Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang - Kommissionsbetrieb

 

Orientierungssatz

Erbringt der Auftragnehmer eine (Dienst-)Leistung an fremden Geräten und Maschinen innerhalb fremder Räume, ohne daß ihm die Befugnis eingeräumt ist, über Art und Weise der Nutzung der Betriebsmittel in eigenwirtschaftlichem Interesse zu entscheiden, können ihm diese Betriebsmittel nicht als eigene zugerechnet werden.

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 31. März 1999 - 5 Sa 41/98 -

wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Der Kläger und die Beklagte zu 2 streiten in der Revisionsinstanz noch über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und die Pflicht zur Weiterbeschäftigung.

Die Beklagte zu 2 betreibt einen Fruchtgroßhandel. Hierzu gehört das sog. Kommissionieren der Ware. Dabei wird das jeweils bestellte Obst und Gemüse in dem Lager der Beklagten zu 2 mittels Gitterwagen und Paletten für die einzelnen Kunden zusammengestellt.

Der Kläger war seit 1989 als Kommissionierer bei der Beklagten zu 2 beschäftigt. Zum 1. Januar 1994 übertrug diese die Kommissionierarbeiten für ihre beiden Großkunden M. und H. auf die Beklagte zu 1, die die genannten Arbeiten unverändert fortführte. Die Beklagte zu 1 übernahm sämtliche 16 Arbeitnehmer, die bisher die von den Firmen M. und H. bestellten Waren kommissioniert hatten, unter anderem den Kläger. Anfangs erhielt der Kläger fachliche Weisungen noch von Mitarbeitern der Beklagten zu 2. Nach kurzer Zeit erledigte die Beklagte zu 1 das Kommissionieren ausschließlich mit den eigenen Arbeitnehmern.

Ende 1995 mußte das Kommissionieren der von M. bestellten Waren vorverlegt werden. Da sich die Arbeitnehmer der Beklagten zu 1 mit einer Änderung der Arbeitszeit nicht einverstanden erklärten, führt seitdem ein anderes Unternehmen diese Arbeiten durch. Für die 16 Arbeitnehmer der Beklagten zu 1 verblieb es beim Kommissionieren der Ware für H.

Im September 1997 beantragte die Beklagte zu 1 Konkurseröffnung. Sie stellte ihre Tätigkeit zum 30. September 1997 ein und kündigte allen Arbeitnehmern zum 31. Oktober 1997 bzw. 30. November 1997. Seit dem 1. Oktober 1997 erledigt die Beklagte zu 2 die Kommissionierarbeiten für H. wieder selbst. Sie hat hierfür drei Kommissionierer und einen Schichtleiter aus der Belegschaft der Beklagten zu 1 am 17. Oktober 1997 eingestellt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung der Beklagten zu 1 sei unwirksam. Seine Arbeitgeberin sei stets die Beklagte zu 2 gewesen; denn die Beklagte zu 1 habe ohne entsprechende Erlaubnis Arbeitnehmerüberlassung betrieben. Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis im Oktober 1997 aufgrund eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 2 übergegangen. Die sächlichen Betriebsmittel, insbesondere auch Hubwagen, hätten durchgehend im Eigentum der Beklagten zu 2 gestanden und seien unverändert weiterhin benutzt worden. Paletten und Gitterwagen seien den Kunden in einem Kreislaufsystem zur Verfügung gestellt worden. Die Beklagte zu 2 habe am 1. Oktober 1997 auch die Verfügungsgewalt über ihre Räume wieder übernommen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers mit

der Beklagten zu 1 durch deren Kündigung vom 30. September

1997 nicht aufgelöst worden sei,

2. festzustellen, daß ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis des

Klägers mit der Beklagten zu 2 als Kommissionierer bestehe,

3. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, den Kläger als

Kommissionierer zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu

beschäftigen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2 hat eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung in Abrede gestellt. Das Arbeitsverhältnis habe seit 1994 mit der Beklagten zu 1 bestanden und sei im Oktober 1997 nicht auf sie übergegangen. Sie habe lediglich die Tätigkeiten, die die Beklagte zu 1 eingestellt habe, gezwungenermaßen wieder selbst ausgeführt. Es fehle sowohl an dem Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit wie an einem Rechtsgeschäft. Die Beklagte zu 1 habe über keinerlei Betriebsmittel oder Betriebsräume zur eigenwirtschaftlichen Nutzung verfügt. Dementsprechend habe sie, die Beklagte zu 2, solche Betriebsmittel oder Betriebsräume auch nicht übernommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage insgesamt stattgegeben. Hiergegen hat nur die Beklagte zu 2 Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage gegen die Beklagte zu 2 abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei am 1. Januar 1994 durch Betriebsteilübergang auf die Beklagte zu 1 übergegangen. Jedenfalls sei mit der Beklagten zu 1 ein Arbeitsverhältnis einzelvertraglich begründet worden. Eine Arbeitnehmerüberlassung an die Beklagte zu 2 habe der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Zumindest sei ab Wahrnehmung des vollen Weisungsrechts wieder ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1 zustandegekommen.

Das Arbeitsverhältnis sei nicht durch Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2 übergegangen. Der Kläger habe lediglich dargelegt, daß die Beklagte zu 2 in Bezug auf ihren Kunden H. die gleichen Arbeiten in denselben Räumen mit denselben Gerätschaften wie zuvor die Beklagte zu 1 durchführe. Die Beklagte zu 2 habe aber weder der Beklagten zu 1 gehörende noch ihr zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassene Betriebsräume oder Gerätschaften übernommen. Sie habe nicht wesentliche Teile der Hauptbelegschaft, sondern gerade nur ein Viertel der früheren Belegschaft eingestellt. In Kundenbeziehungen der Beklagten zu 1 sei sie nicht eingetreten. Die Übernahme der Kommissionierung beruhe auch nicht auf einem Rechtsgeschäft. Vielmehr habe die Beklagte zu 2 unwidersprochen dargelegt, es habe weder eine Kündigung noch eine vertragliche Vereinbarung über die Auflösung des ursprünglichen Vertrags vorgelegen.

II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

1. Der Kläger stand im September 1997 in einem Arbeitsverhältnis allein mit der Beklagten zu 1.

a) Die Annahme eines Betriebsteilübergangs am 1. Januar 1994 durch unveränderte Fortführung der Betriebstätigkeit und Einstellung der Hauptbelegschaft würde voraussetzen, daß das Kommissionieren für die Kunden M. und H. bei der Beklagten zu 2 bereits zuvor teilbetrieblich organisiert war (vgl. nur Senat 26. August 1999 - 8 AZR 718/98 - AP BGB § 613 a Nr. 196 = EzA BGB § 613 a Nr. 185). Nähere Feststellungen hierzu hat das Landesarbeitsgericht freilich nicht getroffen. Entgegen der Auffassung der Revision würde einem Betriebsübergang allerdings nicht entgegenstehen, daß die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erst seit 1997 auf die Übernahme der Hauptbelegschaft abstellt.

b) Jedenfalls ist der weitere Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden, die Beklagte zu 2 und der Kläger hätten ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1993 einvernehmlich aufgehoben, der Kläger habe mit der Beklagten zu 1 vereinbart, das Arbeitsverhältnis mit dieser wie bei einem Betriebsübergang unverändert fortzusetzen. Die entsprechende Auslegung der Schreiben der Parteien läßt revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler nicht erkennen. Der Kläger hat das Angebot der beiden Beklagten angenommen, das Arbeitsverhältnis "zu den bisherigen Konditionen und unter Berücksichtigung der erworbenen Rechte und Pflichten" mit der Beklagten zu 1 fortzusetzen, wobei ausdrücklich auch von einem "Übergang des Arbeitsverhältnisses" die Rede war. Wenn die Revision meint, ein rechtsgeschäftlicher Beendigungstatbestand sei nicht ersichtlich, der Kläger könne sehr wohl gleichzeitig in mehreren sich gegenseitig ausschließenden Arbeitsverhältnissen gestanden haben, setzt sie damit lediglich ihre - keineswegs naheliegende - Auslegung anstelle der Auslegung des Landesarbeitsgerichts.

c) Ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 galt nicht wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung als zustandegekommen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG verneint. Die Beklagte zu 1 hat den Kläger nicht an die Beklagte zu 2 "verliehen". Die übergangsweise erfolgten fachlichen Anweisungen durch Arbeitnehmer der Beklagten zu 2 reichen für eine derartige Annahme nicht aus. Das Landesarbeitsgericht hat zurecht darauf abgestellt, daß der Einsatz der Arbeitskraft auf die Erfüllung der von der Beklagten zu 1 vertraglich übernommenen Kommissionierarbeiten zielte (vgl. nur BAG 5. Mai 1992 - 1 ABR 78/91 - BAGE 70, 201, 205 f.).

2. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht im Oktober 1997 auf die Beklagte zu 2 übergegangen. Der Kläger hat die Voraussetzungen eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs nicht dargelegt.

a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von der neueren Senatsrechtsprechung zum Vorliegen eines Betriebsübergangs ausgegangen. Danach setzt der Betriebsübergang die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf allerdings nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus den anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluß an das Urteil des EuGH vom 11. März 1997 - Rs C-13/95 - EuGHE I 1997, 1259 (Ayse Süzen); vgl. nur Senat 22. Mai 1997 - 8 AZR 101/96 - BAGE 86, 20, 28, zu B II 2 b bb der Gründe; 13. November 1997 - 8 AZR 375/96 - BAGE 87, 120, 127, zu II 1 der Gründe; 11. Dezember 1997 - 8 AZR 426/94 - BAGE 87, 296, 299, zu B I der Gründe; 18. März 1999 - 8 AZR 196/98 - AP BGB § 613 a Nr. 190 = EzA BGB § 613 a Nr. 178, zu B I der Gründe; 18. März 1999 - 8 AZR 159/98 - AP BGB § 613 a Nr. 189 = EzA BGB § 613 a Nr. 177, zu II 1 der Gründe; aus der EuGH-Rechtsprechung zuletzt EuGH 2. Dezember 1999 - Rs C-234/98 - ZIP 1999, 2107; 10. Dezember 1998 - verb. Rs C-173/96 und C-247/96 - EuGHE I 1998, 8237 (Hidalgo und Ziemann)).

In Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar (Senat 11. Dezember 1997 aaO, zu B I der Gründe; 18. März 1999 - 8 AZR 196/98 - aaO, zu B I der Gründe).

Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige Inhaber muß seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es daneben nicht. Allerdings tritt kein Wechsel der Inhaberschaft ein, wenn der neue "Inhaber" den Betrieb gar nicht führt (Senat 12. November 1998 - 8 AZR 282/97 - BAGE 90, 163, 167, zu B I 1 der Gründe; 18. März 1999 - 8 AZR 159/98 - aaO, zu II 1 der Gründe).

Einem Betrieb sind auch solche Gebäude, Maschinen, Werkzeuge oder Einrichtungsgegenstände als sächliche Betriebsmittel zuzurechnen, die nicht im Eigentum des Betriebsinhabers stehen, sondern die dieser aufgrund einer mit Dritten getroffenen Nutzungsvereinbarung zur Erfüllung seines Betriebszwecks einsetzen kann. Die Nutzungsvereinbarung kann als Pacht, Nießbrauch oder als untypischer Vertrag ausgestaltet sein. Wesentlich ist, daß dem Berechtigten Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung überlassen sind. Erbringt der Auftragnehmer dagegen nur eine (Dienst-)Leistung an fremden Geräten und Maschinen innerhalb fremder Räume, ohne daß ihm die Befugnis eingeräumt ist, über Art und Weise der Nutzung der Betriebsmittel in eigenwirtschaftlichem Interesse zu entscheiden, können ihm diese Betriebsmittel nicht als eigene zugerechnet werden (vgl. nur Senat 11. Dezember 1997 - 8 AZR 426/94 - BAGE 87, 296, 300, zu B I der Gründe; 22. Januar 1998 - 8 AZR 775/96 - AP BGB § 613 a Nr. 174 = EzA BGB § 613 a Nr. 162, zu B I 1 der Gründe jeweils mwN).

Maßgebliches Unterscheidungskriterium für die Frage, ob im Eigentum des Auftraggebers stehende Arbeitsmittel Betriebsmittel des sie nutzenden Auftragnehmers sind, ist die Art der vom Auftragnehmer am Markt angebotenen Leistung. Da eine wertende Zuordnung vorzunehmen ist, ist eine typisierende Betrachtungsweise zulässig. Handelt es sich um eine Tätigkeit, für die regelmäßig Maschinen, Werkzeuge, sonstige Geräte oder Räume innerhalb eigener Verfügungsmacht und aufgrund eigener Kalkulation eingesetzt werden müssen, sind auch nur zur Nutzung überlassene Arbeitsmittel dem Betrieb oder dem Betriebsteil des Auftragnehmers zuzurechnen. Ob diese Betriebsmittel für die Identität des Betriebes wesentliche sind, ist Gegenstand einer gesonderten Bewertung. Wird dagegen vom Auftragnehmer eine Leistung angeboten, die er an den jeweiligen Einrichtungen des Auftraggebers zu erbringen bereit ist, ohne daß er daraus einen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil erzielen und ohne daß er typischerweise über Art und Umfang ihres Einsatzes bestimmen könnte, gehören diese Einrichtungen nicht zu den Betriebsmitteln des Auftragnehmers (Senat 11. Dezember 1997 - 8 AZR 426/94 - BAGE 87, 296, 300 f., zu B I der Gründe (Catering-Fall); 22. Januar 1998 aaO, zu B I 1 der Gründe (Bewachungsauftrag)).

b) Wesentlich für den Betrieb der Beklagten zu 1 war die Kommissioniertätigkeit mit einer eingearbeiteten Belegschaft in den Räumen der Beklagten zu 2. Ganz im Vordergrund stand die menschliche Arbeitskraft.

aa) Die Wertschöpfung erfolgte durch die Arbeitstätigkeit als solche, wobei sächliche Betriebsmittel zwar notwendig waren, aber keine wesentliche Rolle spielten. Dabei dienten die langfristig eingesetzten Gitterwagen und Paletten nach dem Vortrag des Klägers vornehmlich dem Betriebszweck der Beklagten zu 2, nämlich dem Verkauf der Ware an die Kunden M. und H. Soweit für das Kommissionieren Hubwagen benutzt wurden, hat der Kläger keine Tatsachen für deren eigenwirtschaftliche Nutzung durch die Beklagte zu 1 dargelegt. Nach dem Vortrag der Parteien liegt es nahe anzunehmen, daß die Beklagte zu 1 gerade nur die Tätigkeit des Kommissionierens mit den vor Ort vorhandenen Hilfsmitteln angeboten und übernommen hat, ohne aus diesen einen zusätzlichen wirtschaftlichen Vorteil ziehen zu können.

bb) Das Lager der Beklagten zu 2 stellte kein Element des Betriebs der Beklagten zu 1 dar. Vielmehr kennzeichneten die Räumlichkeiten lediglich die geschuldete Dienstleistung, die eben nur im Lager der Beklagten zu 2 zu erbringen war. Auf eine "Verfügungsgewalt" im Sinne einer "Inbeschlagnahme" kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht an. Die Beklagte zu 1 konnte keinesfalls über den Einsatz der Räume bestimmen und diese in ihre wirtschaftliche Kalkulation einbeziehen.

cc) Immaterielle Betriebsmittel bestanden praktisch nur aus dem in der Belegschaft verkörperten Wissen, wie die von der Beklagten zu 1 geschuldete Dienstleistung zu erbringen war. Die Arbeitnehmer und gegebenenfalls der Geschäftsführer verkörperten Arbeitsorganisation und Betriebsmethoden, soweit beides nicht ohnehin durch die Art der Vertragsbeziehung zwischen den Beklagten vorgegeben war. Darüber hinausgehende Rechte, Kunden- oder Lieferantenbeziehungen gab es nicht.

c) Danach ist die Wertung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte zu 2 habe lediglich die Betriebstätigkeit der Beklagten zu 1 - nahtlos - fortgesetzt (Funktionsnachfolge), aber keine wirtschaftliche Einheit übernommen, nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, die Beklagte zu 2 habe lediglich ein Viertel der Belegschaft und damit nicht die Hauptbelegschaft weiterbeschäftigt. Schon deswegen ist die vom Arbeitsgericht befürwortete Gleichsetzung mit dem Vorgang 1993/1994 nicht gerechtfertigt. Zudem ist der Kläger der Darstellung der Beklagten zu 2, sie habe die "Leitungsebene" und die "Arbeitsorganisation" nicht übernommen, nicht konkret entgegengetreten. Dem Kläger hilft es nicht weiter, daß die Unterbrechung von 16 Tagen bis zur Einstellung ehemaliger Arbeitnehmer an sich unschädlich war.

Entgegen der Auffassung der Revision ist der Gründungszweck der Beklagten zu 1 unerheblich. Auch wenn die Beklagte zu 1 ausschließlich die genannten Kommissionierarbeiten ausführte und darüber hinaus nicht am Markt auftrat, ändert das an der Gesamtwürdigung des betreffenden Vorgangs nichts. Dasselbe gilt für die Tatsache, daß die Kommissionierarbeiten für die Erfüllung des Betriebszwecks der Beklagten zu 2 von herausragender Bedeutung waren. Wesentliche materielle oder immaterielle Betriebsmittel (im weitesten Sinne) der Beklagten zu 1 sind nicht auf die Beklagte zu 2 übergegangen. Die bloße Funktionsnachfolge ohne Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft stellt keinen Betriebsübergang dar. Das gilt auch für die Rückgängigmachung der Fremdvergabe von maßgeblichen Betriebstätigkeiten.

d) Die Verfahrensrüge der Revision greift ebenfalls nicht durch. Der Revision ist zuzugeben, daß die "eigenwirtschaftliche Nutzung" der Betriebsmittel eine gerichtliche Wertung aufgrund der vorgetragenen und festgestellten Tatsachen verlangt. Die "Eigenwirtschaftlichkeit" als solche stellt regelmäßig keine bloße Tatsache dar. Ob das Landesarbeitsgericht hierzu eine ausreichende Bewertung vorgenommen oder, wie die Revision meint, fälschlich Streitlosigkeit angenommen hat, kann dahingestellt bleiben. Denn wie ausgeführt ist der Vortrag des Klägers unschlüssig. Die von ihm vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen nur die Annahme, die Beklagte zu 1 habe bestimmte Dienstleistungen in fremden Räumen und mit fremden Hilfsmitteln zu erbringen gehabt und diese Tätigkeiten seien dann anderweitig fortgesetzt worden.

e) Ob bei Annahme eines Betriebsübergangs dieser durch Rechtsgeschäft erfolgt wäre, bedarf keiner Entscheidung. Insoweit bestehen gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts allerdings Bedenken. Die Funktionsnachfolge ist durchaus mit Willen der Beklagten zu 1 erfolgt. Die Einstellung der Hauptbelegschaft hätte jedenfalls ein Rechtsgeschäft dargestellt.

3. Eine sonstige Grundlage für den Bestand eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2 ist nicht ersichtlich. Deshalb besteht auch kein Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung bei der Beklagten zu 2.

III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

Ascheid Dr. Wittek Mikosch

R. Iskra Heydenreich

 

Fundstellen

Dokument-Index HI611095

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