Leitsatz (amtlich)

  • Ein Arbeitsvertrag ist nicht schon deshalb nichtig (§ 134 BGB, § 35 AVAVG), weil er durch Vermittlung einer ausländischen Agentur zustandegekommen ist.
  • Besitzt ein ausländischer Arbeitnehmer noch nicht die nach § 43 AVAVG erforderliche Beschäftigungsgenehmigung, so ist ein mit einem inländischen Arbeitgeber abgeschlossener Arbeitsvertrag deshalb nicht von vornherein nichtig, sondern nur schwebend unwirksam, wenn und solange mit der Erteilung der Arbeitserlaubnis vor Arbeitsbeginn noch gerechnet werden kann.
  • Zum Verschulden bei Vertragsverhandlungen, wenn der Arbeitgeber entgegen dem Wunsch des Arbeitnehmers davon absieht, seinerseits die Arbeitserlaubnis zu beantragen.
 

Normenkette

AVAVG §§ 35, 43, 210-211, 217 Nr. 3; BGB §§ 134, 276; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 10.04.1968; Aktenzeichen 1 Sa 55/68)

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 10. April 1968 – 1 Sa 55/68 – aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist Leiter der Kapelle “T… -Quintett”. Er besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Beklagte ist Inhaber des Café Europa in B….

Die Parteien und die E…-M…-Establishment, Internationale Kapellen- und Artistenvermittlung, Vaduz, Liechtenstein, unterzeichneten einen schriftlichen Engagementsvertrag, der das Datum des 3. November 1966 trägt.

In dem Vertrag heißt es u.a.:

“Zwischen Herrn Heinz F…, G…, W… 39 (Kontrahent I), und Herrn Hans T…, z.Zt. K…, A…-Cab. (Kontrahent II),

ist heute durch die E…-M…-Establishment, Vaduz, folgender Vertrag abgeschlossen worden:

  • Kontrahent I verpflichtet Kontrahent II, bestehend aus fünf Herren, für den Betrieb Café Europa, B…, für die Zeit vom 1. Oktober 1967 bis 31. Oktober 1967.
  • Kontrahent I zahlt dem Kontrahent II eine Gesamtmonatsgage in Höhe von 11.500,- DM brutto.
  • Bei schuldhafter Nichterfüllung dieses Vertrages hat der vertragsbrüchige Kontrahent eine Konventionalstrafe in Höhe der vereinbarten Monatsgage zu zahlen. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens bleibt vorbehalten.”

Die E…-M… hat auch weitere Kapellen dem Beklagten vermittelt. Sie besitzt keine Genehmigung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der Bundesrepublik.

Am 14. April 1967 schrieb die E…-M… an den Beklagten:

“…

In Beantwortung Ihres Schreibens vom 5. d.M. muß ich Ihnen leider mitteilen, daß die Kapelle “V… R… ” für den Monat Mai in Deutschland keine Arbeitsgenehmigung bekommt. Herr E… hat es versäumt, beim Vertragsabschluß mit Ihrem Haus eine Deutsche Agentur zuzuziehen. In Ihrer Angelegenheit war ich gestern beim Künstlerdienst in M… und hatte mit Herrn Ö… eine Aussprache. Herr Ö… teilte mir mit, daß er für den Monat Mai noch eine erstklassige Kapelle anbieten kann.

Weiter möchte ich Ihnen mitteilen, daß Herr E… nicht mehr bei unserer Agentur ist und daher auch nicht berechtigt ist, Verträge irgendwelcher Art abzuschließen.

Bezüglich der “6 L… ” kann ich Ihnen mitteilen, daß die Kapelle die Formulare für die Arbeitsgenehmigung umgehend absenden wird. Einen Zweitvertrag über eine Deutsche Agentur werde ich Ihnen ebenfalls zusenden.

…”.

In einem weiteren Schreiben der E…-M…, gerichtet an die Internationale Kapellenagentur G… in H…, vom 18. April 1967 heißt es:

“Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 13. d.M. muß ich Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, daß die Kapelle “R… ” für den Monat Mai anderweitig abgeschlossen hat. Gleiches teilte ich bereits mittels eingeschriebenen Briefes Herrn F… in B… mit.

Der von uns seinerzeit beauftragte Herr E…, der inswischen von unserer Agentur ausgeschlossen wurde, hat einige Verträge in Deutschland abgeschlossen und wir sahen uns gezwungen, alle diese Verträge zu stornieren. Dessen ungeachtet wäre an einem Gemeinschaftsabschluß der “6 L… ” für den Monat Juli nichts einzuwenden; genannte Kapelle wäre auch für den Monat Juni noch zu placieren.

Es würde mich freuen, wenn Sie die Sache mit Herrn F… in Ordnung bringen könnten. Ich glaube, es wird Ihnen bestimmt noch gelingen, den Mai zu besetzen.

…”.

Die Agentur G… hat dem Beklagten den Inhalt dieses Schreibens nach dessen nicht bestrittenen Vortrag mitgeteilt. Der Beklagte schrieb am 10. Mai 1967 seinerseits an den Inhaber der E…-M… wie folgt:

“Auf Grund der Tatsache, daß Ihr uns vermitteltes R… -Quintett im Mai 1967 den Vertrag nicht erfüllte, bedauern wir, Ihnen heute mitteilen zu müssen, daß wir sämtliche mit Ihnen abgeschlossenen Verträge annullieren.

In der Anlage empfangen Sie die Verträge

V…-R… Quintett

Herr Erich L…

6 L…-Men

Herr Mladen H…

Hans T… Quintett

Herr Hans T…

Peter und P… Quintett

Herr Peter L…

zu unserer Entlastung.

Wie Ihnen bekannt ist, kann Ihre Agentur Buchungen auf dem Territorium der Bundesrepublik nicht durchführen, da sie nicht zugelassen ist.

Sollten wir uns nach persönlichem Anhören entschließen, die 6 L…-Men für Juli 1967 doch zu verpflichten, so wird unsererseits die Agentur G… H… damit beauftragt werden. In diesem Falle wird eine Provisionsteilung erfolgen. Wir hoffen, daß Sie damit einverstanden sind.”

Der Kläger erfuhr von der “Annullierung” des Vertrages nichts. Er teilte am 26. August 1967 dem Beklagten seine Ankunft für den 1. Oktober 1967 mit und bat gleichzeitig, die Arbeitsgenehmigung für zwei Kapellenmitglieder einzuholen, die schweizerische Staatsangehörige seien. Der Beklagte antwortete dem Kläger mit Schreiben vom 2. September 1967 wie folgt:

“Ich bestätige dankend Ihren Brief mit Bildern vom 26. August 1967. Wie Ihnen wohl auch bekannt sein dürfte, ist keine ausländische Agentur, ohne Zwischenschaltung einer deutschen Agentur, berechtigt, in der BRD irgendwelche Kapellenverträge abzuschließen. Folglich sind alle Verträge der E…-M…, Vaduz, nichtig. Durch die Schwierigkeiten, die unserem Haus im Mai d.J. durch die unlauteren Methoden vorgenannter Agentur entstanden sind, haben wir im Mai 1967 alle Verträge schriftlich annulliert.”

Die E…-M… schrieb am 13. September 1967 an den Kläger:

“Erst heute haben wir Ihren Brief vom 6. d.M. erhalten, in dem Sie mitteilen, daß Ihr Vertrag nach B… storniert wurde.

Dazu möchten wir mitteilen, daß alle, seinerzeit durch Herrn E… abgeschlossenen Verträge mit dem Café Europa, B…, rückgängig gemacht wurden. Herr E… ist aus diesem Grunde auch von unserer Agentur ausgeschieden. Die Direktion in B… hat uns seinerzeit mitgeteilt, daß sie alle Verträge an die Agentur G… weiterleiten würde.

Da wir von Ihnen keine Privatadresse hatten und Sie uns auch nicht über Ihre jeweiligen Engagements unterrichteten, konnten wir Sie leider nicht früher benachrichtigen. Natürlich werden wir uns bemühen, für den Monat Oktober ein Ersatz- engagement zu finden, doch können wir im Augenblick noch nichts zusagen.

…”.

Der Kläger macht mit der Klage die in § 9 des Vertrages vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe der Monatsgage geltend. Er ist der Auffassung, der Engagementsvertrag sei rechtswirksam abgeschlossen und behauptet, er habe so kurzfristig für den Monat Oktober kein anderes Engagement finden können. Für eine Annullierung habe kein Grund bestanden. Als deutscher Staatsangehöriger habe er keine Arbeitserlaubnis benötigt. Wenn die zwei schweizerischen Mitglieder seiner Kapelle keine Arbeitserlaubnis erhalten hätten, hätte er Ersatzmitglieder stellen müssen und können.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt, Er hält den Vertrag für nichtig, da die E…-M… als Arbeitsvermittlerin für das Gebiet der Bundesrepublik nicht zugelassen sei. Jedenfalls sei der Vertrag aber wirksam aufgehoben worden. Die E…-M… sei nicht nur Vermittlerin, sondern kraft langfristigen Auftrages Vertreterin des Klägers gewesen. Sie sei auch berechtigt gewesen, für den Kläger Erklärungen zur Auflösung des Vertrages abzugeben. Schließlich fehle es für die Vertragsstrafe auch an dem erforderlichen Verschulden. Die Agentur habe doch selbst die Stornierung des Vertrages ausgesprochen. Er habe zudem angenommen und annehmen müssen, daß die gesamte Kapelle des Klägers aus Ausländern bestehe. Er habe daher mit der Gefahr gerechnet, daß die Kapelle ebenso ausfalle wie die erste von der Agentur vermittelte Kapelle. Auch hätte die Kapelle des Klägers im “Boccaccio” in H… für den Monat Oktober ein Engagement bekommen können, wenn der Kläger wegen eines Ersatzengagements eine namhafte deutsche Agentur angesprochen hätte. Hilfsweise bittet der Beklagte um Ermäßigung der Vertragsstrafe.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Der Engagementsvertrag sei rechtswirksam zustande gekommen und hätte durch den Beklagten nicht einseitig aufgehoben werden können.

Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiter, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Denn das angefochtene Urteil ist zu Unrecht von der vollen Wirksamkeit des Engagementsvertrages vom 3. November 1966 ausgegangen. Eine Verpflichtung des Beklagten könnte sich nur aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen ergeben. Ein Anspruch auf die Vertragsstrafe gemäß § 9 des Engagementsvertrages besteht nicht.

1) Dem angefochtenen Urteil ist darin beizupflichten, daß sich eine Nichtigkeit des Engagementsvertrages gemäß § 134 BGB nicht aus dem Umstand ergibt, daß die E…-M… diesen Vertrag unter Verstoß gegen § 35 AVAVG vermittelt hat. Diese Bestimmung will in Verbindung mit den Strafvorschriften der §§ 210, 211 AVAVG das Arbeitsvermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (im folgenden kurz Bundesanstalt) gewährleisten, um die Stellenvermittlung durch ungeeignete Personen und eine Ausbeutung der Arbeitsuchenden zu verhindern und die Einflüsse von Interessentenverbänden auszuschalten (vgl. Krebs, AVAVG, § 35 Anm. 1). Gerade für die Arbeitsvermittlung von und nach dem Ausland können allerdings ausnahmsweise auch andere Stellen eine Ermächtigung seitens der Bundesanstalt erhalten (§§ 42, 54 AVAVG). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Ob sich aus dem Gesetzesverstoß eine Nichtigkeit des Vermittlungsvertrages herleiten läßt (vgl. z.B. OLG Frankfurt/Main, AP Nr. 4 zu § 37 AVAVG, anders in einem Sonderfall BGHZ 46, 24 = AP Nr. 8 aaO), kann hier dahinstehen. Denn dieser Rechtsstreit wird nicht um die Vermittlungsgebühr der E… -M… geführt. Jedenfalls ist der vermittelte und von beiden Parteien dieses Rechtsstreits unterschriebene Arbeitsvertrag nicht aus diesem Rechtsgrunde nichtig. Das Verbot der §§ 35, 210, 211 AVAVG richtet sich an den Vermittler, also die E…-M…, nicht an die Vertrags- und jetzigen Prozeßparteien. Nicht das Zustandekommen von Arbeitsverträgen wird mißbilligt, sondern lediglich deren Vermittlung durch unbefugte Personen oder Stellen (vgl. BGHZ 46, 24 [26]). Bei Annahme der Nichtigkeit des Arbeitsvertrages würde der bezweckte Schutz der Arbeitnehmer unter Umständen in sein Gegenteil verkehrt.

2) Das angefochtene Urteil übersieht aber, daß die Wirksamkeit des Engagementsvertrages durch eine andere Bestimmung des AVAVG in Frage gestellt ist. Nach § 43 Abs. 1 AVAVG bedürfen Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung in der Bundesrepublik einer Erlaubnis der Bundesanstalt. Zwei Mitglieder der Kapelle des Klägers, die als Angehörige des T… -Quintetts auch als Vertragspartner anzusehen sind, waren unstreitig schweizerische Stattsangehörige, für die also Sondervorschriften zugunsten der Arbeitnehmer aus EWG-Ländern nicht in Betracht kamen. § 43 AVAVG will verhindern, daß anstelle geeigneter deutscher Arbeitnehmer, die dann arbeitslos würden, ausländische Arbeitnehmer beschäftigt werden. Das Verbot richtet sich also unmittelbar gegen die Durchführung nicht genehmigter Verträge. Verstöße stellen sowohl für den ausländischen Arbeitnehmer wie für den Arbeitgeber eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 217 Nr. 3 AVAVG). Deshalb ist nach h. M. ein Arbeitsvertrag gemäß § 134 BGB von vornherein nichtig, wenn er nach der Absicht der Vertragsparteien trotz Kenntnis des Genehmigungserfordernisses ohne Genehmigung durchgeführt werden sollte (Hueck-Nipperdey, 7. Aufl., 1. Bd., S. 192; Woltereck, Betrieb 65, 779 mit weiteren Nachweisen). Die gleiche Rechtsfolge der von Anfang an gegebenen Nichtigkeit eines Arbeitsvertrages wird man aber nicht annehmen können, wenn eine Genehmigung zwar beantragt ist (vgl. Rüthers-Woltereck, AR-Blattei, Ausländische Arbeitnehmer, Beschäftigung in der Bundesrepublik C II 1; Krebs, aaO, § 43, Anm. 5), oder demnächst vor Arbeitsaufnahme beantragt werden soll, aber noch nicht erteilt ist. In diesen Fällen ist es durchaus möglich, daß die Genehmigung vor der tatsächlichen Arbeitsaufnahme noch erteilt wird und so dem Gesetz Genüge geschieht. Bis dahin ist der Arbeitsvertrag nur schwebend unwirksam. Der Vertrag wird aber jedenfalls dann voll wirksam, wenn die Genehmigung noch vor Arbeitsbeginn erteilt wird. Wird hingegen die Genehmigung nicht erteilt, so steht die Unwirksamkeit des Vertrages endgültig fest. Der Wortlaut des § 43 Abs. 1 Satz 1 AVAVG zwingt nicht zu der Annahme, die Beschäftigungsgenehmigung müsse etwa schon vor Vertragsabschluß beantragt und erteilt werden. Denn es ist nur die Ausübung einer Beschäftigung durch Ausländer genehmigungspflichtig. Nur die Ausübung einer Beschäftigung ohne Genehmigung stellt auch eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 217 Nr. 3 AVAVG; Krebs, aaO, § 217, Anm. 6).

Da in dem Engagementsvertrag die Kapellenmitglieder als Vertragspartner nicht namentlich aufgeführt sind, war bei Vertragsabschluß überhaupt offen oder zumindest für den Beklagten nicht erkennbar, ob der Kapelle auch ausländische Musiker angehören würden. Ein bewußter Verstoß gegen § 43 AVAVG kam daher für den Beklagten nicht in Betracht. Dasselbe gilt aber auch für den Kläger. Denn er hat mit Schreiben vom 26. August 1967 den Beklagten ausdrücklich gebeten, die Arbeitserlaubnis einzuholen. Das ist hier aber nicht geschehen. Ein voll wirksamer Engagementsvertrag mit dem Kläger und den anderen Kapellenmitgliedern ist daher nicht zustande gekommen. Daraus folgt, daß der Kläger die Klagsumme nicht unter dem Gesichtspunkt der Vertragsstrafe verlangen kann. Schon aus diesem Grunde ist die Aufhebung des angefochtenen Urteils erforderlich.

3) Der Senat kann aber nicht abschließend entscheiden. Denn nach dem Sachverhalt könnte eine Schadenersatzverpflichtung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen in Betracht kommen (vgl. Soergel-Siebert, BGB, 10. Aufl., § 134 Anm. 26; Kieckebusch, Verwaltungsarchiv 1966, S. 36). Das Landesarbeitsgericht wird diese Frage, auf die es nach seinem bisherigen Rechtsstandpunkt nicht ankam, zu prüfen haben. Daß der Beklagte kein Recht hatte, sich von dem Engagementsvertrag einseitig loszusagen, wie dies durch Schreiben vom 10. Mai 1967, zudem gerichtet an die E…-M…, geschehen ist, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt. Das gleiche gilt aber auch für die erneute Vertragsablehnung mit Schreiben vom 2. September 1967. Der Beklagte beruft sich darin lediglich auf seine fahrlässigerweise unzutreffende Rechtsansicht, alle Engagementsverträge seien nichtig, da keine deutsche Agentur bei der Vermittlung hinzugezogen worden sei. Entgegen den Ausführungen der Revision ist in dem letzteren Schreiben mit keinem Wort davon die Rede, die Einstellung von zwei deutschen Ersatzspielern würde das Leistungsniveau der Kapelle beeinträchtigen. Im übrigen ist es sehr fraglich, ob überhaupt die Einstellung von Ersatzspielern anstelle der beiden schweizer Kapellenmitglieder erforderlich gewesen wäre. Denn Ende August 1967 bestand durchaus noch die Möglichkeit, die Arbeitserlaubnis für eine am 1. Oktober 1967 beginnende Tätigkeit zu beantragen und zu erhalten. Ob sie auch noch fristgerecht erteilt worden wäre, müßte gegebenenfalls durch Einholung einer amtlichen Auskunft geklärt werden. Nach dem Runderlaß BA 72/59. 1 der Bundesanstalt vom 28. Februar 1959 betreffend Ausländergenehmigungsverfahren bei nichtdeutschen Künstlern sollen die Anträge mindestens vier Wochen vor Engagementsbeginn gestellt werden.

Zwar obliegt es in erster Linie dem Arbeitnehmer selbst, eine Arbeitserlaubnis zu beantragen. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des heutigen § 43 Abs. 1 AVAVG (Woltereck, aaO). Die früher außerdem erforderliche Beschäftigungsgenehmigung für den Arbeitgeber ist entfallen. Gleichwohl kann sich aus den einzelvertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auch eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einholung der Genehmigung ergeben. Ob hier eine derartige Verpflichtung des Beklagten bestand, mag dahinstehen. Zumindest hätte er den Kläger darauf hinweisen können und müssen, daß sich dieser selbst um die Erteilung der Genehmigungen bemühen solle. Stattdessen hat der Beklagte aber die Erfüllung des Engagementsvertrages mit Schreiben vom 2. September 1967 rundheraus abgelehnt, und zwar ohne triftigen Rechtsgrund. Damit fällt aber das Scheitern des Vertrages dem Beklagten zur Last, sofern mit einer Erteilung der Arbeitserlaubnis für die zwei Kapellenmitglieder zu rechnen gewesen wäre.

Nach § 9 Abs. 1 der 9. DVO zum AVAVG vom 20. November 1959 (BGBl. I S. 689) kann zwar die Arbeitserlaubnis versagt werden, wenn bei der Begründung des Beschäftigungsverhältnisses gegen die Bestimmungen des AVAVG verstoßen wurde. Das ist geschehen, weil die E…-M… den Engagementsvertrag entgegen § 35 AVAVG vermittelt hat (siehe Ziffer 1 der Gründe). Bei vertragsgetreuem Verhalten hätte der Beklagte aber ebenso wie im Fall der Kapelle “6 L…-Men” auf die Einschaltung einer gemäß § 54 AVAVG beauftragten deutschen Agentur hinwirken müssen (vgl. Schreiben des Beklagten an die E…-M… vom 10. Mai 1967). Damit hätte dieses Hindernis für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach § 43 AVAVG beseitigt werden können.

4) Allerdings müßte sich der Kläger auf etwaige Schadenersatzansprüche, die hier dahin gehen, so gestellt zu werden, als ob der Vertrag zustande gekommen wäre (BGH BB 55, 429, LM Nr. 3 zu MRG 53; RGZ 159, 57) dasjenige anrechnen lassen, was er mit der Kapelle im Oktober 1967 entweder anderweit verdient hat oder zumutbarer Weise hätte verdienen können. Insoweit wären die Beweisanträge des Beklagten über anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten in H… erheblich, auf die es vom Rechtsstandpunkt des Landesarbeitsgerichts aus nicht ankam.

5) Alle vorstehenden Ausführungen des Senats gehen von der Feststellung des Landesarbeitsgerichts aus, daß der Engagementsvertrag vom 3. November 1966 nicht etwa einverständlich aufgehoben werden ist, und daß die E…-M… keine Abschlußagentin für den Kläger gewesen ist. Insoweit rügt die Revision zutreffend eine Verletzung des § 286 ZPO. Der Beklagte hat nämlich unter Beweisantritt vorgetragen, die E…-M… habe auch allgemein Vertretungsmacht für den Kläger gehabt, und zwar auch für die Auflösung von Engagementsverträgen. Dafür könnte der Umstand sprechen, daß auch die E…-M… den Engagementsvertrag unterschrieben hat. Zwar beinhaltet der Makler-Vertrag regelmäßig keine Vertretungsmacht für eine oder gar beide Vertragsparteien. Rechtlich unmöglich ist es aber nicht, daß entsprechende Zusatzvereinbarungen getroffen werden (vgl. Staudinger- Riedel, 11. Aufl., § 652, Am. 3, 9). Wäre diese Behauptung des Beklagten zutreffend, so wäre die E…-M… auch ermächtigt gewesen, verbindliche Erklärungen über die Annullierung von Vertragsbeziehungen sowohl abzugeben als auch entgegenzunehmen. Insoweit wäre der Brief des Beklagten an die E…-M… vom 10. Mai 1967 erheblich. Zwar stand dem Beklagten – wie schon ausgeführt – an sich kein Recht zur Annullierung aller Verträge zu. Die E…-M… hat auch nicht geantwortet, wäre aber nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, dem Ansinnen des Beklagten zu widersprechen (BGHZ 1, 353 [355] = LM Nr. 1 zu § 346 (D) HGB; BGH LM Nr. 4 zu § 157 (Gb) BGB), mag man es rechtlich als Kündigung des Vertrages oder als Angebot der Vertraugsaufhebung ansehen. Die E…-M… mußte – wenn sie Vertreter des Klägers war – damit rechnen, daß sich bei Schweigen ihrerseits der Beklagte nach anderen Kapellen umsehen würde. Der Beklagte konnte das Schweigen der E…-M… als Zustimmung zur Lösung des Vertrages werten. Würde sich nach Beweisaufnahme eine derartige Sach- und Rechtslage herausstellen, so wären Schadenersatzansprüche des Klägers gegen den Beklagten zu verneinen. Ob der Kläger Ansprüche gegen die E…-M… geltend machen könnte, ist in diesem Rechtsstreit nicht zu entscheiden.

Da der Senat die erforderlichen weiteren tatsächlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann, muß der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zurückverwiesen werden.

 

Unterschriften

Dr. Boldt, Dr. Auffarth, Siara, Döring, Keller

 

Fundstellen

Haufe-Index 870930

BAGE, 22

MDR 1969, 876

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