sich im tatsächlichen Ablauf kaum anders gestaltet hätte, wenn die Parteien ihren Beziehungen die Rechtsform des Arbeitsvertrages gegeben hätten. Soweit der Kläger im Freien gearbeitet habe, sei ihm der Ort seiner Tätigkeit vorgegeben gewesen, weil er bestimmte Gebiete unter forstlichen Aspekten habe erfassen müssen. Daß er sich innerhalb dieses Gebietes mehr oder weniger frei habe bewegen können, sei typisch für diese Arbeit im Freien.

Diesen Ausführungen kann nur teilweise zugestimmt werden.

Mag sich auch die Tätigkeit des Klägers an Ort und Stelle rein äußerlich nicht von der eines angestellten Forstassessors unterschieden haben, so war der Kläger - im Gegensatz zu letzterem - nicht verpflichtet, seine Tätigkeit im "Innendienst", die ebenfalls die Hälfte seiner Arbeitsleistung ausmachte, in den Räumen der Beklagten zu erbringen. Er konnte seine vertraglichen Verpflichtungen vielmehr zu Hause erfüllen. Daher war ihm - im Gegensatz zu den Angestellten des beklagten Landes - auch kein Dienstzimmer zugewiesen worden.

Hinzukommt, daß der Kläger - anders als die angestellten Forstassessoren des beklagten Landes - auch den Ort seiner Arbeitsleistung jedenfalls dann selbst bestimmen konnte, wenn sich seine Arbeitsaufträge überschnitten, was dann der Fall war, wenn er mehrere Aufträge gleichzeitig zu erledigen hatte. Dieses Bestimmungsrecht ist für ein Arbeitsverhältnis nicht typisch.

b) Das Landesarbeitsgericht hat weiter angenommen, was die Lage und Dauer der Arbeitszeit anbelange, so habe der Kläger zwar keiner genau festgelegten zeitlichen Vorgabe und deren Kontrolle unterlegen. Aber auch dafür liege ein wesentlicher Grund in der Besonderheit seiner Tätigkeit. Selbst wenn die Parteien ihre Beziehung in die Rechtsform eines Arbeitsvertrages gekleidet hätten, wäre es nicht notwendig und sinnvoll gewesen, neben den Kläger einen "zweiten Mann" zu stellen, der prüfte, ob und wann der Kläger im Freien arbeitete. Es gebe eben in Arbeitsverhältnissen Tätigkeiten, die sich der Natur der Sache nach nicht für eine zeitliche Kontrolle eigneten. Da der Kläger bei der Gestaltung seiner Arbeit im Freien über Freiheiten verfügt habe, habe dies notwendigerweise auch für die daran gekoppelte vorbereitende und nachbereitende Tätigkeit im Hause gegolten, selbst wenn er diese vollständig in einer Dienststelle des beklagten Landes verrichtet hätte.

Indessen war der Kläger hinsichtlich der zeitlichen Lage und hinsichtlich Dauer seiner Arbeitszeit keinerlei Weisungen unterworfen. Er entschied selbst, ob und in welchem Umfang er arbeiten wollte. Insbesondere war es ihm unbenommen, einen Teil seiner Arbeit im Innendienst in den Abend- oder Nachtstunden zu Hause zu erledigen. Er konnte ferner samstags sowie an Sonn- und Feiertagen arbeiten, wenn er dies für erforderlich hielt. Auch insoweit unterschied sich der Kläger von einem im öffentlichen Dienst beschäftigten Forstassessor, dessen Lage der Arbeitszeit sowie die einzuhaltenden Pausen genau festgelegt sind.

Auch die Dauer der Arbeitszeit des Klägers war nicht festgelegt, so daß er nicht nur über die im öffentlichen Dienst übliche Arbeitszeit hinaus arbeiten konnte, sondern an die in der Arbeitszeitordnung festgelegten Grenzen überhaupt nicht gebunden war. Andererseits war der Kläger in der Lage, seine Tätigkeit nach Belieben früher zu beenden oder sie erst gar nicht aufzunehmen, wenn er dies nicht für erforderlich hielt.

c) Das Landesarbeitsgericht hat weiter angenommen, der Kläger sei zwar nicht ständig in eine Gruppe eingebunden gewesen, das spreche jedoch nicht von vornherein gegen ein Arbeitsverhältnis, weil auch ein Arbeitnehmer aufgrund der Eigenart seiner Tätigkeit längere Zeit eigenständig arbeiten könne und nur gelegentlich mit Arbeitskollegen in Verbindung treten müsse. So habe der Kläger an Vorbesprechungen teilnehmen und sich mit anderen Forstbeamten abstimmen müssen.

Der Kläger war jedoch wegen der genannten, nur gelegentlich eintretenden Umstände nicht in die betrieblich-behördliche Organisation des beklagten Landes eingegliedert. Dagegen spricht bereits, daß er im wesentlichen - von geringfügigen Ausnahmen abgesehen - Umfang und zeitliche Lage seiner Arbeitszeit frei bestimmen konnte. Im übrigen war es ihm möglich, beliebige Teile seiner Arbeit vorzuziehen oder zurückzustellen. Auch dies zeigt, daß der Ablauf seiner Tätigkeit selbstbestimmt, nicht aber fremdbestimmt war.

d) Bedeutsam ist weiter, daß es dem Kläger freigestellt war, neben seiner Tätigkeit für das beklagte Land gleichzeitig noch andere Aufgaben wahrzunehmen. Die einzelnen Verträge der Parteien folgten auch nicht nahtlos aufeinander. Teilweise überschnitten sie sich, teilweise lagen aber auch mehrere Monate zwischen der Beendigung eines und dem Abschluß eines weiteren Vertrages. Auch dieser Umstand ist für ein Arbeitsverhältnis untypisch. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß der Kläger in der gesamten Zeit, in der er für das beklagte Land tätig war, weder Urlaub beantragt hat noch daß ihm solcher gewährt wurde. Dies läßt nur den Rückschluß zu, daß die Parteien nicht davon ausgingen, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Urlaub zu.

4. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen Anhaltspunkte für eine persönliche Abhängigkeit des Klägers nicht vor.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger verwerte nicht wie ein Unternehmer seine Arbeitskraft nach selbstgesetzten Zielen unter eigener Verantwortung und mit eigenem Risiko am Markt, sondern sei darauf angewiesen, seine Arbeitskraft fremdnützig dem Land zur Verwertung nach dessen Planung zu überlassen. Das Land mache dem Kläger Vorgaben und setze ihm Ziele. Daß der Kläger ein Unternehmerrisiko getragen habe und einzelne Werke nicht abgenommen oder finanziell verlustreiche Nachbesserungen verlangt worden seien, sei nicht ersichtlich.

Das kann nicht überzeugen.

Selbst wenn es tatsächlich nicht dazu gekommen ist, daß der Kläger Nachbesserungen vornehmen mußte oder die Abnahme eines "Werkes" verweigert worden wäre, wäre der Kläger rechtlich doch verpflichtet gewesen, die bei einer Abnahmeprüfung festgestellten Mängel innerhalb angemessener Frist ohne besondere Vergütung zu beseitigen (§ 7 der Werkverträge). Es ist ein Zeichen für die Qualität der Leistung des Klägers, wenn das beklagte Land von dem ihm rechtlich zustehenden Mängelbeseitigungsanspruch keinen Gebrauch machen mußte. Die Verpflichtung des Klägers, Mängel ohne besondere Vergütung zu beseitigen, spricht ebenfalls für einen Werkvertrag und nicht dagegen. Darauf, ob der Kläger tatsächlich Mängel beseitigt hat, kommt es nicht an.

b) Weiter hat das Landesarbeitsgericht angenommen, maßgeblich sei, daß es sich bei den vom Kläger verrichteten Tätigkeiten um dauernde, regelmäßig anfallende und typischerweise von der einschlägigen Verwaltung zu erledigende Aufgaben gehandelt habe. Der Kläger habe eben nicht - was gegen ein Arbeitsverhältnis gesprochen hätte - eine kurzfristige Dienstleistung außerhalb des eigentlichen unternehmerischen Ziels des Dienstberechtigten oder nur in längeren Zeitabständen vereinzelte Zuarbeiten erbracht. Vielmehr verdeutlichten die Fakten, daß das beklagte Land ständig mit dem Kläger gerechnet und ihn in seinen Verwaltungsablauf eingeplant habe.

Darauf, ob es sich bei den vom Kläger verrichteten Tätigkeiten um Aufgaben handelte, die üblicherweise oder bisher von der Forstverwaltung wahrgenommen worden sind, kommt es nicht entscheidend an. Selbst wenn es sich um solche Aufgaben gehandelt hätte, bleibt es der Verwaltung überlassen, entsprechende Aufträge - auch aus haushaltsrechtlichen Gründen - an Dritte zu vergeben, ohne daß diese damit zu Bediensteten der Behörde werden. Dieser Erledigungsweg wird von Behörden in bestimmten Fällen sogar als zweckmäßig angesehen, weil sie bei fehlerhafter Werkleistung kostenlose Nachbesserung verlangen können.

Sofern das Landesarbeitsgericht von einer ständigen "Dienstbereitschaft" des Klägers ausgeht, kann auch aus diesem Umstand auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht geschlossen werden.

Unstreitig war der Kläger jederzeit bereit, Arbeiten für das beklagte Land zu verrichten. Der Grund dafür lag in der auch für Forstassessoren schwierigen Stellensituation, insbesondere in der Tatsache, daß die freie Wirtschaft nur wenige Arbeitsplätze für Assessoren des Forstdienstes zur Verfügung hat. Aus der Bereitschaft des Klägers zur Übernahme weiterer Aufträge können jedenfalls Rückschlüsse auf ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht gezogen werden.

c) Weiter hat das Landesarbeitsgericht angenommen, zwischen den Parteien bestehe auch deshalb ein Arbeitsverhältnis, weil Herr der Planung der klägerischen Tätigkeit das beklagte Land gewesen sei und der Kläger bis ins Detail den Arbeitsanweisungen des Landes unterworfen gewesen sei. Eine weitere Einbindung des Klägers durch einzelne Vorgaben sei bei der Wallheckenkartierung durch eingehende schriftlich protokollierte Vorbesprechungen vorgenommen worden. So machten die §§ 3, 6 der einschlägigen Verträge deutlich, daß der Kläger ähnlich einem Arbeitnehmer bei der Wallheckenkartierung einer ständigen Beobachtung und Eingriffsbefugnis des beklagten Landes unterworfen gewesen sei.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergeben sich weder aus § 3 noch aus § 6 der genannten Verträge Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger persönlich abhängig im Sinne eines Arbeitnehmers war. Diesen Vertragsbestimmungen ist lediglich zu entnehmen, daß die Behörde das Recht hatte, Anweisungen hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Tätigkeit zu geben und sich über ihren Stand und ihre Durchführung zu unterrichten (§ 6). Hierbei handelt es sich um das Recht des Bestellers, dessen Wahrnehmung nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit des Unternehmers führt. Im Streitfall entschied der Kläger allein, wann er arbeiten wollte. Es kam für ihn nur darauf an, ein fehlerfreies Arbeitsergebnis zu einem bestimmten Termin vorzulegen. Die Vorgaben des beklagten Landes entsprachen nicht einem persönlichen Weisungsrecht eines Vorgesetzten, sondern allein fachlicher Notwendigkeit. Das wird besonders dadurch deutlich, daß Abstimmungen auch mit anderen Stellen erforderlich waren, die mit der auftraggebenden Dienststelle selbst nichts zu tun hatten. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger weitergehenden Weisungen unterworfen gewesen wäre als beispielsweise ein Bauunternehmer, der an Pläne des Architekten und Vorstellungen des Bauherrn gebunden ist.

d) Ferner hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger sei für seine forstlichen Fachbeiträge zu den Landschaftsplänen nicht wie ein Unternehmer für ein fertiggestelltes Werk, sondern wie ein Arbeitnehmer für geleistete Arbeit entlohnt worden. Das zeige die Abrechnung auf Stundenlohnbasis. An die Abdeckung wesentlich höherer Unternehmerkosten sei demzufolge nicht gedacht worden.

Auch dem kann nicht gefolgt werden, weil von der Berechnung der Vergütung nicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses geschlossen werden kann. In der Bezahlung kommt lediglich der Wille zum Ausdruck, den Kläger den Umständen nach angemessen zu vergüten.

e) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht angenommen, deutlich für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spreche, daß der Kläger mit den Arbeitsmitteln des beklagten Landes - Kartenmaterial, Telefon, Kopierer, Höhenmesser sowie Kluppe - gearbeitet habe.

Richtig ist allerdings, daß es zu den Aufgaben des Arbeitgebers gehört, dem Arbeitnehmer die erforderlichen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Es deutet daher auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses hin, wenn Hilfsmittel bereitgehalten werden. Dieser Umstand verliert vorliegend aber dadurch an Gewicht, daß diese Hilfsmittel dem Kläger nicht ständig zugänglich waren. So hatte er gerade kein eigenes Dienstzimmer, wie dies bei den angestellten Forstassessoren üblich ist. Auch hätte er sich die Hilfsmittel ohne größeren Aufwand selbst beschaffen können, so daß deswegen eine persönliche Abhängigkeit des Klägers von dem beklagten Land nicht eintrat.

Soweit der Kläger behauptet hat, er habe andere Assessoren eingearbeitet, ist dieser Vortrag zu unsubstantiiert, als daß allein daraus auf eine Eingliederung des Klägers in die Verwaltungsorganisation des beklagten Landes geschlossen werden könnte.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog

Pallas Dr. Frey

 

Fundstellen

Haufe-Index 439794

RzK, I 4a 23 (ST1)

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